Spielverderber

Affäre. Prozess um verweigerten Jackpot-Millionengewinn im Casino Bregenz

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Der Jubel über den Millionengewinn hielt nur kurz an. Der 26-jährige Bodenleger Behar Merlaku, der seit 1995 in der Schweiz lebt, hatte am 26. März 2010 gemeinsam mit seiner Frau Fatime im Casino Bregenz mit geringen Einsätzen an Spielautomaten gezockt. Gegen vier Uhr Früh begann am Automaten „Dolphin Treasure“ plötzlich das rote Licht „Jackpot“ zu blinken. Zugleich ertönten Fanfaren. Auf der großen Anzeigetafel des „Mega Million Jackpots“ leuchtete – so wie am Automaten – die Gewinnsumme 42.949.672,86 Euro samt richtigem Datum und Ort auf. Merlaku, ein Staatsbürger des Kosovo, konnte sein Glück kaum fassen. Merlaku erinnert sich im Gespräch mit profil: „Wir haben uns schon ausgemalt, was wir mit so viel Geld anfangen werden: ein Haus, ein Auto, Grundstücke, aber auch Spenden für arme Leute.“

Doch dann passierte der Albtraum jedes Zockers: Der herbeigeeilte Casino-Mitarbeiter sprach von einem technischen Fehler, tippte am Automaten einen Code zur Rückstellung des Millionengewinns auf null ein und verschwand mit der Spielerkarte, die der Schweizer für seine Wetteinsätze verwendet hatte.

Auch der Saalchef bestritt den Mega-Gewinn.
Der Spielautomat nehme zudem am Mega-Jackpot gar nicht teil. Auf der Spielerkarte seien lediglich 70 Euro übrig. Wegen Kassaschlusses könne man die aber erst am folgenden Tag auszahlen. Merlaku forderte lautstark seinen Gewinn und hielt das Geschehen mit seiner Handykamera fest. Zugleich rief er nach der Polizei, die ihn aber wie einen Tatverdächtigen behandelte.

„Die leitende Beamtin hat sich benommen wie die Casino-Security und gefragt, warum ich überhaupt in Österreich spiele“, so Merlaku. Dann wurde ihm von den Casino-Angestellten noch einmal erklärt: kein Gewinn, da ein technischer Fehler vorliege.

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch, die von Merlakus erstem Anwalt eingeschaltet wurde, stellte das Verfahren nach nur zwei Wochen ein. Laut Abschlussbericht des Landeskriminalamts in Bregenz könne der angezeigte Millionengewinn „einem nachvollziehbaren Programmfehler zugeordnet werden“. Es seien „keine Hinweise auf eine Betrugshandlung oder eine Manipulation an den Spielautomaten bzw. an den Spielcards festgestellt worden“, so die Kripo.

Sie stützte sich dabei vor allem auf ­einen Prüfbericht der Spieltechnikfirma Atronic. Darin wird ein „Software-Fehler“ am Spielautomaten für die falsche Anzeige verantwortlich gemacht. „In äußerst seltenen Fällen“, so heißt es darin, würde der Automat bei einer Auszahlung auf die Spielkarte im gleichen Moment noch ein Spiel zulassen. Damit drehe der „Credit-Meter“ von null ins Negative, was dann zu einer falschen Anzeige über einen Millionengewinn führen könne, so der Bericht.

Merlaku, von Schweizer Medien inzwischen als „Casino-Pechvogel“ bezeichnet, wechselte seinen Rechtsbeistand und engagierte den Innsbrucker Anwalt Thomas Kerle. Dieser klagte nun die Gewinnsumme über ein zivilrechtliches Verfahren am Landesgericht Feldkirch ein, das am 10. Jänner startet. Laut Kerle seien die bisherigen Erhebungen einseitig im Sinne der Casinos Austria geführt worden. Weder sei sein Mandant einvernommen noch der Spielautomat von unabhängigen Gutachtern überprüft worden. Die Firma Atronic stehe zudem in enger Verbindung zu den Casinos Austria, für die sie auch die offenbar fehlerhafte Software für den Mega Million Jackpot entwickelt habe.

„Es gab bisher keine objektive Untersuchung“, so Kerle. „Warum wurde nicht sofort der Spielautomat beschlagnahmt? Wie kann ein Automat, der angeblich gar nicht am Mega Million Jackpot teilnimmt, diesen auslösen?“ Auch die Spielerkarte Merlakus mit dem Guthaben von 70 Euro sei im Besitz der Casino-Betreiber.

Bei den Casinos Austria will man zum laufenden Verfahren keine Details nennen. Pressesprecher Martin Himmelbauer bestreitet aber jeden Anspruch Merlakus auf einen Millionengewinn: „Der Gast hat an einem Gerät gespielt, dessen Höchstgewinn bei 4500 Euro liegt. Der erzielbare Höchstgewinn des Casinos insgesamt, der Mega Million Jackpot, lag zu diesem Zeitpunkt, gut sichtbar in großen Displays eingeblendet, bei knapp 1,2 Millionen Euro. Zudem hatte er sein Spiel bereits beendet und das Guthaben auf seiner Spielercard gebucht. Dann erst kam es zu einem technischen Defekt, der die Fehlanzeige auslöste. Es war aber klar erkennbar, dass der Gast nichts gewonnen hat.“ Der Automat sei zur Beweissicherung sichergestellt worden. „Wir werden ihn einem gerichtlich beauftragten Sachverständigen zur Verfügung stellen.“

Doch der Anwalt des Spielers fährt gegen den langjährigen teilstaatlichen Monopolbetrieb schwere Geschütze auf. „Ich bin besonders über den Umstand verwundert, welche Unprofessionalität und Präpotenz einem in diesem Fall seitens der Casinos Austria AG entgegenschlägt, nachdem diese lange als die Vorzeigefirma der österreichischen Republik galt. Man hat bisher nicht einmal versucht, den Kontakt zu meinem Mandanten oder zu mir zu suchen.“ Merlaku sei wie ein Krimineller behandelt worden. Kurz nach seiner ersten Anzeige wurde er zudem für alle Betriebe der Casinos Austria gesperrt.

Für den Casino-Sprecher eine „normale Vorgangsweise, weil sich der Gast nicht an die Hausordnung gehalten hat, indem er weiter unberechtigt seinen Millionengewinn einfordert.“ Daher habe es auch keine Vergleichsangebote geben können.

Doch Kerle dreht den Spieß nun um. Die Casinos Austria hätten mehrfach den Spielerschutz verletzt. Auf dem betroffenen Spielautomaten gebe es keine klaren Angaben über den erzielbaren Höchstgewinn. Dass er nicht am Mega-Jackpot-System teilnehme, sei nicht ersichtlich gewesen. Obendrein hätten der Automat und die Mega-Jackpot-Tafel den zweistelligen Millionengewinn angezeigt.

Dass bei technischen Störungen kei-ne Gewinne ausbezahlt würden, stehe
auf einer winzigen Aufschrift in englischer Sprache, die Merlaku nicht beherrsche.

Kerle klagt auch über die mangelnde Aufsicht durch staatliche Stellen: „Erschütternd ist es, dass der österreichische Staat, der die Glücksspiellizenzen vergibt und diese bisher allesamt der Casinos Austria AG übertragen hat, tatenlos zusieht und sich das Bundesministerium für Finanzen als gesetzlich verankerte Aufsichtsbehörde für nicht zuständig erachtet.“ Im vergangenen November hatte das Finanzministerium in einem kurzen Brief „keinen Grund für aufsichtsrechtliche Maßnahmen“ erkannt und auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im novellierten Glücksspielgesetz wurden die Casinos Austria von den sonst strengen Auflagen für Automatensalons im Rahmen des bisherigen „kleinen Glücksspiels“ ausgenommen. Es gibt keine Beschränkung der Einsätze und keine verpflichtenden technischen Standards, auch keine direkte Anbindung jedes Automaten ans Bundesrechenzentrum.

„Offensichtlich erreicht ein Teil der Kontrolle der privaten Glücksspielmonopolkonzessionäre durch das Finanzministerium nicht einmal das Niveau eines Dritte-Welt-Staats oder existiert erst gar nicht“, kritisiert Helmut Kafka, Chef des österreichischen Automatenverbands. In anderen Staaten bestehe eine weit strengere behördliche Aufsicht. So gibt es in der Schweiz eine unabhängige Glücksspielkommission. In Singapur sprach die Aufsichtsbehörde erst vergangenen Oktober einer Automaten-Spielerin einen Millionengewinn, der ihr zuvor mit Verweis auf technische Störungen verweigert worden war, nachträglich zu.

„In den zwölf österreichischen Casinos stehen die gefährlichsten Automaten“, warnt Spielerschutzexperte Roman Neßhold vom Institut Glücksspiel & Abhängigkeit. „Sie können spielend ihr Monatseinkommen mit drei Spielen am Automaten verlieren, in nur fünf Sekunden.“ Die Spielerschutzstelle im Finanzministerium würde diesbezügliche Beschwerden abwiegeln, so auch im Fall Merlaku.

Für die Casinos Austria AG kommt der Rechtsstreit im ungünstigen Augenblick. Denn derzeit laufen die ersten Ausschreibungen zur Vergabe der von bisher zwölf auf 15 aufgestockten Casino-Lizenzen mit dem lukrativen Automaten-Sektor. Insider vermuten, dass Konkurrenten der Casinos Austria das Verfahren um den Millionen-Jackpot finanziell unterstützen. Kurz vor Weihnachten hat auch der FPÖ-Abgeordnete und Dritte Nationalratspräsident Martin Graf an Finanzministerin Maria Fekter eine parlamentarische Anfrage zum Vorfall in Bregenz gestellt. Dies könnte eine Retourkutsche Grafs für die von den Casinos Austria mit erzwungene Absage des Burschenschafter-Balls in der Wiener Hofburg sein.

Casino-Spieler Merlaku will nicht aufgeben. „Ich werde weiter um meinen Gewinn kämpfen. Wenn’s sein muss, bis zu meinem Tod.“

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Aristokratischer Fehler
Der Spielautomat löste den Rekordgewinn aus, obwohl er am
Jackpot-System gar nicht teilnahm. Gleich zwei Software-Probleme?

Im Mittelpunkt des Prozesses steht ein Spielautomat des in Australien ansässigen Marktführers Aristocrat, der auch in europäischen Casinos häufig aufgestellte „Dolphin Treasure“. In Österreich können bis zu 9000 „Credits“ gewonnen werden, was 4500 Euro entspricht.

Was genau in der Nacht auf den 26. März 2011 in diesem Automaten passiert ist, müssen Gutachter klären. Nach Angaben der Casinos Austria habe aus bisher unbekannten Gründen trotz Abschluss des Spiels durch Merlaku (was dieser bestreitet) ein weiteres mit zwei Credits begonnen. Der Credit-Meter ging von null ins Negative. Darauf rechnete der Computer einen Höchstgewinn von 99999999 Credits (siehe Polizeifoto) aus. Dies ergab die Zahl 2 hoch 32: genau jene 42.949.672,86 Euro, die das Gerät als Rekordgewinn auswies.

Ein ähnlicher Vorfall passierte im Jahr 2003 auf einem baugleichen Gerät in einem Casino in Kapstadt (Südafrika). Die Firma Atronic (heute: Spielo), die für die Casinos Austria Software-Programme herstellt, machte damals Aristocrat auf den Fehler aufmerksam, worauf diese die Software änderte. Warum dies nicht auch in Österreich passierte, ist unklar. Sicherheitshalber haben die Casinos Austria für allfällige Regressforderungen eine Streitverkündung an die Firma Aristocrat übermittelt.

Behar Merlaku nahm dieses Video nach dem Jackpot im Casino Bregenz auf: