Der Gerichtsakt Buwog

Der Gerichtsakt Buwog: Meischberger zahlte Grasser Seychellen-Urlaub

Affäre. Meischberger zahlte Grasser Seychellen-Urlaub

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Man gönnt sich ja sonst nichts: kristallklares Wasser, mit Granitfelsen gesprenkelte Sandstrände, Hibiskus-Sträucher, Mandelbäume und Bougainvil-leen unter azurblauem Himmel. Kurzum: „eine Insel voller Träume und sinnlicher Freuden“. Das Sainte Anne Resort & Spa auf den Seychellen ist nach Eigendefinition das ideale Hideaway für alle, die eine kurze Auszeit suchen – und das nötige Kleingeld haben. Auf einer Privatinsel inmitten des Indischen Ozeans hat der international tätige Betreiber Beachcomber eine Anlage in die naturgeschützte Landschaft setzen lassen, die steuerzahlende Pauschaltouristen gemeinhin nur von Fototapeten kennen. Eine Nächtigung in einer der 87 „Villen“ ist heute nicht unter 450 Euro zu haben – pro Person, versteht sich.

Man gönnt ihm ja sonst nichts:
Aufgerieben von der unschönen Homepage-Affäre, ließ der amtierende Finanzminister Karl-Heinz Grasser sich im April 2004 in Begleitung seiner damaligen Herzensdame Natalia Corrales-Díez im Sainte Anne Resort & Spa die Palmen um die Ohren wedeln. Die sechs Nächtigungen für die Frischverliebten kosteten 4600 Euro – ohne Flug und Nebengeräusche.

Eine vermeintlich unverdächtige Wellnessweek also – wären da nicht Zeitpunkt und Hotelrechnung. Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien die Hintergründe des Verkaufs der Bundeswohngesellschaften (Buwog) im Juni 2004 an eine Gruppierung um den börsennotierten Immobilienkonzern Immofinanz. Die seinerzeit für die Immofinanz tätigen Lobbyisten und Grasser-Freunde Peter Hochegger und Walter Meischberger stehen zusammen mit dem Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech im Verdacht, das Vergabeverfahren manipuliert zu haben – möglicherweise mit Wissen und Billigung des Finanzministers. Die Justiz wähnt Geheimnisverrat, Amtsmissbrauch und Anstiftung dazu. Es gilt die Unschuldsvermutung. Tatsache ist, dass das Immofinanz-Konsortium Hochegger und Meischberger für ihr Engagement später mit einem „Erfolgshonorar“ in der Höhe von annähernd zehn Millionen Euro entschädigte, welches die Lobbyisten unversteuert einsackten.

Am 10. November 2009 musste sich Meischberger, ehemaliger FPÖ-Politiker, Gründer der Wiener Lobbyingagentur ZehnVierzig und einst auch geschäftsführender Gesellschafter des „Seitenblicke Magazin“, einer von insgesamt vier staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen als Beschuldigter im Buwog-Komplex stellen. Die Beamten hielten dem gebürtigen Tiroler dabei eine bei zuvor durchgeführten Hausdurchsuchungen konfiszierte Rechnung unter die Nase, die Grassers Turteltrip 2004 jetzt zur Staatsaffäre macht. Meischberger gab wörtlich zu Protokoll: „Befragt zu der in meinen sichergestellten Unterlagen befindlichen Rechnung des ‚Sainte Anne Resort & Spa, Seychelles‘ vom 27.4.2004 für ‚Stay Mr. And Mrs. GRASSER/CORALEZ DIES‘ (sic!) zwischen 5. April und 11. April 2004 über Euro 4.600,– an meine ZehnVierzig Werbe GmbH, welche diesen Betrag am 6.5.2004 beglich: Es kann sein, dass ich mit diesem Resort ein Gegengeschäft gehabt habe. Wahrscheinlich hat das Seitenblicke Magazin Werbung für dieses Resort gemacht. Ein oder zwei der aus meinem Reisepass ersichtlichen Mauritius-Reisen sind ebenfalls solche Gegengeschäfte.“

In anderen Worten:
Gerade einmal acht Wochen bevor die Immofinanz um nicht ganz eine Milliarde Euro den Zuschlag für die Buwog erhielt, reiste Grasser, als Finanzminister für die Privatisierung zuständig, auf die Seychellen – und das auf Rechnung jenes Mannes, der zum damaligen Zeitpunkt für die Immofinanz lobbyierte.

Grasser hat stets beteuert, er habe ein „supersauberes“ Gewissen, die Buwog-Privatisierung sei „mustergültig“ abgewickelt worden. Dass er gleichsam unmittelbar vor dem Zuschlag von einem der Lobbyisten mit einer Luxusreise auf die Seychellen bedacht wurde, hat Grasser bisher wohlweislich verschwiegen. Warum wohl?

Gegengeschäft?
 Bei seinen weiteren Ausführungen verstrickte sich Meischberger in bemerkenswerte Widersprüche. „Ich glaube, dass ich mir vom GRASSER das Geld geholt habe. Ich bin sogar sicher. Er wird es mir bar gegeben haben oder hat es mir überwiesen … Befragt, wie ich die Bezahlung durch GRASSER nachweisen kann: Ich weiß nicht mehr, ob er es mir bar gegeben hat. Es kann sein, dass es im vorliegenden Fall nur eine Aufzahlung war und der Rest des Preises auf Gegengeschäftsbasis war.

Vielleicht habe ich einen ­billigeren Preis bekommen, und es ist deshalb
in den Unterlagen nicht von einem Voucher die Rede. Es kann sein, dass meine Lebensgefährtin … das damals mit Natalia CORRALES DIES (sic!) vereinbart hat und ich dann dort für ein besonderes Arrangement angerufen habe.“

In der Nachbetrachtung spielen die Umstände streng genommen gar keine Rolle. Tatsache ist: Karl-Heinz Grasser hat sich als Finanzminister der Republik Österreich von einem Lobbyisten eine private Luxusreise zum Freundschaftspreis sponsern lassen und daraus einen geldwerten Vorteil gezogen. profil hat Grassers Anwalt, den erfahrenen Strafverteidiger Manfred Ainedter, damit konfrontiert. Dieser sagt: „Mein Mandant hat den damaligen Urlaub zur Gänze bezahlt. Meischberger hat diesen lediglich gebucht, weil er Sonderkonditionen in diesem Resort hatte. Im Übrigen bin ich empört darüber, dass Medien Akteneinsicht nehmen können, aber nicht die Beschuldigten.“

Wie selbstverständlich die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger sich im Windschatten des Ministers (Amtszeit: Februar 2000 bis Jänner 2007) bewegten, verdeutlichen die umfangreichen Buwog-Einvernahmeprotokolle, die profil vorliegen. Bei zumindest zwei Konzernen im Einflussbereich des Finanzministeriums standen Meischberger und Hochegger als Berater auf der Payroll: die Telekom Aus­tria auf der einen Seite, die Österreichische Post auf der anderen.

In den Jahren nach 2004 – die Grasser unterstellte Verstaatlichtenholding ÖIAG war bei Telekom und Post damals bestimmender Aktionär und ist es bis heute – dürften Meischberger und Hochegger aus diversen „Beratungsaufträgen“ für Telekom und Post Honorare von annähernd einer Million Euro eingestreift haben. Das Gros entfiel dabei auf die Telekom Austria. Laut Gerichtsunterlagen sollen die Lobbyisten von dieser noch bis ins Jahr 2008 hinein insgesamt rund 800.000 Euro kassiert haben, von der Post könnten noch einmal 160.000 Euro gekommen sein. Wofür genau, ist nicht ganz klar. Auch deshalb, weil die entsprechenden Verträge entweder nie existierten oder heute nicht mehr auffindbar sind. Bei seiner Einvernahme am 10. November 2009 sagte Meischberger vor der Staatsanwaltschaft aus: „Befragt zu den Rechnungen der 1040 (Meischbergers Agentur, Anm.) an die Valora AG (ein Hochegger-Vehikel, Anm.) … mit einem Betrag von monatlich Euro 12.000 betreffend ‚Lobbyingmaßnahme im Telekombereich‘ für Jänner 2006 bis September 2008: Es handelt sich dabei genauso um einen laufenden Vertrag zwischen der ZehnVierzig und Valora AG mit einem Gesamtbetrag von jährlich Euro 140.000,–. Die Valora wiederum stand in einem Vertragsverhältnis mit der Telekom Aus­tria. Es gibt keinen schriftlichen Vertrag zwischen Valora und 1040. Ich bin überzeugt, dass die Valora einen schriftlichen Vertrag mit der Telekom hat. HOCHEGGER hat diesen Vertrag immer jährlich neu verhandelt. HOCHEGGER hat ein paar Jahre die Telekom Austria gehabt.

Ich weiß nicht, mit wem er verhandelt.
Er hat sich mich als Teil des Beratungsteams genommen. Befragt, welche Leistungen ich HOCHEGGER erbrachte: Ich habe immer an HOCHEGGER geliefert, ich war aber auch bei vielen Gesprächen mit Vorständen der Telekom dabei und habe mich je nach Thema eingebracht und beratend gewirkt … Ein großes Problem in der Telekom ist das Beamtenproblem. Ich habe auf der politischen Seite herausgehört, was diesbezüglich möglich ist. Ich war persönlich bei einigen Parlamentariern, deren Namen ich nicht nennen will. Ich war immer wieder im FPÖ- und BZÖ-Klub und habe im BMF (Finanzministerium, Anm.) lnformationen geholt und auch dorthin gebracht.“

Bestanbieter.
Auch Hochegger wurde von der Justiz dazu einvernommen. Am 3. November 2009 sagte er aus: „Die Telekom war immer zufrieden mit den von Meischberger erbrachten Leistungen. Die Valora ihrerseits hat Honorare an die Telekom verrechnet und damit diese monatlichen Zahlungen an Meischberger verdient … Befragt, ob es zu dieser Verrechnung einen schriftlichen Vertrag gibt: Nein.“

Selbst Aufträge mit Honoraren von einprägsamer Höhe vermögen die Lobbyisten heute nicht mehr eindeutig zuzuordnen. „Befragt zum Leistungshintergrund der Rechnung 24/2005 vom 28.12.2005 über Euro 400.000 an die Telekom Austria“, gab Hochegger weiters zu Protokoll: „Es ging um ein Großprojekt, das von der Telekom Austria Business Solutions verfolgt wurde. Das Auftragsvolumen lag, soweit ich mich erinnere, bei 20–30 Millionen Euro. Das Ziel meiner Tätigkeit war, die Telekom Austria als den Bestanbieter zu positionieren. Operativ wurde die Leistung von mir erbracht … Ich kann jetzt nicht sagen, ob auch Meischberger daran mitgearbeitet hat.“

In der Telekom Austria zeigt man sich auf profil-Anfrage verwundert: „Niemand im derzeitigen Vorstand weiß über diese Rechnungen Bescheid“, sagt Konzernsprecher Martin Bredl. Und mehr noch: „Uns ist nicht bekannt, dass Walter Meischberger jemals für die Telekom Austria tätig war.“

Im Mai 2006 brachte Karl-Heinz Grasser die Österreichische Post AG an die Börse. Abermals mit von der Partie: Hochegger und Meischberger. Oder wie Meischberger dem Staatsanwalt erzählte: „Befragt zur Rechnung der ZehnVierzig an die Valora AG vom 5.10.2006 in Höhe von Euro 127.999,20 für ‚Lobbyingmaßnahmen und Beratungen im Zuge der Privatisierung der Post AG‘: Befragt, wie diese Summe konkret entstanden ist, kann ich nur sagen, dass ich das momentan nicht weiß.“ Auch zu einer zweiten Rechnung, ausgestellt wenige Monate später, wollte Meischberger so gar nichts Erhellendes einfallen: „Befragt zur Rechnung der ZehnVierzig an die Valora AG vom 31.1.2007 in Höhe von Euro 32.000,40,– für ‚Lobbyingmaßnahmen und Beratungen im Zuge der Privatisierung der Post AG‘: Ich weiß auch in diesem Fall nicht, ­warum man genau auf diesen Betrag gekommen ist. Dazu müsste ich vielleicht etwas nachrechnen.“

Von der österreichischen Post AG kam bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme. Die Lobbyisten sollen ihre Expertise darüber hinaus auch dem einst FPÖ-regierten Infrastrukturministerium angedient haben. Erst vergangene Woche hat die SPÖ-Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gerichtet. Darin heißt es: „Ist Ihnen bekannt, dass den Ermittlern womöglich Aussagen vorliegen, welche darauf schließen lassen würden, dass die in der Buwog-Causa Beschuldigten Grasser, Hochegger, Meischberger und Plech bereits im Jahr 2000 begonnen hätten, ein Provisionsnetzwerk bei Auftragsvergaben und Beschaffungsaufträgen des Bundes aufzuziehen?“

Anfrage.
Steßl-Mühlbacher bezieht sich offenbar auf eine Zeugenaussage von Willibald Berner, im Jahr 2000 Kabinettschef des damaligen FPÖ-Infrastrukturministers Michael Schmid. Berner hat nach profil vorliegenden Informationen im Oktober des Vorjahres der Staatsanwaltschaft Wien von einem unmoralischen Angebot durch Hoch­egger berichtet. Bei einem Meeting im Hotel Imperial im Jahr 2000 soll der Lobbyist Berner offen auf gemeinsame Geschäfte angesprochen haben.

Hochegger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Auftrag des Infrastrukturministeriums in der ­Tasche: Er zeichnete für die ­„begleitende Kommunikation bei Ausschreibung und Vergabe“ der so genannten UMTS-Frequenzen im Mobilfunkbereich durch das Ministerium verantwortlich. Oder wie es Hochegger gegenüber der Justiz formulierte: „Ich habe eine Studie gemacht, an die ich mich nicht erinnern kann, weil es so lange her ist. Das Honorar lag im Bereich zwischen 75.000 und 150.000 ATS.“

Nach Berners Erinnerung schlug Hochegger bei dem Treffen im Wiener Imperial vor, man könnte nicht nur am bevorstehenden Verkauf dieser UMTS-Lizenzen mitverdienen – sondern überhaupt bei jeder künftigen Anschaffung und Vergabe im Verantwortungsbereich damaliger FPÖ-Minister. Laut Berner soll der Lobbyist auch gleich eine Skizze mitgeliefert haben, wie die Provisionen über eine Liechtensteiner Briefkastengesellschaft zur Verteilung an Grasser und seine Vertrauten kommen sollten.

Hochegger lieferte der Justiz darauf angesprochen am 3. November eine erstaunliche Erklärung: „Mir wird nun die Aussage von Willibald Berner vorgehalten, wonach ich im Jahr 2000 bei der Versteigerung der UMTS-Frequenzen durch das BMVIT (Infrastrukturministerium, Anm.) ihm den Vorschlag gemacht haben soll, Gelder auf Konten einer Liechtensteiner Gesellschaft zu veruntreuen … Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mein Konstrukt ist. Ich will überhaupt nichts ausschließen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich solche Gedankenspiele gemacht habe … Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit Grasser über so ein Thema gesprochen zu haben. Er hätte mich hochkantig bei der Tür hinausgeworfen.“

Man könnte fast meinen, die Herren Hochegger, Meischberger und Grasser – der übrigens bis heute nicht einvernommen wurde – hätten hier zu einer ­gemeinsamen Sprachregelung gefunden. Wie sagte Walter Meischberger dem Staatsanwalt so schön: „Dieser (Grasser, Anm.) ist einer meiner besten Freunde, das hoffe ich noch … Ich glaube, dass er mich hinausgeschmissen hätte, wenn er von meiner Lobbyingtätigkeit (für die Buwog, Anm.) gewusst hätte.“

Grasser selbst hatte ja schon unmittelbar nach Auffliegen der Affäre Anfang Oktober vergangenen Jahres die Losung ausgegeben: „Dieser Auftrag ist hinter meinem Rücken zustande gekommen, und beide Herren, sowohl Meischberger als auch Hochegger, wissen, dass ich sie hochkant aus dem Büro geschmissen hätte, wenn ich so etwas gewusst hätte.“