Gesellschaft

#OneLove: Der Regenbogen als Feind der Kataris – und der FIFA

Warum eine Armbinde die Fußball-Weltmeisterschaft überschattet – und Nationalteams zum Einknicken bringt. Deutschland bleibt nur der stille Protest.

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Schweigend mit der Hand vorm Mund. Damit eröffnet die deutsche Nationalmannschaft das Spiel gegen Japan am Mittwoch - und setzt damit ein symbolisch lautes Zeichen gegen die umstrittene Entscheidung der FIFA, die #OneLove-Armbinde zu verbieten. Statt dem Regenbogen trug Kapitän Neuer eine Binde mit der Aufschrift “No Discrimination” - und heizte damit die Diskussionen rund um die WM in Katar an. Es ist der bisherige Höhepunkt einer politisch aufgeladenen Weltmeisterschaft. 

15 Millionen Treffer. Lange muss man Instagram nicht durchforsten, bis die ersten Postings mit dem Hashtag #OneLove aufpoppen. Die geplanten Regenbogen-Armbinden der Nationalteamkapitäne bei der WM sorgen für Unmut bei der FIFA – reduzieren sich derzeit aber noch auf Soziale Netzwerke. Die FIFA erteilt der #OneLove-Binde auf dem Spielfeld nämlich Anfang der Woche die rote Karte und droht mit „sportlichen Konsequenzen“.  

„Bei FIFA-Endrunden muss der Kapitän jedes Teams die von der FIFA bereitgestellte Kapitänsbinde tragen.“ Dieser Satz aus Artikel 13.8.1 des FIFA Ausrüstungsreglement ist das Totschlagargument des Fußballverbandes. Denn damit begründet die FIFA ihr Recht, das Tragen der bunten Binde bei der WM 2022 zu verbieten und drohe bei Verstößen mit „sportlichen Konsequenzen“, sprich Punkteabzug oder gar gelbe oder rote Karten am Spielfeld.

Und das hat alle acht Nationalmannschaften, die jene Binde tragen wollten, zum Einknicken gebracht. „Wir haben (…) die Binde verloren, aber nicht unsere Werte“, verteidigte DFB-Mediendirektor Steffen Simon die Entscheidung. Fans und allen voran Sponsoren sehen das anders. So beendete der deutsche Lebensmittel-Riese REWE die Kooperation mit dem DFB, nachdem dieser entschieden hat, die Binde auf der Reservebank zu lassen. Konzernchef Lionel Souque beteuerte, die „skandalöse Haltung der FIFA“ sei für ihn als Chef eines vielfältigen Unternehmens und als Fußballfan „absolut nicht akzeptabel“.

Die Nationalmannschaften müssen sich jetzt einiges gefallen lassen. Der Grundtenor der Kritiker:innen: Ist ein möglicher Punktabzug tatsächlich mehr wert als ein Zeichen für Menschenrechte?

Die belgische Mannschaft hat noch ein weiteres Problem. Sie muss wegen der FIFA-Entscheidung mit einem veränderten Ausweichtrikot spielen. Das Wort „Love", das auf der Innenseite dieser Trikots eingearbeitet war, muss wieder entfernt werden – ebenso ein aufgedruckter Regenbogen, ein Symbol, das in Katar verboten ist. „Das Wort Love muss verschwinden“, wurde der Präsident des belgischen Verbandes RBFA, Peter Bossaert, am Montag in belgischen Medien zitiert. „Es ist traurig, aber die FIFA lässt uns keine Wahl.“

Auch die englische Mannschaft verzichtet auf den #OneLove – Aufnäher. Beim Auftaktspiel der Engländer am Montag gab es aber dann doch eine Überraschung: Der englische Kapitän Harry Kane trägt statt des verbotenen Regenbogens eine Armbinde mit der Aufschrift „No Discrimination“ - genauso wie der deutsche Kapitän am Mittwoch. 

Der deutsche Fußball-Bund DFB will - vermutlich auch wegen der massiven Kritik -  gegen die Entscheidung der FIFA vor den Sportgerichtshof CAS ziehen. Man wolle erreichen, dass Kapitän Manuel Neuer spätestens ab dem zweiten Gruppenspiel gegen Spanien am Sonntag die umstrittene #OneLove-Binde tragen darf - und das ohne gelbe oder gar rote Karte für die Spieler oder Punkteabzug (Stichwort „sportliche Konsequenzen“). „Die FIFA hat uns ein Zeichen für Diversität und Menschenrechte verboten. Sie hat dies mit massiven Androhungen sportlicher Sanktionen verbunden, ohne diese zu konkretisieren. Der DFB prüft, ob dieses Vorgehen der FIFA rechtmäßig war“, so DFB-Sprecher Steffen Simon gegenüber der deutschen BILD-Zeitung.

Ein Zeichen gegen Katar

Die #OneLove-Binde sollte ein Statement gegen Homophobie, Antisemitismus und Rassismus sein – und damit auch gegen Katar. Ursprünglich wollten acht Teams aus Europa (Deutschland, England, die Niederlande, Belgien, die Schweiz, Wales, Frankreich und Dänemark) damit bei der WM in Katar aufs Spielfeld laufen, um in einem Land, das Menschenrechte mit Füßen tritt, Homosexualität mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft, Arbeitsmigrant:innen bis zum Tode ausbeutet und jüdische Gottesdienste sowie koscheres Essen verbietet, ein Zeichen zu setzen.

 

Immer mehr Fans, und zuletzt auch Journalist:innen bekennen Farbe, tragen Regenbogenaufnäher oder andere Symbole, um auf die Menschenrechtssituation im Emirat aufmerksam zu machen. Und das erfordert Mut. Fans berichten von Sicherheitsmitarbeiter:innen und der Polizei angehalten worden zu sein. Oder ihnen wird gleich der Zutritt ins Stadion verwehrt.

Ein Sportreporter aus Dänemark wurde bei einem Dreh vor dem dänischen Teamhotel von katarischen Beamten aufgehalten und aufgefordert, die #OneLove Binde von seinem Oberarm zu entfernen.

Auf dem Spielfeld kam die #OneLove-Binde aber dann doch noch zum Einsatz – Dank der ehemaligen britische Nationalteamspielerin Alex Scott. Ihre bunte Armbinde hat es aber nicht nur bis aufs Spielfeld geschafft, sondern auch ins Bild der BBC.

Sie war als Expertin und Kommentatorin des Auftaktspiels der Engländer geladen. Scott hatte sich vor Kurzem geoutet – und ist mit ihrer Aktion für viele der 15 Millionen #OneLove-Postings auf Instagram verantwortlich - so wie nun auch die deutsche Nationalmannschaft.

Maximilian Mayerhofer

Maximilian Mayerhofer

war bis Mai 2023 Online-Redakteur bei profil. Davor war er beim TV-Sender PULS 4 tätig.