Ausschnitt aus einem Fahndungs-Plakat der Polizei.

Legendäre Kriminalfälle: Die Entführung des Lindbergh-Babys

Neue Serie: profil präsentiert die spektakulärsten Fälle der Kriminalgeschichte. Teil 2: Die Entführung des Lindbergh-Babys.

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Tat

Am 1. März 1932 wurde der 20 Monate alte Sohn der Luftfahrtpioniere Anne und Charles Lindbergh, Charles Augustus Lindbergh III, entführt. Die Ermittler vor Ort fanden in der Nähe des Tatortes Teile einer Leiter vor. Außerdem war im Schlafzimmer des Babys eine Notiz auf einem Zettel hinterlassen worden. Die - mit zahlreichen Fehlern bespickte - Nachricht enthielt folgende Forderungen:

"Dear Sir! Have 50.000$ redy 25 000$ in 20$ bills 15000$ in 10$ bills and 10000$ in 5$ bills After 2–4 days we will inform you were to deliver the money. We warn you for making anyding public or for notify the Police The child is in gut care. Indication for all letters are Singnature [Symbol to right] and 3 hohls."

Die Lösegeldforderungs-Notiz, die am Tatort hinterlassen wurde.

Am Tag nach der Entführung waren die schrecklichen Vorkommnisse am Lindbergh-Anwesen in den Medien omnipräsent. Präsident Herbert Hoover erklärte, dass er "Himmel und Hölle" in Bewegung setzen werde, um das Baby zu finden. Sogar Schwerverbrecher wie Al Capone baten ihre Hilfe an.

Ermittlungen

Die Polizei begann daraufhin bald, Verhandlungen mit den vermeintlichen Entführern aufzunehmen. Ein Vermittler namens John Condon übergab schließlich die geforderten 50.000 US-Dollar Lösegeld, teilweise in Goldzertifikatnoten, an einen Unbekannten mit ausländischem Akzent. Das Baby tauchte jedoch nicht wieder auf. Am 12. Mai 1932 wurde die Leiche des Kleinkindes aufgefunden - die Obduktion ergab, dass Charles Augustus Lindbergh III an den Folgen einer Kopfverletzung gestorben war.

Die darauffolgenden Ermittlungen zur Ergreifung des Täters/ der Täter verliefen zunächst schleppend. Im September 1934 entdeckte schließlich ein Tankstellenbesitzer eine 10-Dollar-Goldzertifikat-Note (diese waren in der Zwischenzeit nur mehr äußerst sporadisch im Umlauf) und notierte das Auto-Kennzeichen jenes Mannes, der mit dem Schein bezahlt hatte. Nachdem festgestellt wurde, dass die Banknote tatsächlich Teil des übergebenen Lösegeldes sein musste, wurde der Besitzer des Wagens ausgemacht und identifiziert: Es handelte sich um einen deutschen Emigranten namens Bruno Richard Hauptmann. Bei der Durchsuchung von Hauptmanns Haus stieß die Polizei auf weitere 14.600 Dollar in Goldzertifikat-Noten, die ebenfalls angeblich aus dem Lösegeld stammten.

Bruno Richard Hauptmann.

Prozess

Die, von diversen Medien als "Jahrhundert-Prozess" titulierte Gerichtsverhandlung begann am 2. Jänner 1935. Vermittler John Condon identifizierte Hauptmann eindeutig als jenen Mann, dem er das Lösegeld übergeben hatte. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die, bei der Entführung verwendete Holzleiter in der Tischlerwerkstatt des gebürtigen Deutschen angefertigt worden war. Am 13. Februar 1935 wurde Hauptmann für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Der "meistgehasste Mann Amerikas" starb am 3. April 1936 am Elektrischen Stuhl - seine letzten Worte waren: "Ich bin absolut unschuldig an den Verbrechen, die man mir zur Last legt".

Mythos

Tatsächlich wurden bis zum heutigen Tage immer wieder Zweifel laut, ob Hauptmann tatsächlich für den Tod des Lindbergh-Babys verantwortlich war oder quasi als "Bauernopfer" herhalten musste. Der Prozess gegen ihn war jedenfalls nach heutigem Maßstab alles andere als fair: Hauptmann wurde wiederholt von der Polizei geschlagen und sah sich mit einer regelrechten Hetzkampagne von Seiten der US-Presse konfrontiert, die ihn als "bösen Ausländer" diskreditierte. Außerdem waren zumindest zwei der Zeugen, die gegen ihn aussagten, von der Polizei eingeschüchtert worden, und ein Reporter gestand im Nachhinein, ein Beweisstück gefälscht zu haben. Der Erklärung Hauptmanns, er habe das zertifizierte Geld von einem deutschen Bekannten und Geschäftspartner namens Isidor Fisch bekommen, wurde ebenfalls nicht nachgegangen.

Charles Lindbergh im Zeugenstand.

Besonders umstritten ist auch die - im Zuge des Prozesses getätigte - Behauptung von Charles Lindbergh, er könne (drei Jahre nach der Tat) Hauptmanns Stimme eindeutig als jene des damaligen Entführers identifizieren.

Vermächtnis

Bruno Richard Hauptmann verfasste noch vor seiner Hinrichtung ein Buch mit dem Titel "Ich bin unschuldig! Ein Bekenntnis in der Todeszelle". Der Agatha Christie-Roman "Mord im Orient-Express" (1934) nahm in seiner Handlung eindeutig Bezug zu den Ereignissen rund um die Entführung des Lindbergh-Babys. Im Fernsehfilm "The Lindbergh Kidnapping Case" (1976) verkörperte Schauspiel-Genie Anthony Hopkins Bruno Hauptmann. Im Golden Globe- und Emmy-nominierten TV-Drama "Crime Of The Century" (1996) übernahm der Ire Stephen Rea die Rolle.

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