Blut, Schweiz und Tränen

Menschen des Jahres: Marcel Koller spielte den Boulevard schwindlig

Menschen des Jahres 2013. Marcel Koller spielte den Boulevard schwindlig

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Kommentare von Herbert Prohaska sind inverse Entscheidungshilfen: Wenn man das Gegenteil seiner Empfehlungen umsetzt, kann man nicht ganz falsch liegen. Im Oktober 2011 meinte Prohaska: "Ohne Marcel Koller nahetreten zu wollen: Solche Trainer haben wir bei uns genügend. Ein Andreas Herzog ist sicher um nichts schlechter als Koller, hätte mindestens genauso gut den Teamchefjob gemacht.“

Am 19. November absolvierte die Fußballnationalmannschaft das letzte Länderspiel des Jahres. Gegner waren die USA - mit Andreas Herzog als Hilfscoach des amerikanischen Cheftrainers Jürgen Klinsmann. Österreich gewann 1:0. Kollers Jahresbilanz (fünf Siege, ein Remis, vier Niederlagen) ist damit zwar positiv, ihre Aussagekraft aber leider prohaskaesk. Die jüngste Niederlage - das 1:2 gegen Schweden - beendete die WM-Träume und verdarb damit alle Siege davor und danach. In der ersten Halbzeit spielte das Nationalteam, wie man es als österreichischer Fan nie erwarten durfte: konzentriert, präzise, nach Plan. In der zweiten Hälfte fehlten "die nötige Ruhe und Erfahrung“ (Koller), vor allem aber Sebastian Prödl und Emanuel Pogatetz in der 86. Minute. Nicht viele seiner vielen Tore 2013 konnte Zlatan Ibrahimoviæ derart unbelästigt von der gegnerischen Verteidigung erzielen. "Wir haben richtig fest geweint“, sagte Marcel Koller.

Festen Jubel löste der 53-Jährige bei den Nationalkickern aus, als er sich gegen das Angebot des Schweizer Verbands und für die Verlängerung seines Vertrags mit dem ÖFB entschied. Auch den Boulevard spielte der Schweizer damit schwindlig. "Österreich“-Chef Wolfgang Fellner hatte Koller kurz vor der Vertragsverlängerung als "billigen Söldner“ beschimpft; statt Koller solle Andreas Herzog "echter Nationaltrainer“ werden.

Koller ist der wissenschaftlichste Teamchef, den Österreich je hatte. Dank ihm hat man das Gefühl, auch der ÖFB sei endlich in der Gegenwart angekommen, in der Taktikstudium digitalisiert und nicht mehr mit Notizblock und Magnetbrett betrieben wird. Koller ist ein Anti-Krankl oder auch ein Anti-Klinsmann, für ihn bedeutet Fußball mehr Hirn als Herz. Was Selbstkritik durchaus einbezieht: So hinterfragte der Teamchef öffentlich seine Strategie, in der WM-Qualifikation bevorzugt Stammspieler auch dann eingesetzt zu haben, wenn sie in ihren Vereinen kaum zum Zug kamen. Bisweilen fehlt Koller von der Bank aus der Funke, auf einen geänderten Spielverlauf mutig zu reagieren, wie nach dem Ausgleichstreffer der Schweden in Stockholm.

Der Schweizer Boulevard blieb nach Kollers Entscheidung milde. Er selbst sagte dazu: "Wir sind auf einem guten Weg, der aber noch lang ist. Also bin ich glaubwürdiger, wenn ich das Projekt weiterführe, als wenn ich mittendrin abspringe.“ Und irgendwann wird vielleicht auch Andreas Herzog Teamchef.

Die Menschen des Jahres 2013:

# Angela Merkel hielt den deutschen Haushalt sauber.

# Frank Stronach sorgte für Erheiterung

# Maria Fekter quasselte sich ins politische Out

# Marcel Hirscher bewies wieder einmal Zug zum Tor

# Matthias Strolz beflügelte den Wahlkampf mit Heilsleere

# Miley Cyrus wurde erwachsen. Oder auch nicht

# Monika Lindner begab sich ungeniert in die Politik

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.