Stille Größe

Philip Seymour Hoffman: Stille Größe

Nachruf. Zum Drogentod des New Yorker Schauspielers Philip Seymour Hoffman

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Bedrückte Stille herrschte unter den Umstehenden, als der provisorische Sarg, in dem Philip Seymour Hoffman lag, in der New Yorker Bethune Street am Sonntagabend vergangener Woche in den Wagen des städtischen Leichenbeschauers geschoben wurde. Ein Freund, der Dramatiker David Bar Katz, hatte den Schauspieler, nachdem dieser seine Kinder nicht wie verabredet abgeholt hatte und telefonisch nicht erreichbar war, am Sonntagvormittag in dessen Wohnung in Manhattans Greenwich Village aufgefunden: im Badezimmer tot auf dem Boden liegend, mit einer Spritze im Arm. Hoffman war erst 46 Jahre alt.

In seinem Apartment stellte die Polizei neben verschreibungspflichtigen Medikamenten und unzähligen Einwegspritzen mehrere Dutzend Briefchen sicher, die Heroin enthielten. Hoffman hatte sich offenbar eingedeckt, schien fest entschlossen, sich der Droge auszuliefern. Mit Suchtproblemen hatte er seit Jahrzehnten zu kämpfen, hatte sich noch im vergangenen Mai selbst in eine Entzugsklinik überantwortet.

Psychische Abgründe
Der Verlust, den das Kino mit seinem Abgang hinzunehmen hat, ist immens. Wie dringend der amerikanische Film Charakterdarsteller wie ihn braucht, wird deutlich, wenn man seine Kollegen, all die anderen leading men seiner Branche mit ihm vergleicht: Wie hätte Tom Cruise die angeschlagenen Figuren spielen sollen, die Hoffman so unnachahmlich porträtierte? Wie hätten Matt Damon, DiCaprio, Clooney oder McConaughey die Verlorenen und Verschlagenen verkörpern sollen, die er derart präzise verstand? So gut wie sie alle sah Hoffman nie aus; besser als sie alle aber war er darin, in psychische Abgründe zu blicken.

Emotionsarbeit
Schauspielen, das war für ihn kein Spaß, sondern schwere Konzentrations- und Emotionsarbeit. Den zurückhaltenden Stil, den er kultivierte, hatte er sich mühsam erarbeitet, zunächst am Theater. Er war einer jener Mimen, die sich der Filmbetrieb erst einmal nur als Nebendarsteller vorstellen konnte: Mit seiner sonoren Stimme und seinem ungewöhnlichen Aussehen gestaltete er auch kurze Auftritte denkwürdig - etwa den verzweifelten Annäherungsversuch, den er 1997 in der Retro-Porno-Satire "Boogie Nights“ hinlegte.

Oscar für "Capote"
Paul Thomas Anderson inszenierte fünf seiner Filme, nahezu alle, mit Hoffman, darunter "Magnolia“ (1999) und zuletzt "The Master“ (2012), wo der Akteur als charismatischer Sektenführer den arglosen Joaquin Phoenix manipulierte. Zu Beginn der Nullerjahre stieg er auf, man begann ihm endlich auch Hauptrollen zuzutrauen, die er glanzvoll nutzte: 2006 erhielt Hoffman für seine virtuose Mimesis der Manierismen eines Schriftstellers namens "Capote“ den Oscar. Seither arbeitete er unaufhörlich, ließ sich für große Hollywoodproduktionen wie zuletzt die "Hunger Games“-Serie ebenso engagieren wie für wendige Independentwerke. Im Rahmen der eben gestarteten Berlinale hätte sein lang gehegtes Regieprojekt "Ezekiel Moss“ auf sichere Beine gestellt werden sollen. Amy Adams und Jake Gyllenhaal standen als Darsteller-Duo schon dafür bereit.

Aber Hoffman war nicht nur im Kino hyperaktiv: Am Broadway brillierte er 2012 in "Tod eines Handlungsreisenden“, in Wien war Hoffman 2009 in der Festwochenproduktion "Othello“ zu sehen, am Akzent-Theater trat er in der Regie Peter Sellars’ als Jago einschüchternd, aber gewohnt leise auf die Bühne. Seit Jahren spielte und inszenierte er für die New Yorker Off-Broadway-Theatertruppe LAByrinth, zu deren Führungspersönlichkeiten auch seine Frau gehörte: Mit der Kostümbildnerin Mimi O’Donnell hatte er einen Sohn und zwei Töchter, zehn, sieben und fünf Jahre alt. Vor drei Monaten hatte sich das Paar getrennt.

Etliche Hoffman-Filme werden uns erst in den kommenden Monaten erreichen: Einen Spion gibt er in "A Most Wanted Man“ und in "God’s Pocket“ einen vom Tod seines Sohns Zerrütteten. Für beide Produktionen war er vor zwei Wochen noch beim Sundance Film Festival, wo er schon seltsam zerstreut, müde, unkonzentriert wirkte - wie jemand, der beschlossen hatte, nicht mehr dazuzugehören.