Glaubensfragen

Barbara Kruger: Glaubensfragen

Kunst. Die US-Künstlerin Barbara Kruger gestaltet exklusiv sechs Seiten für profil

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Wenn die bildende Kunst ihre traditionellen Schauplätze, die Museen und Galerieräume, verlässt, begibt sie sich zumeist auf Straßen und Plätze, auf Hausmauern und Plakatwände. Bisweilen erscheint sie aber auch als Irritationsmoment auf Zeitschriftenseiten – wie es etwa bei jener Kooperation zwischen profil und der Wiener Kunstinstitution „museum in progress“ der Fall war: In den 1990er-Jahren konnten dafür renommierte Künstler wie Gerhard Richter, Hans-Peter Feldmann oder John Baldessari gewonnen werden.

Nun nimmt profil diese Tradition wieder auf: Die bedeutende US-Künstlerin Barbara Kruger gestaltete exklusiv für das vorliegende Heft ein sechsseitiges Insert (siehe folgende Seiten), erstmals übrigens für ein österreichisches Printmedium. Die Zusammenarbeit wurde angeregt vom Kunsthaus Bregenz, in dem gegenwärtig Krugers überaus sehenswerte Personale läuft (bis 14. Jänner 2014). Die 68-Jährige besitzt Erfahrung mit derartigen Interventionen: In der „New York Times“ ließ sie ihre Schrift-Text-Kombinationen ebenso abdrucken wie in „Harper’s Bazaar“; für „Newsweek“ und „Esquire“ gestaltete sie sogar Cover, ebenso für das „New York Magazine“. Und 2011 verblüffte sie die Leser der „Süddeutschen Zeitung“: Auf dem Titelblatt streckte sich ihnen frech eine Zunge entgegen, darüber stand in fetten Buchstaben die schlichte Frage: „Wie viel?“ Ähnliche Entwürfe zogen sich durch das gesamte Heft.

Krugers Arbeit für profil schließt daran an: „Glaube + Zweifel = geistige Gesundheit“ lautet die Gleichung, die sich als Plädoyer für skeptisches Nachfragen versteht. „Die Kämpfe um Glaube und Zweifel toben seit Jahrhunderten und haben heute eine besondere Resonanz – auf lokaler und globaler Ebene“, sagt Kruger zu dieser Arbeit, die freilich nicht nur religiöse Kontexte anspricht und in Zusammenhang mit einem Nachrichtenmagazin besondere Bedeutung gewinnt: Was kann man glauben? Woran muss man zweifeln?

Nicht zum ersten Mal verwendet Kruger diese Gleichung; schon 2011 protestierte sie damit gegen die Inhaftierung des chinesischen Künstlers und Dissidenten Ai Weiwei. Die Wiederholung ist Teil ihrer künstlerischen Methode. „In meiner Arbeit werden Bilder und Texte recycelt, um jeweils neue Bedeutungen zu schaffen“, erklärt sie dazu. Dass sie das Wort „Glaube“ von einem vernagelten Kopf, den Begriff „Zweifel“ von einer buchstäblich umwölkten Stirn begleiten lässt, stellt einmal mehr auch ihren Witz unter Beweis. Die beiden Fotos sind ebenfalls wiederkehrende Elemente: So war ein Ausschnitt des hier abgebildeten Kopfes schon einmal überdimensional in der Straßburger U-Bahn zu sehen, überschrieben mit dem Satz „L’empathie peut changer le monde.“ („Einfühlungsvermögen kann die Welt verändern.“) Die Amerikanerin arbeitet, eher untypisch in der bildenden Kunst, meist in der jeweiligen Landessprache – damit spricht sie ihr Publikum unmittelbarer an als in ihrer Muttersprache. Ihre Arbeiten benötigen keine theorieschweren Erläuterungen und Gebrauchsanweisungen – sie lassen sich auf den ersten Blick erfassen.
Kruger besitzt seit jeher eine Affinität zu Printmedien: Ihren ersten Job hatte sie als Bildredakteurin, später arbeitete sie als Grafikerin bei Modezeitschriften. „Meine Arbeit als Künstlerin entwickelte sich direkt aus diesem Beruf. Ich war ja damals noch ein Kind, wusste gar nicht genau, was ich wollte“, bekennt Kruger. Zudem bezeichnet sie sich selbst als „News-Junkie“: „Ich habe mein iPad Mini – das liebe ich. Darauf kann ich rund um die Uhr aktuelle Nachrichten sehen. Natürlich lese ich auch viele Zeitungen – die ,New York Times‘, die ,L. A. Times‘, den ,Guardian‘“, erzählte sie im profil-Gespräch anlässlich ihrer Bregenzer Ausstellung (siehe profil 43/2013).

Die in New York und Los Angeles lebende Kruger stellte bereits in so gut wie allen wichtigen US-Kunsthäusern, etwa dem New Yorker Metropolitan Museum, aus, ebenso auf der Kasseler documenta sowie der Biennale Venedig. Ebendort erhielt sie 2005 den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk. Bekannt wurde sie für ihre engagierten Arbeiten mit politisch-feministischem Hintergrund im öffentlichen Raum – beispielsweise für jene Plakate, die gegen strenge Abtreibungsgesetze protestierten oder Phänomene wie Konsumrausch persiflierten. Völlig zu Recht zählt Kruger heute zu den wichtigsten Künstlerinnen der Vereinigten Staaten.

Kunsthaus Bregenz: Barbara Kruger. Believe + Doubt. Bis 14.1.2014.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer