Vegane Küche auf der nächsten Stufe: „Wrenkh“ in Wien
Der Name „Wrenkh“ dürfte geläufig sein: Seniorchef Christian W. hat im Feld der nichtfleischlichen Genüsse echte Pionierarbeit geleistet und schon zu einer Zeit auf Gemüsekost gesetzt, in der man mit vegetarischer Lebensweise noch zum Dorfgespräch avancierte. Er erkochte damit die erste Haube für ein vegetarisches Lokal in Österreich. Das ist schon ein Zeiterl her – mittlerweile führen die beiden Söhne Karl und Leo das Lokal am Bauernmarkt in der Wiener Innenstadt. Seit geraumer Zeit treiben die beiden es – mit offenbar vererbtem Pioniergeist – auf die nächste Stufe: ein abendfüllendes, vollständig veganes Fünf-Gänge-Menü mitsamt alkoholfreier Begleitung.
Alles beginnt mit einer Gurke (Bild ganz oben), und die kann die Behandlung mit Szechuan-Pfeffer nicht verleugnen. Auf dem Gemüse gibt’s dann Kaviarkügelchen. Keine Panik – sie wurden sozusagen aus Algen geboren, die grünen Kügelchen daneben sprechen das Kraut Dill mit „Mama“ an. Dazu gibt’s noch eine dezente Tahina und ein gewollt fettes Buchweizen-Brioche. Ein bissi fad das Ganze – die Durchschlagskraft entfaltet sich erst in Kombination mit dem hausgemachten, ausgezeichneten Gurken-Seegras-Tonic.
Zweiter Gang: Artischocke (Bild oben). Und zwar nur in Mehl gewälzt, dann frittiert. Sie wird warm serviert, der Limetten-Mais darunter fristet ein kaltes Dasein. Mit Mais ist es so eine Sache: Erscheint er, weinen alle anderen Zutaten, weil er sie vollkommen übertönt. Die Limette ist kaum spürbar, die Petersilien-Majo agiert ebenfalls zart. Beim Getränk wird’s abenteuerlich: „Euforia Incense“, ein mit Weihrauch bearbeiteter Birkensaft aus Tschechien, ist ein Erlebnis, das man mal gehabt haben kann.
Die folgende Suppe wird zum Menü-Highlight, die „Fenchel Tom Yam“ (Bild oben) verleugnet ihre Kokosbasis überhaupt nicht, auch Tomaten bekommen einen Platz am Aroma-Tisch. Die cremige Kaltschale trifft im Teller auf warmen, gerösteten Fenchel, dekoriert wurde das Werk dann noch mit Dill. Das macht ganz, ganz viel Spaß. Der alkoholfreie Rote, eine Kooperation der Alkoholfrei-Spezialisten „Muri“ aus Dänemark und „The Four Horsemen“ (Restaurant in Brooklyn, New York City) greift die Tomate als Geschmacksträger auf und reichert sie mit Sauerkirsch-Aroma und roter Bete an.
Der vierte Streich variiert dann ein Rindschnitzelgericht – bloß ist das Fleisch ein Portobello-Pilz (Bild oben), der Jus besteht hauptsächlich aus Trüffel, und die Beilage ist mehr als nur Beiwerk: Die gewürfelten Zucchini werden von einer Dillsauce zusammengehalten, sättigend wirken die Erdäpfelknödel. Ein bisschen unverständlich: die Erdäpfelchips. Es müsste nicht ein Produkt zweimal auf dem Teller liegen. Dazu gibt’s ein „Embrizzo“-Traubenkombucha vom Weinviertler Gut Hardegg. Es ist wesentlich trockener als die bekannte Variante – nutzen Sie den Tag und probieren Sie!
Ein aus Genmaicha, also Grüntee-Reiskorn-Kombi, gezogenes Sorbet in Verbindung mit Haselnuss-Marshmallow und Pfirsichkompott (Bild oben) bildet den genialen Abschluss. Die Funktion des zum Gelee verarbeiteten Ingwer erschließt sich zwar nicht vollständig – egal, das wenig süße Eis in Verbindung mit dem Marshmallow und dem Kompott sind ein Streifzug durch verschiedene Texturen und Geschmackszustände. Der Pfirsich kommt dann beim Getränk gleich noch mal vor – und zwar in Form eines hausgemachten Pfirsich-Ginger-Beers.
Ob es attraktiv ist, für 77 Euro ein veganes Menü zu verspeisen, das es anderswo ähnlich aufwendig in dieser Preisklasse auch mit Fleisch (und damit höherem Wareneinsatz) geben würde, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das Menü bei „Wrenkh“ zeigt jedenfalls, dass die vegane Küche durchaus imstande ist, gehobenere Ansprüche abzudecken. Und der Tag, an dem nicht mehr auf drei von fünf Tellern Dill liegt, der wird kommen.
Stimmung: schick in die Jahre gekommen
Empfehlung: Häufiger mal auf Fleisch verzichten!
Preisverhältnis: Fünf Gänge: 77 Euro (Vier-Gang-Menü: 66 Euro), Flight-Zero-Begleitung: 30 Euro (Vier-Gang-Version: 25 Euro), Vorspeisen à la carte: 8 bis 18 Euro, Hauptspeisen à la carte: 16,5 bis 23 Euro, Desserts à la carte: 8 bis 11 Euro
Wrenkh, Bauernmarkt 10, 1010 Wien, wrenkh-wien.at