Sigrid Maurer: "Pilz ist ein übergriffiger Sexist"

Die ehemalige Grün-Politikerin Sigrid Maurer über die Schweigespirale, ihr Outing eines Posters und die viel zitierten alten, weißen Männer.

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Dieses Interview ist Teil der profil-Titelgeschichte zu #MeToo. Sigrid Maurer wurde am Dienstag der üblen Nachrede schuldig gesprochen. Jener Mann, dem sie vorwarf, ihr sexuell erniedrigende Nachrichten geschrieben zu haben, hatte sie geklagt.

Interview: Eva Linsinger

profil: Was hat die #MeToo- Debatte an Veränderungen gebracht? Maurer: Ein größeres Bewusstsein dafür, was Frauen tagtäglich passiert, und das Bewusstsein, dass es nicht so weitergehen kann. In den USA gibt es, im Gegensatz zu österreichischen Fällen, tatsächlich Konsequenzen. Da bewegt sich etwas, das nicht mehr zurückdrehbar ist.

profil: Wirklich? Gibt es nicht alle zwei Jahre eine ähnliche Debatte? Maurer: Klar, es gab alle möglichen Hashtags: #whyIdidntreport oder #Aufschrei oder #imzugpassiert. Aber jetzt sind die Konsequenzen erstmals härter. Da hat sich mehr bewegt als bei den letzten Debatten. Im Geschlechterverhältnis verändert sich ständig etwas, und mittlerweile haben Frauen so viel Macht, dass es Konsequenzen für Übergriffe gibt. Es ist zwar schweineanstrengend, sich zu wehren, aber es lohnt sich.

profil: Eine Hauptkritik an #MeToo lautet, dass Vergewaltigungen und verbale Belästigungen heillos vermischt werden. Maurer: Diese Kritik ist der Versuch der Gegenseite, die Debatte abzuwerten. Denn niemand von den Menschen, die ihre Geschichten erzählen, behauptet, dass es ein und dasselbe wäre, niemand verlangt, dass es für jede sexistische Bemerkung strafrechtliche Konsequenzen gibt. Aber der Mechanismus für Übergriffe in allen Härtegraden ist derselbe: Es geht immer um den Versuch, Macht zu demonstrieren.

profil: Der zweite Hauptvorwurf lautet: #MeToo ist öffentlicher Pranger ohne Unschuldsvermutung. Maurer: Das sehe ich durchaus als Problem. Aber bei der Thematik sind wir seit so vielen Jahrzehnten nicht weiter, dass es den öffentlichen Druck braucht, damit sich etwas bewegt. Viel zu lange hat die Schweigespirale übergriffige Männer gedeckt, dieses Problem ist größer und rechtfertigt die Veröffentlichungen.

profil: Sie haben sexistische Messenger-Nachrichten veröffentlicht, die Ihnen aus einem Bier-Geschäft gesendet wurden. Maurer: Ich hatte keine rechtlichen Möglichkeiten, mich zu wehren. In der Schweiz wäre das etwa mit einer Geldstrafe ahnbar, auch in anderen Staaten gibt es Möglichkeiten. Da hat Österreich sicher Nachholbedarf. Ich hatte keine juristischen Möglichkeiten. Für mich war aber klar: Ich lasse mir das nicht gefallen. Daher habe ich es öffentlich gemacht.

profil: Sie konnten den Betreiber des Bier-Geschäfts nicht klagen - aber er hat Sie geklagt, wegen übler Nachrede und Rufschädigung. Sie stehen als Angeklagte vor Gericht, der Prozess geht kommende Woche weiter. Maurer: Ich möchte daher das Verfahren nicht kommentieren. Aber ich kriege sehr viel Zustimmung, nach dem Motto: Endlich traut sich eine. Das Urteil könnte eine Art Präzedenzurteil werden. Und vielleicht kommt sogar auch ein neues Gesetz.

Keine Partei ist frei von Sexismus.

profil: Sie sind 33. Ist der Umgang mit #MeToo auch eine Generationenfrage? Maurer: Natürlich gehen junge Frauen heute mit anderem Selbstbewusstsein hinaus in die Welt. Auch bei Männern hat sich einiges geändert, viele sind empört über täglichen Sexismus.

profil: Sie waren Politikerin der Grünen. Warum hat #MeToo mit Peter Pilz und Efgani Dönmez zwei Ex-Grüne erwischt? Maurer: Das ist Zufall. Keine Partei ist frei von Sexismus. Es wiegt bei Grünen aber natürlich schwerer, weil der Anspruch ein höherer ist als etwa in der FPÖ, wo viel ärgere Geschichten passiert sind. Zu Dönmez habe ich keine persönlichen Erfahrungen, ich kenne ihn kaum.

profil: Sie haben vor rund einem Jahr getwittert: Pilz ist ein erbärmlicher Sexist. Stehen Sie dazu? Maurer: Natürlich. Es soll mir jemand erklären, was daran nicht stimmt. Denn alle Vorwürfe belegen, dass Pilz ein übergriffiger Sexist ist, auch wenn er behauptet, er wurde freigesprochen - das stimmt nicht, die Sache ist verjährt. Ich finde es nach wie vor komplett erbärmlich, wie Pilz mit der Causa umgegangen ist.

profil: Andere fanden erbärmlich, dass die Vorwürfe gegen Pilz nach der Wahlniederlage der Grünen öffentlich wurden. Maurer: Das finde ich auch extrem arg, ich weiß nicht, wie das passierte. Die betroffene Frau wollte das nie, es war klar, dass sie den öffentlichen Kampf gegen Pilz nicht gewinnen kann. Aber Pilz' Reaktion zeigt, dass er ein gutes Beispiel für den viel zitierten "alten, weißen Mann" ist: null Reflexion, null Selbsteinsicht, null Reue.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin