Bandion-Ortner baut ihr Ministerium um

Bandion-Ortner baut ihr Ministerium um: Warum? Das bleibt ihr Geheimnis

Warum? Das bleibt ihr Geheimnis

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Acht Justizminister sah Roland Miklau im Laufe von fast vierzig Jahren im Palais Trautson kommen und gehen: vom Parteilosen Hans Klecatsky bis zur BZÖ-Ministerin Karin Gastinger. Er selbst ist geblieben, hatte 1987 die Sektion Straflegistik übernommen und sie geleitet, bis er vor drei Jahren in den Ruhestand wechselte.

Heute hilft Miklau im Rahmen einer EU-Mission, das Justizsystem in Albanien zu modernisieren. Alle paar Wochen schaut er bei seinen Kollegen in Wien vorbei, und dabei stellt er fest: „Die Stimmung ist so schlecht wie noch nie.“

Top-Leute suchen das Weite. Franz Plöchl, der Leiter der Sektion Einzelstrafsachen im Justizministerium, will zur Generalprokuratur am OGH zurück. Reinhard Hinger, Leitender Staatsanwalt und Vorsitzender des Dienststellenausschusses, drängt ins Oberlandesgericht. Der Leiter der Präsidialabteilung PR 1, Peter Hadler, strebt den Posten des Handelsgerichtspräsidenten an.

„Das ist auffallend. In der Vergangenheit war es die absolute Ausnahme, dass sich Leute wegbewerben“, sagt Irmgard Griss, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.

Schuld an dieser Absetzbewegung dürfte ein Reformvorhaben der Justizministerin sein – und die Art, wie sie es durchboxt. Das verstört nicht nur Beamte im Haus. „Wir haben die Pläne der Ministerin als eine Schreckensnachricht entgegengenommen“, sagt Petra Velten, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Universität Wien.

Dreistigkeit. Es begann damit, dass Claudia Bandion-Ortner die Beratungsfirma beyond damit betrauen wollte, nach Sparmöglichkeiten zu suchen. An dem Unternehmen ist ihre Vorvorgängerin im Amt, Karin Gastinger, beteiligt. Die Beamtenschaft war fassungslos. Ein Ministerialbeamter: „Da hätte Gastinger prüfen sollen, ob das, was sie gemacht hat, gut war?“

Bandion-Ortner ließ sich überzeugen. Schließlich kam act Management Consulting zum Zug. Fünf Wochen brauchte das Unternehmen, um ein fünfzigseitiges Dossier in sperrigem Beraterdeutsch abzuliefern und „Vorschläge für organisatorische Maßnahmen und für die Strukturierung der Zentralstelle des Bundesministeriums für Justiz zu erarbeiten, die Synergieeffekte und Effizienzsteigerungen ermöglichen“.

In dem Papier, das profil vorliegt, fehlt eine inhaltliche Auseinandersetzung, es gibt nicht einmal eine Analyse der Schwachstellen. „Inzwischen wurde das Dossier überarbeitet und zur Verschlusssache erklärt“, berichtet ein Ministerialbeamter. Anfang Oktober verschickte die Justizministerin ein E-Mail an die Mitarbeiter im Haus. Darin schreibt sie, sie habe „nach reiflicher Überlegung eine Entscheidung über eine neue Aufbauorganisation“ getroffen. Die geplanten Umbauten sind gravierend:

Die Präsidialsektion soll um Bauwesen und Budget angereichert werden, der Leiterposten wird ausgeschrieben. Der bisherige Sektionschef Wolfgang Fellner verabschiedet sich in den Ruhestand.

Die Straflegistik wird mit der Sektion Einzelstrafsachen zusammengelegt. Der bisherige Leiter der Straflegistik muss sich um seinen Posten neu bewerben. Der zweite Sektionschef sah sich bereits anderswo um.

Die direkt der Ressortspitze unterstellte Stabsstelle EU wird in die Präsidialsektion eingegliedert und somit degradiert. Auch dieser Leitungsposten wird frei, weil der bisherige Chef in Pension geht.

Sie habe „Für und Wider behutsam abgewogen“ und auch „die Argumente der Mitarbeiter des Hauses ernst genommen und mit einbe­zogen“, schreibt Bandion-Ortner in dem E-Mail. Nicht unbedingt. Vor allem die Zusammenlegung der Sektionen Straflegistik und Einzelstrafsachen stellt einen Bruch mit einer gewachsenen Kultur dar und stößt im Haus und auch außerhalb auf Ablehnung.

Zur Erklärung: Die Legistiksektion entwirft Gesetze, verfolgt Entwicklungen in Brüssel, hält Kontakt mit Interessengruppen, Parteien, Universitäten, beobachtet die Umsetzung internationaler Verpflichtungen, treibt Reformen voran. Die Legistiker müssen das Große im Auge behalten. Ganz anders ihre Kollegen in der Sektion Einzelstrafsachen: Auf ihren Schreibtischen landen die berichtspflichtigen – „clamorosen“ – Fälle. Sie wachen über die Anwendung der Strafgesetze, befassen sich mit Auslieferungsbegehren, Gnadengesuchen und beaufsichtigen die Staatsanwaltschaft. Immer geht es um Einzelfälle.

In Justizkreisen herrscht nahezu Konsens, dass man die Straflegistik aus guten Gründen von den Einzelstrafsachen getrennt hat: Wer die Regeln macht, sollte nicht auch über ihre Einhaltung wachen. Helmut Fuchs, Strafrechtsprofessor am Juridicum in Wien, plädiert dafür, „diese Trennung beizubehalten, auch personell“. Nachsatz: „Sie werden kaum einen Strafrechtsprofessor finden, der das anders sieht.“ Sein Grazer Kollege, Strafrechtsprofessor Peter Schick: „Eine Zusammenlegung von Legistik und Einzelstrafsachen wäre nicht im Sinne unserer schönen Tradition der Gewaltentrennung. Wir sollten die Trennung aufrechterhalten.“

Ex-Sektionschef Miklau: „Ich kann hinter einer Zusammenlegung weder ein Sachkonzept noch ein Personalkonzept erkennen, ich weiß nicht, wozu das gut sein soll, und ich halte auch nichts davon.“ Mia Wittmann-Tiwald, OLG-Richterin und Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der Richtervereinigung: „Die Trennung von Straflegistik und Einzelstrafsachen hat eine Balance geschaffen. Die Sektionen zusammenzulegen mit dem Argument, sie sind zu klein, ist allzu vordergründig.“

Das BMJ soll „moderner und schlagkräftiger“ werden, erklärte die Ministerin in ihrem E-Mail an die Mitarbeiter. Auch damit fängt Ex-Sektionschef Miklau wenig an: „Es geht nicht um Rationalisierung oder schlanke Verwaltung. Das sind alles Worthülsen, die ich mit der Arbeit, die ich gemacht habe, nicht in Verbindung bringen kann.“ 1975 trat das neue Strafgesetzbuch in Kraft, danach hatten die Legistiker erst einmal Pause. Die nächste Novelle kam sieben Jahre später. Inzwischen sind zwei, drei Novellen im Jahr zu machen, jede einzelne zieht ein aufwändiges europäisches Abstimmungsprozedere nach sich. Die Sektion Straflegistik ist in den vergangenen vierzig Jahren aber nicht gewachsen. Und nach der Zusammenlegung muss ein Sektionschef die bisherige Arbeit von zweien erledigen. Wenn er das nicht schafft, „dann gibt es halt zwei Abteilungsleiter“, sagt die Ministeriumssprecherin. Was Gabriele Schmölzer, Strafrechtsprofessorin in Graz, skeptisch sieht: „Die Sektionschefs sind mehr als ausgelastet. Wenn man Straflegistik und Einzelstrafsachen in eine Hand legt, wird der Sektionschef zum Grüß-August. Das Sagen haben dann die Abteilungsleiter, die alle paar Jahre wechseln. Das finde ich nicht gut. Es sind die Sektionschefs, die für fachkompetente Kontinuität sorgen.“

Machtverteilung. Widerstand erzeugt auch die Aufwertung der schon jetzt mächtigen Präsidialsektion. Sie wird künftig über alle anderen im Haus herrschen, denn in ihre Zuständigkeit fallen das Bauwesen, Budget, Statistik, sie bestimmt über das Hauspersonal und Karrieren in der Justiz. Intern wird gemunkelt, Kabinettschef Georg Krakow, der die Reformen vorantreibt, schneidere diesen Superposten für sich zurecht.

Jahrzehntelang waren die Kabinette eher für das Führen der Kalender zuständig, während die Sektionschefs sich als Berater der Minister verstanden. Dieses Gremium aus fachlich versierten Spitzenbeamten sorgte dafür, dass parteipolitisch motivierte Anliegen sich nicht ungehindert im Apparat breitmachen konnten. Anderswo bürgt ein „Rat der Gerichtsbarkeit“ für Distanz zur Politik. Unter den großen und mittleren EU-Ländern fehlt so ein vom Ministerium unabhängiges Gremium, das für Personal und Sachaufwand in der Justiz zuständig ist, nur in Tschechien und Deutschland.

„Im Justizministerium hat man nie gewusst, wo ein Spitzenbeamter politisch hingehört. Wenn diese Tradition auf dem Spiel steht, steigen die Nackenhaare“, sagt Wolfgang Swoboda, Präsident der österreichischen Staatsanwälte. OGH-Richter Hans-Valentin Schroll: „Die Parteiunabhängigkeit war der Justiz sehr förderlich. Es kann mir niemand erklären, dass wegen der Einsparung eines Sektionschefs, der noch dazu weiterbezahlt werden muss, also wegen ein paar tausend Euro, das System umgekrempelt wird. Da denkt der Schelm sich ja etwas.“ Er sehe jedenfalls „keine guten Argumente für diese Reform“. Und er fügt hinzu, er „kenne in der Justiz auch sonst niemanden, der sie gut findet“.

Wie sich die Statements gleichen. Der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl: „Wenn etwas gut funktioniert, brauche ich gute Argumente, um es zu ändern. Ich habe noch niemanden gefunden, der gesagt hat: Diese Reform ist gut.“ Klaus Schröder, Vorsitzender der Richter und Staatsanwälte: „Das Haus hat hervorragend funktioniert und war ein Vorzeigeressort an Effizienz. Es kann nicht dargestellt werden, worin der Vorteil einer Umstrukturierung liegt.“ Wolfgang Swoboda, Präsident der Staatsanwälte: „Auch die Leute draußen sind verunsichert. Wir vermissen einen sachlichen Grund für die Umstrukturierung.“ OGH-Präsidentin Griss: „Ich kenne die Beweggründe für die Reform nicht. Ich kann nur aus meinem Bereich sagen, dass die Zusammenarbeit immer sehr gut funktioniert hat.“

Von Bandion-Ortner fühlen sich indes viele übergangen. Zinkl: „Hätten wir uns nicht aufgedrängt, man hätte uns von den Reformen nicht einmal erzählt.“ Vor einigen Wochen reklamierte Zinkl die Richterschaft in einem Schrei­ben an Bandion-Ortner in den Reformprozess hinein. Antwort: keine. Erst auf neuerliches Drängen gewährte der Kabinettschef den Richtern eine Audienz. „Am nächsten Tag verkündete die Ministerin ihre Entscheidung, das war schon ein bisschen knapp.“

Die Justizministerin höre vor allem auf ihren Kabinettschef, heißt es im Haus. Ministerialbeamte klagen über Geheimniskrämerei und autoritäres Gehabe. Dieser „autokratische Führungsstil“ (Petra Velten) läuft dem Selbstverständnis der Beamtenschaft zuwider. Das Gros sind Richter und Staatsanwälte. Sie pflegen eine sachliche ­Debatte und halten ihre Unabhängigkeit hoch. Der Wiener Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk: „Das Justizministerium ist ein alteingespieltes Haus mit einer langen Tradition von Fachkompetenz, Hochbürokratie im besten Sinn des Wortes. Schwer zu verstehen, warum man das jetzt riskiert.“

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges