Trump announces ban of TikTok

Kurzvideo-App TikTok: Tanz am Abgrund

Die revolutionäre Kurzvideo-App TikTok hat einen dramatischen Sommer hinter sich. Der Herbst wird noch ärger.

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TikTok, Leitmedium und zentrale Lebenswelt für Teenager in aller Welt, befindet sich derzeit stimmungstechnisch in einem ausgeprägten Hoch-Tief. Im Mai zählte man den zweimilliardsten Download (regelmäßig sind bis zu eine Milliarde Menschen auf TikTok aktiv), im Juli wurde der größte internationale Markt, nämlich Indien, behördlich geschlossen (offiziell wegen Datenschutzbedenken, de facto aufgrund diplomatischer Verstimmung zwischen Indien und China, wo TikTok seine Wurzeln hat).

 

Protestkundgebung für #BlackLivesMatter. Auf TikTok wurde der Hashtag fast 19 Milliarden Mal abgerufen.

 

Nach dem Mord an George Floyd am 25. Mai avancierte die App zum wichtigsten Kanal für die #BlackLivesMatter-Proteste und damit zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor; am vergangenen Freitag erklärte US-Präsident Donald Trump, über ein baldiges Verbot in den USA nachzudenken. Trump hatte am Freitagabend in seinem Dienstflugzeug Air Force One mitreisenden Journalisten zufolge gesagt: „Was TikTok betrifft, so verbannen wir sie aus den USA.“ Etliche Influencer trugen daraufhin ihre TikTok-Präsenzen schon einmal präventiv zu Grabe.

Dixie D’Amelio (32,4 TikTok-Abonnenten) ist ausnahmsweise nicht #happy

 

Schon länger steht TikTok, das im Eigentum des chinesischen Digital-Konzerns ByteDance steht, unter Beschuss aus dem Weißem Haus. Dass über die Plattform unter anderem auch die Sabotage von Trumps Wahlkampfauftakt in Tulsa, Oklahoma organisiert wurde (tausende Plätze für die Veranstaltung waren reserviert, aber am Ende nicht besetzt worden), mag eine Rolle spielen. Im Zentrum steht aber der diplomatische und ökonomische Schaukampf zwischen den USA und China, in dem TikTok zunehmend die Rolle von Huawei aufgedrängt wird (als sinistre Datenkrake im Dienste des feindlichen Regimes).

Trump ließ seiner Ankündigung vorerst keine konkreten Taten folgen; US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Sonntag gegenüber Fox News, Trump werde „in den kommenden Tagen Maßnahmen in Bezug auf ein breites Spektrum nationaler Sicherheitsrisiken ergreifen, die durch Software in Verbindung mit der chinesischen Kommunistischen Partei entstehen." TikTok selbst weist jede Verbindung oder Kooperation mit der chinesischen Regierung übrigens strikt zurück und begreift sich durchaus als internationales Unternehmen.  

Tatsächlich soll Donald Trump ByteDance nunmehr eine 45-tägige Frist eingeräumt haben, um einen Verkauf des US-Geschäfts von TikTok an den amerikanischen Software-Konzern Microsoft auszuhandeln. Dieser hatte zuvor entsprechende Verhandlungen bestätigt, bis zum 15. September sollen diese nun abgeschlossen sein.

Alle weiteren wichtigen Fragen zu TikTok (Was ist das eigentlich? Ist es gefährlich? Muss man das alles verstehen?) werden in der aktuellen Ausgabe des profil beantwortet. Kurzfassung in zwei Sätzen: Man sollte TikTok keinesfalls unterschätzen. Fürchten muss man sich aber auch nicht.

Merke: Es ist nicht immer alles ganz ernst auf TikTok:

Update 18.8.2020

TikTok reagierte auf die Berichterstattung im profil mit zwei Statements zu den Themen Jugendschutz und Hongkong-Protest, die wir hier leicht gekürzt wiedergeben:

Zum Jugendschutz auf TikTok:

„Die Förderung einer positiven In-App-Umgebung ist unsere oberste Priorität, und wir haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Nutzer*innen vor Missbrauch zu schützen. (…) Es ist unsere oberste Priorität, für unsere Nutzer*innen eine sichere und positive Erfahrung auf der App zu schaffen. Die Frage der Altersprüfung ist eine industrieweite Herausforderung, an der wir gemeinsam mit Behörden und unseren Partnern in der Industrie arbeiten. Der Schutz von Minderjährigen und die Einhaltung gesetzlicher Normen hat für TikTok höchste Priorität. Zum Beispiel ist die App nur für Nutzer*innen ab 13 Jahren, gemäß unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die App enthält Altersfreigabemaßnahmen bei der Anmeldung, und wir haben eine Bewertung für 12+ im App Store festgelegt, die es Eltern ermöglicht, sie mithilfe von gerätebasierten Kindersicherungen einfach vom Handy ihres Kindes zu blockieren. Die meisten unserer Nutzer*innen sind zwischen 16 und 25 Jahren alt. Wenn wir erfahren, dass sich ein Kind unter 13 Jahren für ein TikTok-Konto angemeldet hat, ergreifen wir umgehend entsprechende Maßnahmen. Wir verpflichten uns, unsere Schutzmaßnahmen kontinuierlich zu verbessern, um eine sichere Umgebung zu schaffen, in der unsere Nutzer*innen ihre Kreativität und Fantasie ausleben können.“

Zu den Hongkong-Protesten:

„Nutzer*innen sind auf TikTok, da die App ihnen eine positive, lustige Erfahrung bietet, bei der sie ihre Kreativität einbringen können. Kurzformatige, unterhaltsame Videos sind das, was unsere Nutzer*innen überwiegend auf TikTok hochladen und ansehen. TikToks Moderation folgt unseren Community Richtlinien und Nutzungsbedingungen und entfernt keine Videos rund um die Proteste in Hongkong.“

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.