Allein­stellungsbefehle

Allein­stellungsbefehle: Frank Stronachs bizarre Protestpolitik

Protestpolitik. Frank Stronach macht den Populismus zur Karikatur. Seinen Wählern ist das egal

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In der Quantenphysik gibt es die Theorie der Bilokation, das Vermögen von Teilchen, sich zeitgleich an zwei verschiedenen Orten aufzuhalten. Auch in der Stronach-Partei gibt es dieses Phänomen, nur sind die Gründe dafür banaler und liegen in der allgemeinen Erwartungs- und Verehrungshaltung. „Er ist bei uns mit seiner ganzen Kraft“, sagte der niederösterreichische Team-Stronach-Geschäftsführer Ernest Gabmann bei der Wahlparty am Sonntag vergangener Woche, bei der Stronach zur Enttäuschung seiner Fans dann doch nicht auftauchte. Der Sohn eines langjährigen ÖVP-Wirtschaftslandesrats in Niederösterreich braucht normalerweise keine Worte, um sich mit Stro­nach abzustimmen. Man verstehe sich blind. Die gemeinsamen Werte seien das einigende Band.

Masse statt Einzelpersonen
Auch das liebe Geld tut da und dort seine Wirkung und macht allerlei möglich. „GEs“ nennt man sie in Stronachs Entourage: „gestrandete Existenzen“. Das sind Menschen, die sich bei Stronach-Auftritten an den Parteigründer heranmachen, die sich im Pulk nach vorn schieben und von ihren Schicksalsschlägen erzählen. Stronach ist davon sichtlich angewidert. Er genießt die Verehrung der Masse, aber nicht den Kontakt mit den Einzelnen. Eine eigene Mitarbeiterin wurde dafür abgestellt, sich diese Hilfegesuche anzuhören, „vorzuselektieren“, wie das genannt wird, und Stronach vorzulegen. Dieser genehmigt dann eine Summe oder auch nicht.
Auf einer höheren Ebene geht es um bezahlte Jobs und öffentliche Mandate. Die Aufstellung der Landtagslisten hat schon für böses Blut gesorgt. In den vergangenen Monaten sollen sich in ganz Österreich weit mehr als 1000 Interessenten bei der Stronach-Partei gemeldet haben. Es gab solche, die gleich mit der Tür ins Haus fielen. „Es kam vor, dass jemand ganz offen sagte, er wolle in den Landtag, um finanziell abgesichert zu sein. Das konnten wir nicht akzeptieren“, sagt Robert Lugar, Stronachs Stellvertreter in Österreich. Die meisten allerdings lobpreisten erst einmal die „Werte“ und boten ihr ehrenamtliches Engagement an.

Stronach war verärgert über das seiner Meinung nach magere 9,8-Prozent-Ergebnis bei der niederösterreichischen Landtagswahl. Er hatte mit wesentlich mehr gerechnet, und so musste Gabmann, der schon als neuer Landesrat gefeiert wurde, der nächstgereihten, aus einer nationalen Heurigenfamilie stammenden, einst in Rumpolds umstrittener Orange-Werbeagentur beschäftigten Elisabeth Kaufmann-Bruckberger weichen.
„Am Ende war auch Gabmann dafür und hat eingesehen, dass es besser ist, wenn er seine Talente an anderer Stelle einsetzt. Bei uns ist immer alles im Konsens“, sagt Lugar.

Nachfolge geregelt
Diese Art von Selbstbezichtigung und Einsicht ist freilich typisch für autoritäre Bewegungen. Auch Karin Prokop, die Tochter der verstorbenen ÖVP-Innenministerin, soll sich aus eigenem Entschluss zurückgezogen haben. Ein E-Mail, das profil vorliegt, beweist das Gegenteil. Im Dezember 2012 hatte Prokop ihre Mitstreiter benachrichtigt: „Habe gerade mit Kanada telefoniert und die Anweisung bekommen, mich aus dem Niederösterreich-Wahlkampf komplett rauszuhalten.“ Nun soll Prokop auf Stronachs Wunsch ihre Funktion als Landesparteiobfrau zurücklegen. Laut Parteistatut hat er das letzte Wort.

Die Bundespartei besteht nur aus ihm, seinem Stellvertreter Lugar und der Grazer Ex-Freiheitlichen Waltraud Dietrich. Wer Mitglied werden will, legt ein Leumundszeugnis vor, verpflichtet sich der „Werte“ und unterschreibt, dass er weder links- noch rechtsradikal war oder ist. Aufgenommen wird man in der jeweiligen Landesorganisation, doch nur dann, wenn Stronach sein Okay gibt. Auch das ist im Statut so festgelegt: Traum eines jeden Despoten in postdemokratischen Verhältnissen.

Für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte, hat Stronach vorgesorgt und bereits seine Nachfolge geregelt. Wer das sein wird, ist sein großes Geheimnis. Nicht einmal sein Stellvertreter Lugar weiß es: „Ich bin dort, wo Stronach mich braucht. Das hängt von ihm ab, was er mit mir vorhat. Ich gehe aber davon aus, dass Stronach mindestens 100 Jahre alt wird.“
Bei Haider hatte man sich noch dar­über lustig gemacht, dass seine Jünger wie Trabanten um den Fixstern kreisten, eifersüchtig darauf lauernd, wer gerade in die nähere Umlaufbahn wechselte.

Bei Stronach erscheint das alles ins Groteske verzerrt. Seine Partei ist bereits die Karikatur des Populismus, der nicht nur marktgängige Meinungen produziert und auf einer Welle von Feindbildern surft, sondern sich unverhohlen in einer Führerstruktur darstellt. Das Parteiprogramm, das Anfang April von Stronach präsentiert werden soll, ist im Grunde irrelevant, gerade recht, um demokratische Gepflogenheiten vorzutäuschen (siehe Kasten am Ende).

Wirkungsvoll ist vielmehr die wiederholte, keine Kritik zulassende Legende von Stronach als einem unfehlbar erfolgreichen und spendablen Geschäftsmann. Penetrant erinnert Stronach in jeder seiner Reden daran, dass er Millionen Dollar für soziale und kulturelle Zwecke gespendet habe. Was er dem Staat verdankt, dass er immer schon von der Vermischung der Sphären von Politik und Wirtschaft profitierte, dass sein verschachteltes Imperium jede Transparenz vermissen ließ und er sich weigert, seine Finanzen offenzulegen und zu sagen, wo er wie viel Steuer zahlt, ist seinen Wählern offenbar egal.

Die schon vor sechs Jahren veröffentlichte weitsichtige Stronach-Biografie von Norbert Mappes-Niedieck hat in diesen Tagen eine wertvolle Ergänzung aus dem ­Ueberreuter Verlag bekommen (Wolfgang Fürweger: „Frank Stronach. Biografie“).

Gefährliches Experiment
Nach Fürweger wurde Stronachs Unternehmen in den vergangenen Jahren ­allein aus steirischen Landesmitteln mit 47,8 Millionen Euro gefördert; dazu kamen 30 Millionen Euro, teilweise aus Brüssel, 20 Millionen Euro vom Bund, weitere 100 Millionen Euro in Form von geförderten Krediten und einige Millionen Euro aus den Töpfen der Arbeitsmarktpolitik. Auch in Kanada war Magna einer der größten Bezieher von Regionalförderung gewesen. Die Politik sprang in Krisenzeiten auch ­direkt als Retterin ein. Als Magna-Aktien Anfang der 1990er-Jahre um 95 Prozent gefallen, also wertlos geworden waren, wurde Stronachs Bankenkredit in Kanada durch die Intervention aus der Politik nicht fällig gestellt und eine Pleite verhindert. In Österreich sprang die Voest ein und übernahm vorübergehend Anteile an europäischen Magna-Werken, die Stro­nach später wieder zurückkaufte.

