Koffer ohne Geld

Anlagebetrüger: Koffer ohne Geld

Investment. Ein Oberösterreicher jagt die Anlagebetrüger, die ihn um sein Geld gebracht haben

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Das Wort gilt, Handschlag darauf. So hatte Wolf M.(Anm.: Name der Redaktion bekannt) einst in Saudi-Arabien Geschäfte besiegelt, und damit war er auch als Manager von Großbaustellen im ehemaligen Ostblock immer gut gefahren. In der virtuellen Welt der Finanzmärkte aber holte sich der Oberösterreicher eine blutige Nase.

In dem abgewetzten, schwarzen Koffer, in dem er früher Produktionsberichte und technische Zeichnungen rund um den Globus transportiert hatte, trägt er nun die Dokumente eines Anlagebetrugs herum. Er habe „einiges mitgemacht“, ächzt der 70-Jährige, und es ist nicht ganz klar, ob er den Koffer meint oder sich selbst.
Wolf M. hat zeit seines Lebens hart gearbeitet, gut verdient und wenig verbraucht. Im Ruhestand gedachte er das Ersparte noch ein wenig zu vermehren. Er hielt es für eine glückliche Fügung, dass ihn im Februar 2008 ein Investmentberater anrief. Rückblickend nennt er es einen „Cold Call“, einen unerwünschten Anruf eines Keilers. Der Mann stellte sich als Bill Evans vor und empfahl, in Öl- und Gasfirmen zu investieren.
Von Fabriken und Baustellen verstand Wolf M. eine Menge. Die Welt der Börsen war ihm fremd. Deshalb nahm er zunächst nur 10.000 Euro in die Hand. Die Investmentfirma Morgan Finch International (MFI) mit Sitz in Barcelona schickte Zertifikate, Abrechnungen und Kontoauszüge, die recht manierlich aussahen. „Ich habe keinen Grund gesehen, mir Sorgen zu machen“, sagt M.

Dass „Penny Stocks“ kein sicheres Investment sind, hatte er wohl mitbekommen. Dabei handelt es sich um Wert­papiere, die unter einem Euro notieren und in aller Regel in schwach regulierten Nebensegmenten gelistet sind. In M.s Fall war es der „Open Market“ der Frankfurter Börse. Doch sein Portfolio entwickelte sich zwei Jahre lang ausschließlich prächtig, und so schoss M. mehrmals Geld nach. Er verfolgte die Entwicklung seiner Aktien – darunter so vermeintlich klingende Titel wie „Dixon, Perot & Champion“ und „Paco Oil & Gas Inc.“ – im Internet und suchte die MFI-Homepage nach Neuigkeiten ab. Im Sommer 2008 war er 40.000 Euro im Plus, ein Jahr später 200.000 Euro.

Keine Käufer
Das böse Erwachen kam, als er den Gewinn einstreifen wollte. Der Investmentberater meldete aus Barcelona, es gäbe für die Papiere keine Käufer. Von 2010 an fielen die Kurse. Ende des Jahres reagierten die MFI-Mitarbeiter nicht mehr auf Mails und Telefonate. Das Unternehmen schien wie vom Erdboden verschluckt. 2011 begann die Frankfurter Börse obendrein, den Wildwuchs an Notierungen zu beseitigen, und ließ Tausende obskure Papiere aus dem Verkehr ziehen. So auch jene, auf die M. gesetzt hatte. Es interessierte ihn brennend, was aus den dazugehörigen Unternehmen geworden war. Eine US-Detektei, die er mit Nachforschungen betraute, wusste nichts Gutes zu berichten: Sie hatten sich in Luft aufgelöst.

Natürlich sei er „blauäugig“ gewesen, schnaubt Wolf M.: „Aber Betrug ist Betrug.“ So einfach wollte er die Leute, die ihn hinters Licht geführt hatten, nicht davon­kommen lassen. M. verfasste eine Anzeige nach der anderen: an FBI und Interpol, an die amerikanische Finanzaufsicht, an das britische Betrugsdezernat, an die US-Drogenfahndungsbehörde und sogar an den amerikanischen Geheimdienst. Resonanz bisher: null.
Ende 2011 schaltete er die zuständige Staatsanwaltschaft in Oberösterreich ein, wo die hoffnungslose Causa zumindest eine Aktenzahl erhielt. Deren Sprecher räumt ein, dass es darüber hinaus nicht viel zu berichten gibt: Im April 2011 ersuchte man die spanischen Behörden, die Strafverfolgung zu übernehmen. Sie brauchten eineinhalb Jahre, um das Ansinnen abzuweisen. Daraufhin beantragte man die Einvernahme verdächtiger Personen: „Jetzt warten wir wieder auf Antwort.“

Vergleichbare Fälle
88.874 Euro hat Wolf M. laut eigenen Angaben auf ein Konto überwiesen, welches das vorgebliche Investmenthaus MFI bei der HSBC-Bank auf Guernsey führte. HSBC ist eine der größten Banken der Welt und mit rund 7000 Niederlassungen auf allen Kontinenten vertreten. Guernsey, ein bei Vogelkundlern und Steuerhinterziehern gleichermaßen beliebtes Eiland, gehört zu den britischen Kanalinseln und gerät – so wie auch andere „Steueroasen“ – zunehmend unter Druck, sich internationalen ­Regelwerken zu unterwerfen und Kapitalflüsse durchsichtiger zu machen. Von einer Transparenzoffensive hat Wolf M. bisher freilich wenig gemerkt: Als er sich erkundigte, was es mit der als Empfängerin seiner Zahlungen firmierenden „Newhaven Nominees/First International Clearing Corp.“ (FICC) auf sich habe, landete er bei einem Postkasten auf den British Virgin Islands.
In einem Internet-Forum machte Wolf M. die Bekanntschaft des schwedischen Konzertmanagers Thomas Helweg. Die beiden Männer verstanden sich auf Anhieb. Auch Helweg war den Versprechungen der Investmentfirma in Barcelona auf den Leim gekrochen. Und auch er scheint es immer noch schwer fassen zu können: All die Websites und teuren Hochglanzbroschüren, vielleicht sogar die Öl- und Gasfirmen, in welche der Schwede 90.000 Dollar gesteckt hatte – alles Schimäre? Schon im November 2010 war Helweg damit bei der Polizei vorstellig geworden. Beim Kürzel MFI hätten die schwedischen Ermittler mit kundigem Blick genickt, erzählt er heute: „Sie hatten schon 16 vergleichbare Fälle auf dem Tisch.“
Die Täter zu fassen ist, gelinde gesagt, schwierig. Der Österreicher und der Schwede trieben die Suche nach ihrem verlorenen Vermögen auf eigene Faust weiter. Der Großteil, so vermuten sie, könnte nach Kolumbien geflossen sein, wo „Dixon, Perot & Champion“, 2011 in „Capital Gold Mining Resources Inc.“ umbenannt, sich damit brüstet, Schürfrechte an zwei Goldminen zu besitzen. Doch nicht einmal dafür gab es seitens kolumbianischer Behörden bisher eine Bestätigung. „Wahrscheinlich ist es Lug und Trug wie ­alles andere auch“, sagt Wolf M.

Im Steuerparadies Guernsey liefen die beiden Männer erst recht gegen Gummiwände. Sie beschuldigten die auf der Nachbarinsel Jersey domizilierte lokale HSBC-Niederlassung, sich nicht dafür zu interessieren, wer ein Konto eröffnet. Deren Manager Nicholas G. Winsor wies alle ­Vorwürfe in einem E-Mail an M. von sich. Tenor: Man habe sich korrekt und im Einklang mit den Gesetzen verhalten. Belege dafür blieb die Bank aber schuldig.

Paul Yabsley arbeitet bei der Financial Services Investigation Unit of the Guernsey Border Agency (FUI). In einem Schreiben an M. klagt er, die Causa werde immer unübersichtlicher, je tiefer er sich hineinkniete. Der Ermittler bat M., der nun schon einige Jahre Geduld gehabt hatte, sich weiter in Geduld zu üben: „Wir werden sehen, was noch passiert.“ Eine Hierarchiestufe höher sitzt Liam Cunnigham, seines Zeichens „Senior Analyst“ der Guernsey Financial Services, einer Art Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor. Er versprach eine Woche vor Weihnachten in einem Mail, den Aktenfall C2COMP/HSB/AMB/LC mit der HSBC-Dependance vor Ort zu besprechen, was dabei herauskomme, sei allerdings vertraulich.

Der Oberösterreicher fühlt sich inzwischen offen verhöhnt. Auch der Royal Court in Guernsey kanzelte ihn ab: Anzeigen würden jeden Freitag von 9.30 bis 12.00 Uhr oder durch einen auf Guernsey beheimateten Advokaten entgegengenommen, beschied man ihm. Einen Rechtsbeistand vor Ort zu finden scheitere schon beim ersten Anlauf, erzählt M.: „Wenn die Anwälte hören, dass es gegen die HSBC geht, sind sie nicht interessiert.“
Laut einem Bericht des deutschen „Handelsblatts“ steht Europas größte Bank HSBC seit Langem im Verdacht der Beihilfe zur Geldwäsche. Die Vorwürfe wurden kürzlich mit Zahlung einer Pönale in der Höhe von 1,8 Milliarden Dollar – außergerichtlich – aus der Welt geschafft. „Das sagt doch alles!“, empört sich Wolf M. und legt den Zeitungsausschnitt zurück in seinen schwarzen, alten Koffer. Aufgeben wolle er jetzt „erst recht nicht“: „Ich bereite weitere Anzeigen vor.“ Von Ramschpapieren ist der 70-Jährige ein für alle Mal geheilt: „Ich kaufe nur mehr Aktien, die am DAX oder am ATX stehen.“

Thomas Helweg geht es ähnlich: „Ich weigere mich, 90.000 Dollar als Verlust zu bezeichnen. Das Geld wurde mir gestohlen, und ich muss lange arbeiten, um das wettzumachen.“ Sein Rat an alle, die hoffen, mit Aktien schnell zu Vermögen zu kommen: „Kaufen Sie niemals Papiere, von denen Sie noch nie gehört haben, und schon gar nicht von Leuten, die Sie noch nie gesehen haben.“ Es klingt nach echter Läuterung.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges