Ex-Spitzenbeamter belastet Grasser

Ex-Spitzenbeamter packt aus: Buwog- Verkauf soll manipuliert gewesen sein

Buwog-Verkauf soll manipuliert gewesen sein

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Es brauchte nicht viel, um dieses Geschäft auf Schiene zu bringen. Eine Hand voll Vertraute an den richtigen Stellen, eine willfährige Investmentbank, einen paktfähigen Käufer, vor allem aber ein Gespür für Inszenierung.

Zusammen ergaben diese Ingredienzen die größte Immobilienprivatisierung der Zweiten Republik. Vor mittlerweile fünf Jahren wechselten rund 62.000 Bundeswohnungen, bekannt unter dem Akronym Buwog, für annähernd eine Milliarde Euro den Besitzer. Ein Konsortium um die Immo­finanz-Gruppe setzte sich am Ende eines annähernd einjährigen Verkaufsverfahrens gegen den Mitbewerber CA Immobilien AG durch. Mit hauchdünnem Vorsprung. Der vom damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser durchgezogene Deal wurde vom ersten Tag an von der Opposition zerpflückt. Auch der Rechnungshof beanstandete später erhebliche Versäumnisse. Echte Verfehlungen, geschweige denn Unregelmäßigkeiten, waren freilich nicht nachzuweisen.

Bis vor Kurzem. Im Zuge der Aufarbeitung des Immo­finanz-Skandals wurde den Ermittlern bei einer Einvernahme des mitbeschuldigten Managers Christian Thornton Überraschendes aufgetischt: Demnach hätten zwei Grasser-Freunde, der PR-Berater Peter Hochegger sowie der Lobbyist und FPÖ-Bundesgeschäftsführer a. D. Walter Meischberger, vom früheren Immofinanz-Chef Karl Petrikovics für ihre „Beratungsdienste“ 9,6 Millionen Euro überwiesen bekommen. Das Honorar floss unversteuert über einen zypriotischen Briefkasten Richtung Liechtenstein. Die Zahlungsflüsse haben zwischenzeitlich Finanz und Justiz auf den Plan gerufen.

Karl-Heinz Grasser will von all dem erst aus der Zeitung erfahren haben. Auch der Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech, heute Grassers Geschäftspartner, mimt – auf die jüngsten Entwicklungen angesprochen – den Überrumpelten. Das ist seltsam, war doch der eine damals Finanzminister und also Buwog-Eigentümervertreter und der andere Präsident des Buwog-Aufsichtsrats. Mit anderen Worten: Grasser und Plech waren die Herren des Verfahrens.

profil liegt exklusiv die umfangreiche Aussage eines ehemaligen Spitzenbeamten im Finanzministerium vor, die Grasser und Plech schwer belastet. Der heute 49-jährige Kärntner war im Jahr 2000 von Grasser selbst ins Kabinett geholt und dort unter anderem mit Budgetfragen betraut worden. Er war es auch, der dem Minister nach eige­nem Bekunden den Vorschlag zur Buwog-Privatisierung gemacht und ab 2001 den Verkauf legistisch vorbereitet hatte. Sein Name ist profil bekannt, wird zum Schutz seiner Privatsphäre aber nicht genannt.

Die Aussage. Der Informant sagt unumwunden: „Das war ein abgekartetes Spiel.“ Schon im Jahr 2002, also gut ein Jahr bevor das Buwog-Paket überhaupt zum Verkauf ausgeschrieben wurde, sei festgestanden, „wohin die Reise gehen würde“. Und zwar in Richtung Immofinanz. Mehr noch: Auch der Name Walter Meischberger sei – entgegen dessen heutiger Verantwortung – damals bereits im Spiel gewesen. Im Sinne der Authentizität gibt profil die wesentlichen Passagen der am Donnerstag vergangener Woche in den Redaktionsräumlichkeiten protokollierten Aussage wieder: „Ich war von Anfang an dabei. Ein, zwei Monate nachdem Karl-Heinz Finanzminister geworden ist, bin ich ins Ministerium gekommen.

Wir wollten etwas verändern, eine neue Politik machen. Ich bin zum Minister gegangen und habe gesagt: ,Karl-Heinz, ich habe eine Idee. Wir könnten die gemeinnützigen Wohnungen verkaufen.‘ Er hat die Idee bald als gut empfunden. Dann habe ich das Projekt auf Schiene gebracht. Wir haben eine Bestandsaufnahme gemacht: Wie viele Wohnungen gibt es, wie kann man einen möglichst hohen Ertrag erwirtschaften? Karl-Heinz hat gesagt, ich soll mit dem Plech reden, weil sich der bei Immobilien gut auskennt. (Plech war 2000 von Grasser an die Spitze des Buwog-Aufsichtsrats gesetzt worden, Anm.) Karl-Heinz hat gesagt, ich soll ihn integrieren. Der Plech mag sich vielleicht auf dem Wiener Immobilienmarkt gut auskennen, international ist das aber eine ganz andere Dimension. Dem Plech hat das voll getaugt. Er war Feuer und Flamme. Ich hatte aber Zweifel, ob er das Format für so ein Projekt hat. Deswegen habe ich Karl-Heinz auch gesagt, dass wir Profis brauchen.“

Anfang 2002 wurde eine elfköpfige Vergabekommission im Finanzministerium gebildet, die mit der Auswahl eines Investmenthauses den ersten wesentlichen Schritt zur Privatisierung setzen sollte: fünf Bundesbeamte, drei externe Juristen, zwei Geschäftsführer der zu veräußernden Wohnbaugesellschaften – und eben Ernst Karl Plech als Sachverständiger. „Ich habe bald den Eindruck gewonnen, dass es da Eigeninteressen gibt. Das Verhältnis zwischen Plech und dem Minister ist immer enger geworden. Der Minister hat dann eigentlich nur noch über Plech mit mir kommuniziert. Das war schon ungewöhnlich. Vorher hatten wir ­direkten Kontakt. Plötzlich ist der gesamte Kommunikationsfluss zu dem Thema nur noch über Plech gelaufen. Plech hat immer mehr die ­Fäden gezogen.“

Im Frühjahr 2002 standen Angebote von fünf Investmentbanken in der engeren Auswahl: Salomon Brothers, Rothschild, Creditanstalt Investmentbank (CA IB), JP Morgan und Lehman Brothers. „Es hat regelmäßige Meetings der Vergabekommission gegeben. Da haben wir sehr sachlich diskutiert, um den Prozess gut aufzu­setzen. Am Anfang war ich vollkommen überzeugt, dass es um die Sache geht und um die Maximierung des Ertrags. Je mehr die Kommunikation über Plech gelaufen ist, desto eigenartiger ist das Ganze geworden. Es ist eine Shortlist erstellt worden. Das habe ich alles als total normal empfunden. Die Großen können das alle. In der Shortlist hätte das jeder machen können. Die Kriterien sind eine Art grobes Sieb. Am Schluss waren noch zwei übrig. Der Preis ist ja nur ein Kriterium. Die Bewertung ist innerhalb einer gewissen Bandbreite subjektiv. Es war Kopf an Kopf.“

Die Intervention. Tatsächlich waren bei der entscheidenden Sitzung der Vergabekommission Mitte September 2002 nur noch zwei Häuser im Rennen: CA IB und Lehman Brothers. Wie profil bereits 2003 enthüllte (Ausgabe Nr. 48/03), war das Offert der Bank-Austria-Tochter um gut ein Drittel günstiger als jenes der 2008 spektakulär kollabierten US-Investmentbank, trotzdem ging der lukrative Auftrag an Lehman ­Brothers.

„Zwei Minuten bevor wir zur Kommission reingegangen sind, hat Plech auf einem Gang des Finanzministeriums zu mir gesagt: ,Der Minister will, dass es Lehman wird.‘ Darauf war ich nicht vorbereitet. Alle waren schon im Sitzungsraum. Plech hat mir ausgerichtet, was der Minister will. Konkret hat er gesagt: ‚Der Minister will Lehman Brothers.‘ Plech war das Sprachrohr. Er hat mir gesagt, was der Minister will. Das Wording war immer: ‚Der Minister will.‘ Ich habe ein extremes Durchsetzungsvermögen und habe diese Dinge in den Sitzungen eingebracht. Der Minister hat ja genau gewusst, wer was kann. Das Gremium hat diskutiert. Ich habe der Kommission gesagt: Lehman würde uns ganz gut gefallen. Alle haben gewusst, ich bin die rechte Hand vom Grasser. Deswegen hatte mein Wort Gewicht. Es gibt in solchen Kommissionen immer einen Rädelsführer, und der war in dem Fall ich. Ich habe mit einem Kollegen in der Kommission deshalb zu streiten begonnen, weil der die CA IB favorisiert hat. Mir war das auch nicht angenehm, aber ich kann ja nicht zum Minister gehen und sagen, der Kollege hat mich überstimmt. Der hätte mich ja gefragt: ,Für was habe ich dich überhaupt?‘ Das wollte ich mir ersparen. Er war der Minister, und ich konnte mich nicht total gegen ihn stellen.“

Lehman Brothers sollte den Zuschlag erhalten – vereinbart war ein Honorar von rund zehn Millionen Euro. Auffallend: Als enger „Berater“ von Lehman trat damals ein gewisser Karlheinz Muhr auf, ebenfalls einer der engsten Freunde des Ministers. „Ich konnte das (Lehman Brothers, Anm.) argumentieren, und ich habe mich durchgesetzt. Die anderen haben das gar nicht mitbekommen. Ich habe zu Plech gesagt: ,Komisch ist das schon. Du gibst mir da einen Auftrag wie irgendeinem Hund.‘ Es ist dann auch zwischen mir und Plech zum Streit gekommen, weil mir das alles komisch vorgekommen ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr voll involviert war. Ich habe gespürt, dass ich nicht mehr die Fäden in der Hand hatte.“ Wenige Wochen nach dieser Sitzung kam es schließlich zu einer finalen Unterredung in einem Wiener Tennisclub.

„Ich habe mit Plech Tennis gespielt. Ich habe mich darüber aufgeregt, dass es Lehman werden musste und ich erst zwei Minuten vorher davon erfahren habe. Er hat mich gefragt: ,Bist du naiv? Wir haben den Auftrag, wer das werden wird. Es soll die Immofinanz werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die ­Immofinanz werden.‘“ Damit steht erstmals der konkrete Vorwurf der Manipulation und des Amtsmissbrauchs im Raum. Denn im Spätherbst 2002 war die Buwog offiziell noch nicht einmal zum Verkauf ausgeschrieben. Dies geschah erst im August 2003.

„Plech hat auch zu mir gesagt: ,Du lebst doch am Mond.‘ Ich habe gesagt: ,Ich zeige euch an, weil das ein abgekartetes Spiel ist.‘“ profil hat Grasser und Plech Ende vergangener Woche schriftlich mit den Manipulationsvorwürfen konfrontiert. Grasser dementierte knapp und unwirsch. „Das ist miese Verleumdung und ausgemachter Blödsinn“, so der ehemalige Finanzminister. Lehman Brothers sei der „Türöffner“ gewesen, „um gute Anbieter zu bekommen, und zwar weltweit“. Der „völlig transparente und superprofessionelle“ Vergabeprozess habe zu einer „erfolgreichen Privatisierung“ geführt. „Wenn da jemand etwas anderes zu sagen hat, kann er sich ja an den Staatsanwalt wenden.“ Mehr will Grasser zu all dem nicht sagen. Ernst Karl Plech wollte sich auf Anraten seiner Anwälte dazu gar nicht erst äußern.

Für Grasser und Plech gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Bisher gab es zum Buwog-Verkauf nur eine offizielle Version: Im September 2003 holte Lehman Brothers erstmals unverbindliche Interessenbekundungen von insgesamt 25 potenziellen Investoren aus dem In- und Ausland ein; im November waren noch 13 übrig; im Jänner 2004 reduzierte sich der Kreis auf sechs Gruppierungen, ehe schließlich am 4. Juni 2004 mit der CA Immobilien AG und dem Immofinanz-Konsortium (mit dabei auch Wiener Städtische und Raiffeisen Oberösterreich) zwei Bieter verbindliche Offerte legten. Wie der Rechnungshof später ermittelte, lag die CA Immo mit 795 Millionen Euro klar über dem Immofinanz-Gebot von 706,6 Millionen Euro (die damals bestehenden Forderungen des Bunds an die Wohngesellschaften nicht eingerechnet).

Fristlos. Und dann passierte Merkwürdiges. Statt der CA Immo AG den Zuschlag zu ­erteilen, wurde die Angebotsfrist unvermittelt um mehrere Tage verlängert, um beiden Interessenten die Möglichkeit eines „Last and Final Offer“ zu geben. Und siehe da: Am Ende lag die Immofinanz mit 830,58 Millionen um gerade einmal 1,19 Millionen Euro vor dem Mitbewerber. Diese marginale Differenz ist bei einer Transaktion dieser Größenordnung mehr als auffallend. Am 15. Juni 2004 wurde das Buwog-Paket an die Immofinanz verkauft. Abermals war eine von Grasser eingesetzte Vergabekommission am Wort. Deren handverlesene Mitglieder: die damaligen Vorstände der Verstaatlichtenholding ÖIAG, Peter Michaelis und Rainer Wieltsch, zwei Juristen und vier Beamte des Ministeriums, darunter Grassers Kabinettschef und spätere Chef der Finanzmarktaufsicht, Heinrich Traumüller.

Was genau zwischen 4. und 15. Juni 2004 vorgefallen ist, lässt sich noch nicht beantworten. Tatsache ist, dass die Immofinanz das Rennen machte. Tatsache ist auch, dass in weiterer Folge die Lobbyisten Hochegger und Meischberger fast zehn Millionen Euro Erfolgshonorar einstreiften. Wofür genau, bleibt unklar. „Nach meiner Erinnerung, das ist immerhin fünf Jahre her, haben wir von Hochegger durchaus brauchbare Informationen bekommen“, so Karl Petrikovics gegenüber profil. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass er erfolgreich für uns lobbyiert hat.“ Nach den Aussagen des ehemaligen Spitzenbeamten im Finanzministerium dürften Hochegger und Meischberger sich allerdings nicht allzu sehr verausgabt haben – stand doch die Immofinanz von Anfang an als Sieger fest.

Vor allem das Engagement von Walter Meischberger wirft immer mehr Fragen auf. Grasser beteuert gebetsmühlenartig, dass er nichts von Meischbergers Tätigkeit wusste. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Grassers Buwog-Emissär Ernst Karl Plech den Namen Meischberger schon im Herbst 2002 gegenüber dem Zeugen ins Spiel brachte: „Plech hat damals gesagt, Meischberger sei auch im Boot. Aber er hat nicht gesagt, in welcher Funktion. Damals ohne einen Beweis, ohne etwas Schriftliches war es völlig ­illusorisch, etwas gegen einen Minister zu unternehmen. Wie ich das vom Meischberger gelesen habe, hab ich mir gedacht, jetzt ist der ­richtige Zeitpunkt.“