ÖFB-Präsident Josef Pröll spielt auf einem Fußballplatz mit einem Fußball
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ÖFB-Präsident Josef Pröll: „Einmal muss der eine die Krot fressen, einmal der andere“

Josef Pröll will als neuer ÖFB-Chef den Verband aufräumen. Ein Gespräch über spätabendliche Sprachnachrichten von Teamchef Ralf Rangnick, das Budgetloch bei der Wiener Austria - und jenes im Bund.

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Sie wurden im Mai zum neuen Chef des Österreichischen Fußball-Bundes gewählt, der zuletzt vor allem mit Funktionärsmachtkämpfen in die Schlagzeilen geraten ist. Wie wollen Sie helfen?

Pröll

Wenn der Wurm drinnen ist, muss man ihn rausbringen – und da tut sich einer, der von außen kommt, oft leichter. Es gab Querelen und Blockbildungen im Funktionärsbereich, die sich in den operativen Bereich gezogen haben. Wir wollen eine Strategie für die nächsten zehn Jahre entwickeln. Und alte Zöpfe abschneiden.

Was meinen Sie mit „alte Zöpfe“?

Pröll

In vielen Bereichen wurde im Verband gute Arbeit geleistet. Vieles ist aber aus der Historie heraus entstanden, insbesondere, was Geldströme und Förderungen betrifft. Wir müssen uns ganz offen fragen: Ist das noch zeitgemäß? Ist der ÖFB organisatorisch und operativ richtig aufgestellt?

An der Spitze des ÖFB stehen neun ehrenamtliche Landespräsidenten, die für den Amateursport zuständig sind, aber auch für das Nationalteam rund um Superstars wie David Alaba. Ist das noch zeitgemäß?

Pröll

Absolut! Der größte Fehler wäre es, das Nationalteam und den Profisport vom Breitensport zu entkoppeln. Das wäre für den österreichischen Fußball der Todesstoß. Wir müssen die Pyramide von unten denken. Viele Spieler, die heute Teil der Nationalmannschaft sind, kamen aus dem Breitensport in den Spitzensport.

Aber müssen deshalb Männer, die den Amateursport organisieren, zugleich die Weichen für den Spitzensport stellen?

Pröll

Wir haben zuletzt die operative Führung gestärkt und das Präsidium (das ÖFB-Entscheidungsgremium, Anm.) zum Aufsichtsrat gemacht. Föderalismus hat nicht nur Schwächen. Föderalismus hat das Land Österreich nach 1945 groß gemacht. Was auch klar ist: Föderalismus darf nicht zum Gegeneinander der Regionen werden. Wir müssen gemeinsam zu Entscheidungen kommen – dann werden wir den ÖFB auch weiterbewegen.

Vor wenigen Monaten wurde im ÖFB vor allem gestritten. Manche Funktionäre traten öffentlich gegeneinander auf. Seit Ihrem Amtsantritt ist Ruhe eingekehrt. Haben Sie Maulkörbe verhängt?

Pröll

Ich verhänge keine Maulkörbe, weil ich ein überzeugter Demokrat bin. Ich will mit Ideen und Diskussionskultur zu Entschlüssen zu kommen.

Ein Streitpunkt war zuletzt die Verteilung der ÖFB-Einnahmen. Landesverbandspräsidenten wollen mehr für ihre Länder, Teamchef Ralf Rangnick mehr für die Nationalmannschaft. Wo stehen Sie?

Pröll

Wir haben beim A-Team einen Betreuerstab in einer noch nie da gewesenen Größe, was die Geldmittel und die personelle Aufstellung betrifft. Auf der anderen Seite haben auch die Länder für den Breitensport legitime finanzielle Ansprüche. Wir bekommen zweistellige Millionenbeträge pro Jahr an öffentlichen Fördergeldern vom Bund – und die sind nicht als Zuwendung fürs Nationalteam gedacht. Der Breitensport hat eine ganz zentrale Bedeutung für Gesundheit, Integration, Vereins- und Ehrenamt.

Die Einnahmen werden künftig weniger. Durch das Sparpaket sollen die öffentlichen Fördergelder für den ÖFB um 1,5 Millionen Euro gekürzt werden. Auch der im Herbst zu eröffnende ÖFB-Campus soll eine Million Minus pro Jahr verursachen. Wie wollen Sie da Länder und Teamchef zufriedenstellen?

Pröll

Man kann die Verluste durch Einsparungen in der Organisation abpuffern – oder durch sportliche Erfolge und damit verbundene Mehreinnahmen.

Viele sehen in Ihnen den perfekt vernetzten Ex-Vizekanzler und -Finanzminister, der dem ÖFB auch neue Geldgeber bringen wird. Ist die Hoffnung berechtigt?

Pröll

Ich will an allen Hebeln drehen. Viele Firmen stehen aufgrund der Wirtschaftslage aber unter Druck. Einfach ist es nicht. Wir müssen Klinken putzen gehen.

Machen Sie das selbst?

Pröll

Ich rede mit Leuten, die Interesse haben, bei uns anzudocken. Aber es ist nicht meine Kernaufgabe.

ÖFB-Sponsor Raiffeisen hat vor wenigen Monaten einen externen Präsidenten gefordert. Kurz darauf wurden Sie als CEO eines Raiffeisen-Konzerns zum neuen ÖFB-Chef. Ein Zufall?

Pröll

Meine Raiffeisen-Chefs waren genauso überrascht wie ich. Wir haben länger darüber diskutiert, ob das überhaupt möglich ist.

Wer hat Sie denn erstmals gefragt, ob Sie sich das ÖFB-Amt vorstellen können?

Pröll

Der Kärntner Landespräsident Martin Mutz, ein Rechtsanwalt, hat mir ein E-Mail geschrieben. Ich habe erst nur „Rechtsanwalt“ gelesen – und dachte, ein paar Monate, nachdem die Ermittlungen gegen mich kommentarlos eingestellt wurden: O weh! Was will die Justiz schon wieder von mir? Erst ein, zwei Tage später habe ich mir das Mail dann genauer durchgelesen.

Josef Pröll, ÖFB-Präsident, balanciert einen Fußball auf seiner Stirn
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Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.