Die Wiedervereinigung des rechten Lagers

Die Wiedervereinigung des rechten Lagers: Risiko oder Chance auf Platz 1?

Risiko oder Chance auf Platz 1?

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Fast wäre der Coup an einem Selbstfaller knapp vor dem Abschluss gescheitert. Am 14. Oktober hatte im BZÖ-Hauptquartier in der Wiener Doblhoffgasse beim Parlament der Bundesparteivorstand der rechten Kleinpartei getagt. Dabei wurde weniger über die Tagesordnung als über das jüngste Gerücht debattiert. Uwe Scheuch, Obmann des Kärntner BZÖ, leugnete listenreich: Meldungen der Austria Presse Agentur, er führe geheime Fusionsverhandlungen mit der FPÖ, seien Humbug. Er habe schon die Suspendierung des verantwortlichen Kärntner APA-Redakteurs gefordert. Als Unschuldsbeweis bot Scheuch sein Handy zur allgemeinen Überprüfung an: Man würde im Speicher keine verdächtigen Namen finden.
Der steirischen Abgeordneten Martina Schenk, 37, kam eine Nummer auf dem Display bekannt vor. Vor ihrem Wechsel zum BZÖ im Jahr 2008 hatte Schenk hauptberuflich die Geschäfte der FPÖ geführt und diese Nummer oft gewählt, wenn sie ihren Chef Heinz-Christian Strache sprechen wollte. Erst nach der Sitzung informierte Schenk – freilich folgenlos – ihre Parteifreunde.
Zwei Monate später, ver­gangenen Mittwoch, saß Uwe Scheuch bestens gelaunt neben FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im FPÖ-Parlamentsklub und verkündete den Anschluss des Kärntner BZÖ an die Freiheitlichen: „Es soll zusammen sein, was zusammengehört.“ Oder in Straches Worten: „Die freiheitliche Seele ist komplett.“ Danach wurde im Büro des FPÖ-Chefs mit Bier auf den Coup angestoßen.

Der Anschluss bringt Strache vier Mandate mehr und die Aussicht, bei den kommenden Wahlen SPÖ und ÖVP ernsthaft zu fordern. Laut einer ersten profil-Umfrage steht das neue Bündnis derzeit bei 23 Prozent.

Adrenalin. Der Adrenalinkick, das BZÖ zu eliminieren und die FPÖ zu vereinen, schien stärker gewesen zu sein als naheliegende taktische Überlegungen. Denn mit der Fusion importierte Strache auch das Kärntner Hypo-Desaster. Wenn in den kommenden Monaten die Einzelheiten der BZÖ-Beteiligung an der Bankenpleite durchsickern, werde Strache dann mitten im Wiener Landtagswahlkampf mögliche Fehltritte der neuen Partner verteidigen müssen, meinen FP-interne Skeptiker der neuen Allianz.
Kein Problem, gibt man sich im Strache-Lager gelassen: Die Affäre um die Kärntner Landesbank belaste alle Parteien.

Scheuchs Annäherungsversuche an Strache begannen Ende Juli am Wörthersee. Österreichs Klatsch-Prominenz traf sich damals beim Beachvolleyball-Grand-Slam im Strandbad Klagenfurt. Ein Video-Gustostückerl des Society-Reporters Dominik Heinzl zeigte Heinz-Christian Strache und Gerhard Dörfler beim verbalen Schlagabtausch im VIP-Bereich. In beschwingter Stimmung erklärte der Kärntner BZÖ-Landeshauptmann dem verdutzten FPÖ-Chef, dass er in Wien eher den SPÖ-Kandidaten Michael Häupl als den radikalen Freiheitlichen wählen würde. Was Dörfler entging: Am Rande des Turniers kam es zu einem diskreten Gespräch zwischen Heinz-Christian Strache und Uwe Scheuch – beide 40 und trotz ihres Alters erfahrene Rechtsaußen-Politiker, beide groß geworden unter Jörg Haider. Er würde gern einmal in Ruhe mit Strache sprechen, so Scheuch. Der FPÖ-Chef willigte ein.

Schon wenige Wochen nach dem Abtasten in Klagenfurt besuchte Scheuch Strache in dessen Büro im Wiener Parlament. Scheuch schüttete sein Herz aus: Das Bundes-BZÖ in Wien sei eine Veranstaltung von Egomanen, die nur das eigene Fortkommen im Sinn hätten. Inhaltlich würde sich die Nationalratsfraktion von der Kärntner Landesgruppe immer weiter entfernen. Das BZÖ habe so keine Zukunft.

Laut profil-Informationen gab es drei weitere Treffen von Strache und Scheuch in Wien. Thema sei dabei auch die Machtverteilung im Falle eines Regierungseintritts der FPÖ gewesen. Demnach wäre ein blaues Ministeramt für die Kärntner reserviert. Um die Vertraulichkeit sicherzustellen, fanden die konspirativen Zusammenkünfte auf neutralem Boden in Privatwohnungen statt. Mit dabei stets zwei Sekundanten. Der Kärntner Finanzlandesrat Harald Dobernig assistierte Scheuch. An Straches Seite: Herbert Kickl, ein gebürtiger Villacher. Der 41-jährige FPÖ-Generalsekretär, einst Gag-Schreiber für Jörg Haider, war einer der Architekten der blau-orangen Wiedervereinigung. Als Zeitpunkt für das Closing des ­Politdeals war immer die Woche vor Weihnachten vorgesehen. Das Hypo-Debakel ­änderte am Timing nichts, zu groß war die Angst, die Verschwörung könnte im letzten Moment aufgedeckt und vereitelt werden. Dem Kärntner BZÖ war der Coup als Ablenkung vom Bankenfiasko terminlich durchaus recht.

Am zweiten Dezember-Wochenende weihten Uwe Scheuch und sein Bruder Kurt ausgewählte BZÖ-Funktionäre bei einer vertraulichen Zusammenkunft an ihrem Familiensitz, dem „Sternhof“ im Mölltal, vorab ein. Nicht dabei und auch nicht vorinformiert: Landeshauptmann Gerhard Dörfler, der zu dieser Stunde bei der Hypo-Krisensitzung im Wiener Finanzministerium saß.

Täuschungsmanöver. Für Mittwochvormittag setzte Scheuch eine Vorstandssitzung des Kärntner BZÖ in Klagenfurt an. Offizieller Programmpunkt: Nominierung eines Kandidaten für die Bundespräsidentenwahlen. Tatsächlich informierte Scheuch seine Funktionäre von der beabsichtigten Kooperation mit der FPÖ. Die anwesenden BZÖ-Bundesfunktionäre Martin Strutz und Manfred Stromberger verschwiegen ihrem Parteichef in Wien, Josef Bucher, die dramatischen ­Pläne.

Aber nicht nur Bucher, auch die Basis wurde vom neuerlichen Revirement im dritten Lager am falschen Fuß erwischt. Die politische Rechte verwirrt ihre Anhänger ja bereits seit vielen Jahren. 1996 etwa gefiel es Jörg Haider, die FPÖ in „F“ umzubenennen. Keine Partei, sondern eine Bewegung sollten die Freiheitlichen sein. Nachdem sich die „F“ dank Wolfgang Schüssel in die Regierung bewegt hatte, kam schrittweise wieder das Kürzel FPÖ auf, bevor Haider und die Seinen 2005 in ein BZÖ abmarschierten. Das BZÖ wird jetzt in Kärnten zur FPK, die mit der FPÖ kooperiert. Bundes-BZÖ und Kärnten-FPÖ bleiben zurück.

Auch die entsprechenden Frontbegradigungen sind nach der Strache/Scheuch-Rochade reichlich unübersichtlich: In Kärnten etwa griff bisher das regierende BZÖ die kleine Landes-FPÖ an. Jetzt heißt die Regierungspartei FP Kärnten und greift das Rest-BZÖ an. Die Kärntner Landes-FPÖ ist gegen die Fusion und kritisiert die Bundes-FPÖ, die FP Kärnten und – wie bisher – das BZÖ. BZÖ-Wortführer Ewald Stadler attackiert die FPÖ, aber auch das bisherige BZÖ Kärnten, das jetzt die FP Kärnten ist. Bis 2008 war Stadler bei der FPÖ und hatte das Gesamt-BZÖ zum Feind, das nun seine Partei ist. Straches Gegner war bisher das BZÖ Kärnten, das er gemeinsam mit der Landes-FPÖ bekämpfte. Jetzt ist das zur FP mutierte Kärnten-BZÖ Straches Verbündeter beim Abdrehen der Landes-FPÖ.

Alles klar?
Weltanschaulich handelt es sich beim Strache/Scheuch-Coup wieder einmal um die Niederschlagung des zaghaften Versuchs, liberale Traditionen des dritten Lagers zu beleben – ein stets gescheitertes Projekt. 1983 versuchte es Norbert Steger in der Koalition mit der SPÖ. Drei Jahre später intrigierte ihn Jörg Haider ins Abseits und setzte sich beim Innsbrucker Parteitag an die Parteispitze. 1993 trat Heide Schmidt mit vier weiteren Abgeordneten aus der FPÖ aus und gründete eine eigene Fraktion, das Liberale ­Forum. 1999 schaffte es das LIF nicht mehr ins Parlament. Nach dem Regierungseintritt im Februar 2000 versuchte die blaue Regierungsfraktion um Susanne Riess-Passer einen liberaleren Kurs. Im September 2002 putschte sie Haider in Knittelfeld weg. Damals waren die wichtigsten Akteure von heute an seiner Seite: H. C. Strache, Uwe und Kurt Scheuch, Ewald Stadler, Andreas Mölzer. Vor wenigen Wochen kündigte nun BZÖ-Bundesobmann Josef Bucher an, seiner Partei ein wirtschaftsliberales Profil geben zu wollen – ein recht wackeliges Projekt: Immerhin sitzen im BZÖ antiliberale Knittelfelder Putschisten wie Ewald Stadler an führenden Positionen.

Holz-Brüder. H. C. Strache und Uwe Scheuch, die Exponenten der neuen Allianz, passen hingegen weltanschaulich famos zusammen. Der ehedem rechtsradikale Wehrsportler Strache („Es war nur Paintball“) und der Enkel des Kärntner NS-Bauernführers Robert Scheuch, Uwe („Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, was in den dreißiger und vierziger Jahren geschehen ist“), sind ideologisch aus demselben Holz geschnitzt. Hetzt Strache gegen die Ausländerflut, tritt Scheuch dafür ein, Asylwerber auf der entlegenen Saualm zu kasernieren.

Strache warb mit dem Simpel-Slogan „Pummerin statt Muezzin“, Scheuch änderte als zuständiger Landesrat die Kärntner Bauordnung so, dass der Bau von Minaretten de facto verboten ist. Strache ist dafür, ausländische Arbeitnehmer von bestimmten Sozialleistungen auszuschließen, Scheuchs Kärntner Regierungspartei FPK (vormals BZÖ) verteilt ihre Teuerungsausgleichs-Hunderter und ihre Führerschein-Tausender nur an „echte Kärntner“.

„Sozialchauvinismus“ nannte das der Wiener Sozialforscher Ernst Gehmacher schon Anfang der neunziger Jahre. Der erst spät eingeweihte Landeshauptmann Gerhard Dörfler könnte das erste politische Opfer der neuen Allianz sein. Trotz allgemeiner Dementis dürfte der tollpatschige Landeschef in den kommenden Monaten aus dem Amt gemobbt und vom ehrgeizigen Scheuch abgelöst werden. Bei einer Aussprache im Oktober machte Scheuch gegenüber Bündnis-Obmann Josef Bucher nach dessen Erinnerung entsprechende Andeutungen: „Scheuch hat gesagt, er müsse an seine Zukunft denken – denn er habe keine Lust, zwölf Jahre lang Landeshauptmann-Stellvertreter zu bleiben.“

Verunsicherte Basis. Die nun wieder eingeblauten Kärntner BZÖ-Kleinfunktionäre reagierten Donnerstagabend bei einer Versammlung in Pörtschach nicht mit ungeteilter Freude. Der frühere Vizekanzler Herbert Haupt, Obmann des BZÖ Spittal/Drau: „Teile der Basis wollen nicht mitziehen. Das ist klar. Nach einer Scheidung kann man nicht sofort wieder das gemeinsame Haus beziehen.“ Haupt trieben schon vor 18 Monaten Wiedervereinigungsfantasien: „Der frühere FPÖ-Obmann Norbert Steger und ich haben unsere Kontakte genützt und Verbindungen zwischen FPÖ und BZÖ geknüpft.“ So sei etwa eine gemeinsame Kandidatur bei der Europawahl als Pilotprojekt vereinbart gewesen, aber am Tod Jörg Haiders gescheitert.

Die Verschwörung verlief pannenreich, wie sich jetzt herausstellt. Vor allem Uwe Scheuchs Regieleistung war eher blamabel. Der Plan, aus dem BZÖ fünf Kärntner Abgeordnete für die Gründung eines eigenen Klubs der Freiheitlichen Partei Kärnten zu lösen, ging schief – trotz massiven Drucks der Gebrüder Scheuch auf die Mandatare. Josef Buchers drastische Schilderung der Anwerbungsversuche in einem „Standard“-Interview: „Die Stiefel hätten noch dazugepasst, dann wäre die Gestapo-Szenerie perfekt gewesen.“ Dem 32-jährigen Abgeordneten Stefan Markowitz wurde gedroht, er könne mit keinen Aufträgen für seine Event­agentur mehr rechnen, sollte er sich nicht dem neuen Parlamentsklub anschließen. BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner wurde ein Posten im Landtag in Aussicht gestellt, Bucher gar ein Ministeramt. Alle drei verweigerten. Die vier Sezessionisten um den früheren BZÖ-Generalsekretär Strutz dürften vorerst „wilde Abgeordnete“ bleiben, aber in ein paar Monaten formal dem FPÖ-Klub beitreten.

Auch rechtliche Komplikationen hat Scheuch unterschätzt. Die Statuten des nunmehr blauen BZÖ Kärnten, formal eine ­eigene Partei, lassen einen Anschluss an die FPÖ nicht ohne Weiteres zu. Unter Umständen muss erst ein eigener Landesparteitag Scheuchs Plan absegnen – eine willkommene Gelegenheit für interne Unruhestifter und Fusionsgegner. Das Bundes-BZÖ ­rüstet sich jedenfalls juristisch. Der orange Parteianwalt will allfällige Schadenersatz­ansprüche geltend machen.

Das Schicksal des Rest-BZÖ scheint dennoch besiegelt. In der dieswöchigen profil-Umfrage liegt die Partei nur noch bei zwei Prozent. Nach der nächsten Nationalratswahl im Jahr 2013 ist die Partei mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr im Parlament. Aber selbst wenn das BZÖ in Österreich nur noch ein Thema für Zeithistoriker ist, wird fern der Heimat immer noch ein Mann die orangen Fahnen hochhalten: Der designierte BZÖ-Europaabgeordnete Ewald Stadler bleibt bis zur nächsten Europawahl im Amt – und die findet erst im Jahr 2014 statt.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.