Menschen 2014: Larissa Marolt, tapfer durch das "Dschungelcamp"

Menschen 2014. Larissa Marolt schlug sich im "Dschungelcamp" tapfer

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Es wird leider viel zu selten darauf hingewiesen, wie viel das RTL-"Dschungelcamp", das in Wahrheit "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" heißt, mit dem echten Leben zu tun hat, das in Wahrheit auch nur eine Show ist, in der man ständig eklige Aufgaben ohne Sinn und Zweck gestellt bekommt und von Instanzen beurteilt wird, die man weder kennt noch begreift. Beide Formate - Dschungel und Alltag - laufen darauf hinaus, dass man am Ende der Blöde ist. Das nennt sich dann Sachzwang oder Sendungsregie und lässt sich nur mit unbändigem Eigensinn oder brachialer Fantasie umgehen - zwei Eigenschaften, die in der Kärntnerin Larissa Marolt, 22, Teilnehmerin an der siebten Staffel des RTL-"Dschungelcamps", ihre vielleicht höchste Konzentration weltweit erreicht haben. Da aber auch das Privatfernsehen eine Art von Restwürde hat, wurde die Hotelierstochter vom Klopeiner See damit natürlich nicht "Dschungelkönigin" (diese zweifelhafte Ehre war der strebsamen sächsischen Sexspielzeug-Unternehmerin Melanie Müller vergönnt). Zur bedeutendsten TV-Figur dieses Jahres reichte es trotzdem locker - weil Larissa Marolt gezeigt hat, dass es ein Leben gibt in der Fälschung.

Grenzgängerin
Im ultrakünstlichen Umfeld der Reality-Show blieb Marolt so kunstvoll natürlich, wie es nur ging, und nahm das Spiel so ernst, als gehe es wirklich um etwas. Sie weigerte sich, lebende Maden zu essen, und versuchte ernsthaft, an Felswänden nicht abzustürzen oder ihren Mitgefangenen Ehrlichkeit beizubringen. Sie verstand vieles nicht und war doch klüger als alle anderen, zudem hysterisch und hellsichtig, kindisch und weise, spontan und unerklärlich. Larissa im Dschungelcamp 2014, das war die komplizierteste Situationselastik, die man sich vorstellen kann: Vom Publikum wurde sie dafür entweder krankgeschrieben oder zur Schmierenschauspielerin erklärt, was beides zutraf, weil Larissa Marolt eine Grenzgängerin war, die ständig den ihr (von der Regie, vom Leben) zugedachten Platz verließ, und weil sie, wie auf einer Bühne, höchste Intensität in die banalsten Situationen investierte. Eine "junge Frau mit mehr Möglichkeit als Wirklichkeit" nannte sie der Publizist Roger Willemsen; sie selbst erklärte es viel einleuchtender: "Ich hab mich selbst noch nicht an mich selbst gewöhnt."

Es muss dringend darauf hingewiesen werden, wie wichtig Selbstentwöhnung ist - gerade auch im Dschungel des Alltags.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.