Es ist bizarr, dass ausgerechnet Stro­nach heute gegen alles Staatsnahe herzieht. Aber es ist auch ein Wesenszug des Populismus, in seiner Propaganda darauf zu setzen, was Menschen gern glauben wollen: dass einer es aus eigener Kraft geschafft hat, der sich nun dazu herablässt, ihnen zu helfen.

Aus demokratischer Sicht ist die Heilsbringer-Bewegung ein gefährliches Experiment. In den Augen seiner Anhänger ist Stronachs Alleinherrschaft ein Atout. Die ÖVP leide an ihrer innerparteilichen Demokratie, die Grünen an ihrer basisdemokratischen Haltung. Es mangle in der Gesellschaft ja nicht an Lösungen, sondern an ihrer Umsetzung. Schon Haider habe die anderen Parteien vor sich hergetrieben, meint Lugar. „Das wollen wir auch, es muss ja nicht mit Krawall geschehen. Ein Obmann, der machen kann, was er für richtig hält und was er will. Das ist unsere Stärke.“

Infobox
Wie er die Welt sieht
Frank Stronachs programmatische Vorstellungen speisen sich aus
persönlicher Ranküne und Hausverstand.
Derzeit sitzt Frank Stronach in Kanada über dem Rohentwurf seines Parteiprogramms. Überraschungen sind nicht zu erwarten. Wie er die Welt sieht, hat der Parteigründer bereits in den vergangenen zwei Jahren in wöchentlichen Kolumnen in der „Kronen Zeitung“ offenbart. Das Grundsatzprogramm auf seiner Homepage ist eine gestraffte Version davon.
Entlang der Werte „Wahrheit, Transparenz und Fairness“ beschreibt es eine politische Mission, die einem seltsam bekannt vorkommt: Stronach will zwar nicht, frei nach dem verstorbenen Jörg Haider, das „System sturmreif schießen“, aber auch er kämpft gegen Proporz und traditionelle Parteilager, die er beherrscht wähnt von Gewerkschaft und Raiffeisen-Reich. Stronach möchte die „Ketten der Dominanz sprengen“, eine „geistige Revolution“ anzetteln und der österreichischen Verfassung eine „Wirtschaftsrechtsverfassung“ zur Seite stellen, die der Unternehmensphilosophie des Magna-Konzerns abgekupfert ist (allumfassende Kontrolle bei Förderung der Eigeninitiative, Mitarbeiterbeteiligung und Konkurrenzprinzip).

Neben Gemeinplätzen („so viele Steuern wie nötig, aber so wenige wie möglich“, „unabhängige Rechtsprechung“, „faires Pensionssystem“) finden sich Spuren von Stronachs persönlicher Lebensgeschichte in der künftigen Programmatik. Bei der Zuwanderung müsse man wählerisch sein: nur die Besten der Besten. Asyl solle man „strenger handhaben“, junge Menschen sollten wieder lernen, „wie man Zement anrührt“, anstatt „jahrelang an Universitäten überholte Theorien zu studieren“, wie Stronach in einer seiner Kolumnen predigte. Ihn quält die Sorge, dass „wir als Gesellschaft zu weich geworden sind“. Schließlich habe auch er sich unter Entbehrungen nach oben gearbeitet, sei „oft ungerecht behandelt und schließlich sogar hinausgeworfen worden“. Da müssten auch die Jungen durch.
Skurril – oder frech – ist die Idee des Team Stronach, das nur von Stronachs Geld und Gnaden existiert, zur künftigen Parteienfinanzierung. Klubchef Robert Lugar will Parteispenden in Zukunft „komplett verbieten“. Mit Zuwendungen von privater Seite würden sich die Parteien nur gegenseitig nach oben lizitieren und von Interessengruppen abhängig machen. „Wir haben ein System, das an und für sich sehr gut ist: Der Bürger zahlt die Politik. Nur die Anschubfinanzierung soll erlaubt sein“, meint Lugar. Eine „Lex Stronach“ eben.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling