Effizienz-Paralyse

Burgtheater: Der Konflikt um das Security-Unternehmen G4S schwelt weiter

Affäre. Der Konflikt um die Arbeit des umstrittenen Security-Unternehmens G4S schwelt weiter

Drucken

Schriftgröße

Allabendlich strahlt es in altem Glanz: Das traditionsreiche Burgtheater, Österreichs Nationalbühne, hat noch immer etwas vom Charme eines Grand Hotels. Das Ambiente ist stilvoll gediegen, die Kartenabreißer heißen „Billeteure“, tragen fesche Uniformjacken mit goldenen Knöpfen. Zumindest hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Freilich täuscht der Schein manchmal, wie jüngst ein Mitarbeiter des Publikumsdienstes im Rahmen der 125-Jahr-Feierlichkeiten des Hauses offenlegte. Er und seine rund 400 Kollegen „performten“ zwar jeden Abend das Burgtheater, erklärte der Billeteur Christian Diaz (im Bild mit Nestroy- Moderatorin Sunnyi Melles) in seiner Protestrede, sie seien aber eigentlich Angestellte eines internationalen Sicherheitsdienstanbieters, der private Gefängnisse in England und den USA betreibt, Schubhaftzentren beaufsichtigt (demnächst auch das erste heimische dieser Art in der Obersteiermark, siehe dazu auch die profil-Story hier) und immer wieder in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen Schlagzeilen macht: Die G4S wurde angeklagt, für den Tod eines erstickten Angolaners verantwortlich zu sein. Diaz machte all das öffentlich – und wurde prompt nach zwei Dienstjahren am Burgtheater von seinem Arbeitgeber, der G4S, gekündigt. Wie viele seiner Kollegen ist er geringfügig Beschäftigter, dessen Vertrag in jeder Theatersaison neu ausgestellt wird und mit einer Probezeit beginnt.
Christian Diaz legte mit seinem Statement den Finger in eine Wunde, von der viele nicht wussten, dass sie überhaupt existiert. „Ich sehe mich nicht als Sicherheitsdienstangestellte, sondern als Publikumsdienst“, sagt eine seiner Kolleginnen, die namentlich nicht genannt werden möchte, im profil-Gespräch: „Mir war anfangs gar nicht klar, dass ich nicht am Burgtheater angestellt bin. Ich habe mich im Theater beworben und erst später beim Abholen der Uniform gesehen, dass G4S mein Arbeitgeber ist.“

Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Tatsächlich wurde von der damaligen Bundestheaterverwaltung bereits 1996 der Publikumsdienst der Kunsttanker Staatsoper, Volksoper sowie Burgtheater mit seinen Dependancen ausgelagert, um Kosten zu sparen. 1999 wurden die Bundesbühnen in die rechtliche Selbstständigkeit entlassen, die Bundestheater-Holding, die im Eigentum des Bundes steht, sollte das Controlling der Häuser durchführen, Kollektivverträge verhandeln, für die Instandsetzung der Theater sorgen und mit ihrer Tochtergesellschaft Theaterservice GmbH Leistungen wie Kostüm- und Dekorationsarbeiten, Transport und Kartenverkauf bündeln. Das Wiener Holding-Modell wurde in Folge auch von Berlin und Graz adaptiert. Auch die Komische Oper in Berlin hat den Publikumsdienst delegiert – an den Berliner Facility-Management-Giganten Gegenbauer Holding SE & Co. KG.
Outsourcing und die Vergabe von Verträgen an möglichst preisgünstige Anbieter gehören aber auch in anderen Kernbereichen der Darstellenden Kunst seit Jahren zum Alltag. Subunternehmen der Holdings erteilen Aufträge an Kostüm- und Dekorationsstätten, die in Polen oder Rumänien produzieren und für weniger Geld arbeiten als heimische Anbieter. Das kann berechtigt sein, die Frage ist allerdings, wie sehr man sich als Teil einer globalisierten Welt begreift, in der es letztlich doch an den einzelnen Häusern liegt, ihren Moralkodex selbst zu definieren und genau wissen zu wollen, mit wem man Geschäfte macht. Gelingt es den Bundesbühnen nicht, dies transparent zu machen und konstruktiv zu klären, dann ist auch der Anspruch zweifelhaft, sich mit kritischer Kunst brüsten zu wollen. Wie glaubwürdig ist ein Theater, das sich nicht dafür interessiert, wie seine Mitarbeiter behandelt werden und was die Unternehmen, mit denen es zusammenarbeitet, sonst noch so machen?

Burg-Chef Matthias Hartmann gelangte nach Gesprächen mit dem Billeteur Diaz jedenfalls zu der Auffassung, man müsse den Vertrag mit dem Sicherheitsdienst G4S kündigen, was jährlich möglich wäre. Auf diese Diskussion wollte sich der mächtige Holding-Chef Georg Springer zunächst nicht einlassen. „Wenn ich einen Lieferanten habe, interessiere ich mich nicht dafür, mit wem er sonst noch Verträge hat, solange es keine nachweislich unseriösen Geschäftspraktiken gibt“, hatte er patzig in einer ersten Stellungnahme erklärt – und in einem APA-Interview behauptet, er besitze eine Unterschriftenliste, auf der „sämtliche Mitarbeiter des Publikumsdienstes“ sich mit Diaz entsolidarisiert hätten. Diese Liste existiert so nicht, wie Springer im Gespräch mit profil nun zugibt. Lediglich die Oberbilleteure seiner Häuser hätten den von G4S-Angestellten verfassten Text unterschrieben, die APA-Journalistin habe da wohl fälschlich „Billeteure“ verstanden. (Auf Nachfrage bei der APA ist allerdings zu erfahren, dass Springer das Interview mit der Phrase „sämtliche Mitarbeiter“ selbst autorisiert hatte.) „Innerhalb der Belegschaft gibt es höchst unterschiedliche Haltungen, einige sind auf der Seite von G4S, andere möchten die Sache gern öffentlich diskutieren“, sagt ein Vertreter des Publikumsdiensts: „Es wurde uns allerdings nahegelegt, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen“, meint eine Billeteurin gegenüber profil.

Mut und Nestroy
„Wir hatten bislang nur ein einziges, leider aber medienwirksames Problem mit der G4S – am Opernball 2012“, meint Springer; abgesehen davon liefe alles „höchst zufriedenstellend“. Hartmann sieht das inzwischen anders. Bei der Verleihung des Wiener Theaterpreises Nestroy vergangene Woche ließ er sogar ausrichten, Diaz solle für seinen Mut mit einem Nestroy ausgezeichnet werden. Zwar hätte auch Springer „lieber einen eigenen Publikumsdienst“, aber den müsse man sich leisten können („und dies können wir jedenfalls derzeit nicht!“). Es sei dennoch davon auszugehen, dass der G4S-Job demnächst neu ausgeschrieben werde: „Der Rechnungshof hat uns darauf hingewiesen, dass die Ausschreibungen für Publikumsdienst und Druckwerke schon sehr lange zurückliegen. Solche Aufträge seien regelmäßig auszuschreiben. Wir haben als Gegenargument eingebracht, dass wir ein Prestigekunde der G4S seien, daher extrem gute Preise ausverhandeln konnten. Die Bundestheater haben bekanntlich seit Jahren heftige budgetäre Schwierigkeiten. Wenn es nun zu einer Neuausschreibung kommt, steht der Sieger als Bestbieter jedoch praktisch fest: der Marktführer – die G4S. Dann aber kann es passieren, dass wir nicht mehr in den Genuss der guten Konditionen kommen, die uns seit 1996 eine Million Euro an jährlichen Einsparungen bescheren.“ Springer schränkt ein: „Würde unethisches Verhalten oder noch Schlimmeres zu einem Unternehmensziel, kommt ein solcher Partner für uns nicht in Frage. Wenn es zu menschlichen Fehlleistungen etwa in den Abschiebungsprozessen käme, muss man diskutieren – aber dann auch über Polizei und Staat, die Teil dieser Vorwürfe sein müssten.“

Es gehe nicht an, „dass man ökonomische vor ethische Kriterien stellt“, sagt Wolfgang Zinggl von den Grünen, die eine Auflösung der Verträge fordern und eine genaue Prüfung, ob G4S wirklich die „beste und kostengünstigste“ Variante darstelle. In der Tat gibt es in dieser Hinsicht Ungereimtheiten. Die von Kulturministerin Claudia Schmied 2008 in Auftrag gegebene externe Effizienz-Evaluierung der Bundestheater und der Holding zeigt das deutlich auf (geprüft wurden die Saisonen 2007/08 und 2008/09). Die Rechtsanwälte Karasek und Wietrzyk sowie die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young wurden mit der Evaluierung beauftragt, der Bericht wurde 2011 fertiggestellt, aber nie öffentlich zugänglich gemacht. profil liegt nun das gesamte Dokument vor. In der Staatsoper und im Burgtheater, so die Prüfer, würden beispielsweise für dieselbe Leistung unterschiedliche Tarife verrechnet. In der Staatsoper wurde zudem festgestellt, „das Outsourcing der Feuerwehr, E- und Klimazone“ habe in der Saison 2008/2009 Euro 27,79 pro Stunde gekostet. Die Empfehlung der Evaluierungsinstanz: „Es sollte überprüft werden, ob eine Lösung mit direkt in der Staatsoper angestellten Mitarbeitern günstiger wäre (Insourcing).“

Die Bundestheater-Holding zeigte bislang wenig Interesse, ihr wirtschaftliches Gebaren offenzulegen. Rund 144 Millionen Euro zahlt der Bund jährlich an die Bundestheater. „Die öffentliche Hand hat ein Recht auf Auskunft über den Einsatz dieser Mittel“, fordert Zinggl im profil: „Die Karten müssen auf den Tisch.“

Springer jedenfalls meinte 2011, er halte es „für ganz natürlich“, die Evaluierung nicht öffentlich zu machen, die Materie sei einfach zu komplex. Bei genauer Durchsicht der Unterlagen fällt jedoch auf: Die meisten Mängel, die es zu beheben gilt, wurden nicht in den Bundestheatern festgestellt, sondern in der Holding selbst. Es riecht also nach Eigeninteresse, wenn Springer die Studie unter Verschluss halten wollte. So wurden etwa laut Evaluierung „einzelne Dienstleistungen der Thea-terservice GmbH an die Bühnengesellschaften nicht kostendeckend geplant“. Die Planung liege oft unter dem tatsächlichen Ist-Wert, es werde keine Kostendeckung erreicht, was auf „Ineffizienzen im Planungsprozess“ hinweise. Die Holding müsse „stärker in den Budgetierungsprozess der Tochtergesellschaften“ eingreifen, damit „selbige realitätsnahe planen und systematische Plan-Ist-Abweichungen minimiert werden können“, so die Empfehlung. Überhaupt solle die Holding ihren Tochtergesellschaften verstärkt „strategische Ziele“ vorgeben. Weiters würden in der Holding die Kontrollagenden zwischen verschiedenen Abteilungen aufgeteilt, was es zu vereinheitlichen gelte, und ein „schlankes, aber aussagekräftiges Berichtwesen“ sei anzustreben. Bei der Buchhaltung komme es zu unnötigen Überschneidungen, es fehle ein einheitliches System. Auch das Risikomanagement wird kritisiert. Springer hält dagegen, dass die meisten Empfehlungen längst umgesetzt seien, das Dokument nicht mehr aktuell sei.

Bis Ende der Saison 2014/15 jedenfalls muss die Holding gemäß Planvorgabe 12,4 Millionen Euro einsparen. Es wäre somit an der Zeit, transparent zu machen, was tatsächlich seit 2011 an Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden sei. Erst dann sind jene Forderungen nach höheren Subventionen, die von den Bundestheatern regelmäßig angemeldet werden, konkret zu diskutieren.

+++ Lesen Sie hier: Georg Springer, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, über die Folgen des Outsourcing +++

Karin   Cerny

Karin Cerny