„Dann habe ich das System ­zusammengebaut“

Buwog. Karl-Heinz Grasser geht in der Causa Buwog in die Offensive

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Für einen Mann, der nach eigenem Bekunden „derzeit nicht in der Öffentlichkeit präsent“ sein will, macht sich Karl-Heinz Grasser nicht eben rar. Am Montag vergangener Woche gab er – flankiert von seinen beiden Anwälten – eine Pressekonferenz, wenige Stunden später saß er live im „ZiB-2“-Studio des ORF.

Der ehemalige Finanzminister hat akuten Erklärungsnotstand. Seine engen Vertrauten Peter Hochegger und Walter Meischberger kassierten als Immofinanz-Lobbyisten bei der Buwog-Privatisierung rund zehn Millionen Euro. Diese verdienten sie sich möglicherweise durch die ­Weitergabe von Insiderwissen aus dem von Karl-Heinz Grasser geführten Finanzministerium. In ihren Einvernahmen bei der Staatsanwaltschaft Wien räumten Hochegger und Meischberger eine ganze Reihe weiterer fragwürdiger Geschäfte mit staatsnahen Institutionen ein. Allein bei der Einmietung der Wirtschaftsuniversität in ein früheres Telekom-Gebäude lukrierte Walter Meischberger über 700.000 Euro an „Beraterhonoraren“. Dabei hatte den Auftrag ursprünglich die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), deren Aufsichtsratschef damals Ernst Karl Plech hieß. Auch hier könnten vertrauliche Informationen eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Wenn es der eigenen Sache dient, nimmt es auch Karl-Heinz Grasser mit der Vertraulichkeit nicht so genau. Montag vergangener Woche präsentierte der Ex-Finanzminister der staunenden Öffentlichkeit das Protokoll eines parlamentarischen Rechnungshof-Unterausschusses. Und hinterließ damit vor allem Ratlosigkeit. Was das Papier mit dem Vermerk „vertraulich“ beweisen soll, blieb nämlich im Verborgenen. In jener protokollierten Sitzung vom 26. November 2003 behandelte der Ausschuss das Vergabeverfahren, in dem die Investmentbank Lehman Brothers den Auftrag zur Abwicklung des Verkaufs von rund 60.000 Bundeswohnungen (Buwog) erhielt. Und das, obwohl Lehman deutlich teurer war als der letzte verbliebene Konkurrent CA-IB. Geht es nach Grasser, dann ist das Protokoll Beweis dafür, dass sein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht unter Wahrheitspflicht gelogen hat. Ramprecht hatte gegenüber profil schwere Anschuldigungen erhoben. Demnach sei es bei der Buwog-Privatisierung zu Manipulationen gekommen. Der damalige Buwog-Aufsichtsratschef und heutige Grasser-Geschäftspartner Ernst Karl Plech soll zu Ramprecht gesagt haben: „Der Minister will, dass es Lehman wird.“

Grasser bestreitet dies und klagte Ramprecht wegen übler Nachrede und profil auf Urteilsveröffentlichung und Zahlung einer Entschädigung. Ramprecht bestätigte seine Aussagen vor Gericht. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Beweis kraftlos. Was ist es nun, was Ramp­recht im parlamentarischen Unterausschuss gesagt hat, das beweisen soll, dass die Privatisierung „supersauber“ abgelaufen ist? In erster Linie ist es ein Satz: „Meine einzige Vorgabe des Herrn Finanzminister war, dass das ganze Verfahren glasklar, mit den besten Köpfen, total nachvollziehbar umzusetzen ist.“ Grasser dazu in der „ZiB 2“: „Damit ist der Beweis erbracht. Ramprecht hat das Gericht belogen.“ Ramprecht erklärt seine damalige Aussage im Unterausschuss damit, dass er um seinen Job fürchten musste und deswegen nicht die volle Wahrheit gesagt hat. Ein Fehler, den er aber mittlerweile gegenüber profil, gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien und vor Gericht korrigiert habe.

Grasser behauptet weiters:
„Die haben dort unter Wahrheitspflicht ausgesagt. Es gilt der Paragraf 40 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats: Wahrheitspflicht.“ Beides ist schlichtweg falsch. In der Geschäftsordnung des Nationalrats findet sich kein einziger Passus zu einer etwaigen Wahrheitspflicht. Schon gar nicht in dem von Grasser zitierten Paragraf 40. Dieser regelt Dinge wie den Reisekostenersatz für Auskunftspersonen. Tatsächlich dürfte sich allerdings jemand in Grassers Umfeld einer Verletzung der Geschäftsordnung des Nationalrats schuldig gemacht haben. „Die von Grasser vorgelegten Dokumente unterliegen der strengen Vertraulichkeit. Wer auch immer Grasser die Dokumente übergeben hat, hat gegen die Vertraulichkeit des Parlaments verstoßen“, so Grünen-Abgeordnete Gabriela Moser.

Ramprecht kann man höchstens vorwerfen, dass er nicht früher mit der Wahrheit rausgerückt ist. Er hat dem Unterausschuss verschwiegen, dass es eine Intervention durch Ernst Karl Plech gegeben hat. Und dass Ernst Karl Plech ihm gesagt haben soll, die Immofinanz hätte bereits von Beginn an als Sieger festgestanden. Plech hat sich in dem von Karl-Heinz ­Grasser gegen Ramprecht angestrengten Verfahren seiner Aussage entschlagen, weil er selbst als Beschuldigter bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien in der Causa Buwog geführt wird. Plechs Freund Walter Meischberger hat in seinen Ein­vernahmen verstörende Einblicke in seine gemeinsame Geschäftstätigkeit mit dem ­umtriebigen Immobilienkaufmann gewährt.

Anlass dazu waren Unterlagen, die bei ­Walter Meischberger sichergestellt wurden. Am 25. Oktober 2004 stellte Meischbergers Agentur ZehnVierzig einer AKP Vermögensverwaltungs GmbH eine Rechnung über nicht weniger als 708.000 Euro „für die Beratung und ­Unterstützung“ bei „Ent­wicklung und Verwertung der Immobilie Projekt Nordbergstraße 15, 1090 Wien“
aus. Eine stattliche Summe. Bei seiner ­dritten Beschuldigtenvernehmung führte Meischberger am 10. November 2009 dazu aus: „Es handelte sich dabei um ein Projekt, das ich gemeinsam mit Ernst Plech oder einer seiner Firmen abwickelte. Das Ganze stand im Zusammenhang mit einem Immobilienprojekt in der Nordbergstraße 15, 1090 Wien. … Wenn ich mich erinnere, ging es darum, eine Universität bzw. eine Fakultät in das Objekt einzumieten.“ Fakt ist: Die aus allen Nähten platzende Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) suchte damals nach zusätzlichen Flächen.

Direkt auf der Rückseite der Universität, in der Nordberg­straße 15, wurde zeitgleich eine Immobilie der Telekom Austria frei. Meischberger in einer späteren Einvernahme: „Meine Leistung damals war zu wissen, dass die WU Platz sucht, und weiters zu wissen, dass die Telekom dort ein Projekt verkauft. Dann habe ich das System zusammengebaut.“ Ziemlich wenig Leistung für ziemlich viel Geld. Wer war bereit, dafür 708.000 Euro zu bezahlen? Die AKP Vermögensverwaltungs GmbH steht im Eigentum des früheren Immobilienunternehmers Anton Kallinger-Prskawetz. Der gute Bekannte von Grasser-Geschäftsfreund Ernst Karl Plech hat sich mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben zurückgezogen und war für profil nicht zu erreichen. Konkret will Meischberger der AKP also den Tipp gegeben haben, dass eine Telekom-Immobilie in WU-Nähe zum Verkauf steht und dass die WU nach Räumlichkeiten sucht. Daraufhin wurde ein Bauunternehmen gesucht, das die Immobilie kaufen und für die WU adaptieren sollte. Man fand die Porr. „Die Immobilie stand vorerst im Eigentum der Telekom Austria und wurde … an die Porr verkauft … Ich und Ernst ­Plech bzw. eine seiner Firmen führten im Auftrag der AKP Vermietung und Verkauf von Büroflächen durch“, so Meischberger in seiner ersten Einvernahme. Zu Plechs Rolle hatte Grassers Trauzeuge Meischberger durchaus lebhafte Erinnerungen: „Der Rechnungsbetrag wurde letztlich mit Ernst Plech oder einer seiner Firmen anteilsmäßig geteilt. An die genauen Teilungsprozente kann ich mich nicht mehr erinnern. Es ist vor allem über mich gelaufen, weil ich ­steuerliche Verlustvorträge zu verwerten hatte. Befragt, welche konkreten Leistungen ich erbracht habe bzw. warum der Immobilienspezialist Plech mich beizieht: Die Kontakte zur Telekom und Porr hatte ich. Auch was die Mieter betrifft, hatte ich meine Kontakte. Im konkreten Fall weiß ich es aber nicht mehr. Ich habe oft Mieter vermittelt oder auf mögliche Mieter hingewiesen. In diesem Fall war es so, dass Ernst Plech aufgrund meiner Kontakte den Auftrag bekommen hat.“

Komischer­weise revidierte Meischberger dies am 3. Februar 2010: „Ernst Plech war nicht, wie fälschlich von mir angegeben, ein wirtschaftlicher Teil dieses Projekts, sondern ich habe das Projekt alleine abgewickelt und Ernst Plech lediglich hin und wieder um seinen freundschaftlichen Rat befragt.“ Plech lässt über seinen Anwalt Michael Rami dazu ausrichten: „Meischberger hat von mir ein- oder zweimal fachlichen Rat erhalten, ich habe keinen Euro verlangt oder bekommen.“ Der damalige Porr-Chef Horst Pöchhacker auf profil-Anfrage: „Ich kann mich weder an eine Beteiligung von Meischberger noch an eine von Plech oder der AKP erinnern.“ Warum sollte aber die AKP an Meischberger 708.000 Euro für ein Geschäft der Porr überweisen? Der ­Baukonzern Porr ist an allzu viel Öffentlichkeit in dieser Sache anscheinend nicht interessiert. In einer ersten Anfrage bestätigt Sprecher Peter Walder, eine Rechnung mit einem Betrag „in dieser Größenordnung“ in der Buchhaltung gefunden zu haben. Danach war Walder für profil mehr als zwei Wochen lang trotz zahlreicher Anrufe nicht mehr zu sprechen.

Überboten.
Die Umstände des Meischberger-Honorars sind jedenfalls aufklärungswürdig. Tatsächlich war die WU nach profil-Recherchen noch vor Meischberger selbst auf die Idee verfallen, die Immobilie in der Nordbergstraße 15 anzumieten. „Wir haben diese Möglichkeit erkannt und die Bundesimmobiliengesellschaft mit Verhandlungen beauftragt“, so eine Sprecherin der WU. Zu einem Abschluss ist es aber nicht gekommen. Die Preisvorstellungen von Telekom Austria und BIG sollen zu weit auseinandergeklafft haben. Ernst Karl Plech war im fraglichen Zeitraum stellvertretender Aufsichtsratspräsident der BIG. Er wusste vom Interesse der WU an dem Telekom-Gebäude. Die von Meischberger eingeschaltete Porr legte schließlich ein besseres Offert. Der Baukonzern erhielt im Jahr 2003 den Zuschlag und verkaufte das umgebaute und an die WU vermietete Gebäude umgehend an einen deutschen Immobilienfonds. Das „Wirtschaftsblatt“ vom 28. Jänner 2004 reihte die Transaktion mit einer Rendite von sechs Prozent unter die besten fünf Immobiliendeals des Jahres 2003.