Pfusch und Entsetzen

Affäre. Seit über zehn Jahren bastelt das AKH erfolglos an einem neuen EDV-System

Drucken

Schriftgröße

Die Kritik im Tätigkeitsbericht des Wiener Kontrollamts fiel eindeutig aus: „Dem AKH wurde empfohlen, auf eine effiziente Projektabwicklung verstärktes Augenmerk zu legen.“ Datum der Rüffelerteilung: Dezember 2007. Stand September 2011: Das Projekt ist auch vier Jahre später noch immer nicht abgewickelt – schon gar nicht effizient.

Im Jahr 1997 hatten die Vorarbeiten zum Projekt AKIM, dem „AKH-Informationsmanagement“, begonnen. Ziel war die Modernisierung und Vernetzung aller EDV-Systeme der Bereiche Medizin, Pflege, Forschung und Lehre in Österreichs größtem Spital, etwa Operationsplanungen, Ambulanz- und Bettenmanagement, elektronische Übermittlung von Befunden, klinische Studienprojekte, Bilddatenbanken, Krankengeschichten oder Statistiken für wissenschaftliche Zwecke. Laut den damaligen Planungen sollte das neue IT-System 2007 implementiert sein. Die Gemeinde Wien als Betreiberin des Allgemeinen Krankenhauses übernahm mit 21,8 Millionen Euro 60 Prozent der kalkulierten Gesamtkosten von AKIM. Den Rest, 14,5 Millionen Euro, steuerte der Bund bei, in dessen Kompetenzbereich die Universitätskliniken des AKH fallen.

Doch das Projekt geriet von Beginn an zum Pfusch. Die erste Ausschreibung aus dem Jahr 2002 wurde aufgrund unbefriedigender Angebote 2004 widerrufen. Zusatzkosten laut Kontrollamt: knapp drei Millionen Euro. Nach der Neuausschreibung erhielt der Bestbieter, Siemens, erst im September 2006 den Zuschlag. Neuer Fertigstellungstermin: 2010. Doch vom Vollbetrieb ist AKIM auch heute weit ­entfernt. Derzeit läuft es im Probebetrieb auf der Abteilung für Dermatologie, laut profil-Informationen fehleranfällig.

Auftraggeber und Auftragnehmer sind freilich zufrieden. Der ärztliche Direktor des AKH, Reinhard Krepler: „Wir sind dabei, AKIM schrittweise einzuführen und zu optimieren.“ Auch laut Siemens Österreich sei das Projekt „auf gutem Weg“.

Der Weg wird noch beschwerlich sein. Im kommenden Jahr sollen weitere Kliniken angeschlossen werden. 2013 folgt die im AKH angesiedelte Medizinische Universität Wien (MUW). Erst im Jahr 2014 wird AKIM im Vollbetrieb laufen.

profil vorliegende Protokolle beweisen, dass vor allem im obersten Leitungsgremium der MUW, dem Universitätsrat, Entsetzen herrscht. In einer Sitzung am 18. Oktober 2010 wurde zu AKIM festgestellt, dass „der Aufwand unbestritten groߓ sei und „unterschätzt“ wurde. Einen Monat später ergab ein Kassasturz, dass das Projekt aufgrund diverser geplanter Sonderausgaben zwischenzeitlich sogar mit 665.000 Euro unterdotiert sei. In der Folge distanzierte sich der Universitätsrat vom einstigen Prestigeprojekt. Zitat aus dem Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember: „Der Universitätsrat übernimmt keine Verantwortung für das Projekt AKIM ab 1.1. 2011. Weiters sieht der Universitätsrat das Projekt als sehr, sehr kritisch an.“

Ende 2010 schrieb der Vorsitzende des Rats, Ex-ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek, einen Beschwerde- und Warnbrief an Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Busek in der Vorwoche gegenüber profil: „Alle Beteiligten waren dem Projekt nicht gewachsen. Das System AKIM in seiner jetzigen Form reicht für ein Gemeindespital aus, aber sicher nicht für eine Universitätsklinik.“ Laut Insidern drohen der MUW im schlimmsten Fall Mehrkosten bis zu 15 Millionen Euro. AKH-Direktor Krepler kalmiert: „Unsere Aufgabe ist es, einen Kompromiss zwischen den berechtigten Wünschen der Universitätskliniken und dem finanziell Möglichen zu finden.“

Offenbar alarmiert vom Universitätsrat, entwickelte auch das Wissenschaftsministerium in den vergangenen Monaten eine gewisse Skepsis gegenüber dem Projekt. Der Generalsekretär des Ressorts, Sektionschef Friedrich Faulhammer, beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, AKIM zu durchleuchten. Faulhaber: „Bevor nicht alle offenen Fragen bei den Abrechnungen und beim Finanzplan geklärt sind, werden seitens des Bunds keine weiteren Zahlungen erfolgen.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.