Strategiepapier der Meinl Bank

Exklusiv: Ein Strategiepapier der Meinl Bank enthüllt Pläne zur Diffamierung von Gegnern

Pläne zur Diffamierung von Gegnern

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Dass mit Widerstand zu rechnen sein würde, müsste Markus Fussen­egger vom ersten Tag an klar gewesen sein. Dass dieser aber gleich so heftig ausfallen würde, dürfte der Wiener Staatsanwalt und Chef­ermittler im Meinl-Skandal dann doch nicht erwartet haben. Seit Wochen nun steht Fussenegger im Zentrum einer in dieser Form beispiellosen Medienkampagne der Meinl Bank. In wiederkehrenden „Presseinformationen“ werden Amtshandlungen des Anklägers regelrecht seziert – voreingenommen soll er sein, willkürlich und obendrein völlig überfordert. Mitte vergangener Woche verstieg sich die Bank gar zu der perfiden Frage, wie lange Fusseneggers Vorgesetzte all das noch „tolerieren“ wollten.

Der Staatsanwalt weiß sich in bester Gesellschaft. Ähnliches hatte sich schon der von ihm verpflichtete Meinl-Gutachter Thomas Havranek anhören müssen – ehe er am 1. Juli auf Drängen der Bank von Richterin Bettina Deutenhauser wegen angeblicher Befangenheit abberufen wurde (profil berichtete ausführlich).

Und davor waren es die so genannten Rebellen – eine Gruppe aufsässiger Investoren, denen es im Vorjahr nach wilden Auseinandersetzungen gelungen war, mit Airports ­International und Power International zwei der einst drei Meinl-Börsengesellschaften aus der unseligen Umklammerung der Meinl Bank zu lösen. Auch sie bekamen die Intensität des Meinl’schen Furors mehrfach zu spüren.

Für die Meinl Bank im Allgemeinen und Julius Meinl im Besonderen steht naturgemäß viel auf dem Spiel: Immerhin wird der Bankier verdächtigt, die 2007 aufgeflogenen Wertpapierrückkäufe bei Meinl European Land (MEL, heute Atrium European Real Estate) angeordnet und Anleger dadurch massiv geschädigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Wien wähnt Betrug und Untreue, schlimmstenfalls drohen eine Anklage und bis zu zehn Jahre Haft. Am 1. April war Meinl verhaftet und nach zwei Nächten hinter Gittern gegen eine Kaution von 100 Millionen Euro wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Er bestreitet die Vorwürfe vehement, bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Julius Meinl hat fraglos gute Gründe, für Reputation und Straffreiheit zu kämpfen. Und er hat alles, was es dazu braucht: die Zeit, das Geld, die Berater – und offensichtlich auch einen Plan.

Das Konzept. profil liegt ein 2008 verfasstes internes Strategiepapier der Meinl Bank vor, das im Zuge einer Hausdurchsuchung am 17. Februar dieses Jahres von den Behörden konfisziert wurde. Das Dokument ist eine schmucklose und obendrein ziemlich schlampig redigierte Handlungsanleitung zur systematischen Diskreditierung von Gegenspielern. Die darin angeführten „Maßnahmen“ lassen jedenfalls erahnen, wie gegebenenfalls vorgegangen werden sollte, um unbequeme Akteure in die Bredouille zu bringen: etwa durch die Erstellung von „Sündenregistern“ und „prägnanten Dossiers“, die Verbreitung selektiver Informationen über das Internet, die Versorgung von Journalisten mit „Exklusivgeschichten“ – vor allem aber durch das Einbringen von „Strafanzeigen“ respektive „anonymen Anzeigen“ gegen ausgewählte Meinl-Gegner.

Allein schon Titel und Einleitung des Elaborats lassen erahnen, in welche Richtung die Reise gehen sollte: „Strategische Inputs ‚Öffentlicher Druck auf die R‘“. Das Kürzel „R“ bezieht sich auf besagte Rebellen, welche die Meinl Bank 2008 aus lukrativen Verträgen mit Meinl Airports International (heute AI Airports International) und Meinl International Power (heute PI Power International) drängten. Bezeichnenderweise ist in dem Dokument auch kein Name ausgeschrieben, es braucht jedoch in Kenntnis der Zusammenhänge keine Fantasie, um diese klar zuzuordnen: „Durch geeignete Maßnahmen soll sich das unseriöse Agieren der R-Repräsentanten auch in einem ­unseriösen (oder noch schlechteren) Image widerspiegeln. Nachdem ‚normale‘ Geschichten von den Medien nur in sehr ungenügendem Ausmaß aufgegriffen werden, sollte nun langsam einen Schritt weitergegangen werden. Außerdem sollten vergleichsweise kleinere Skandale zu einem größeren Dossier zusammengefasst werden (‚Sündenregister‘).“

Wie genau das verstanden werden sollte, offenbart sich wenig später: „Es wurde bereits eine Recherche über das Board (hier: das im Sommer 2008 angetretene neue Direktorium von Airports International) durchgeführt, die wenig Substanzielles zu Tage gefördert hat. Es erscheint geboten, hier noch einmal nachzuhaken … Professionellen Rechercheur engagieren (wäre verfügbar) … Erarbeitung eines klar strukturierten und prägnanten Dossiers über die Aktivitäten der R.“

Doch das sollte nur ein Anfang sein. Unter dem Punkt „Empfohlene Maßnahmen“ heißt es: „Strafanzeige: Anwalt bringt namens eines Fonds … Strafanzeige gegen das Board ein. Diese Information medial als Exklusivgeschichte bringen … glaubwürdige Gründe für Strafanzeige finden … Anwalt und Fonds könnten in vergleichsweise kurzer Zeit gefunden werden (eventuell auch via Ausland) – einstweilen Vorformulierung der Strafanzeige.“

Und es kommt noch besser.
Unter dem Schlagwort „Anonyme Anzeigen“ ist vermerkt: „Verfassen von – im Zeitverlauf – mehreren anonymen Schreiben über Handlungen (Marktmanipulation, Verdacht auf Insiderhandel etc.) von Herrn P. (Anm.: der Wiener Investor Alexander Proschofsky, einer der damaligen Rebellen) an Staatsanwaltschaft und Finanzmarktaufsicht, die auch – wieder anonym – Journalisten zugespielt werden sollen. Diese anonymen Anzeigen dürfen keine Spur zu M. (Anm.: Meinl) legen, sondern müssen andere Aktivitäten zum Gegenstand haben.“

Die Meinl Bank hat die Authentizität des Dokuments auf profil-Anfrage bestätigt. „Bei dem fraglichen Papier handelt es sich um einen Strategievorschlag eines externen Beraters aus dem Jahr 2008 bezüglich der Aktivitäten der so genannten Rebellen. Die Meinl Bank hat diese Vorschläge nicht umgesetzt“, präzisiert ein Unternehmenssprecher in einer Stellungnahme. „Es ist Prinzip der Bank, offen und transparent zu kommunizieren. Daher wurde auch niemals, wie im Papier vorgeschlagen, mit anonymen oder verdeckten Anzeigen operiert; vielmehr hat die Bank offiziell und für jeden nachvollziehbar im April 2009 zwei Sachverhaltsdarstellungen im Zusammenhang mit Aktivitäten der Rebellen eingebracht und dies auch medial kommuniziert.“

Das kann man so glauben oder nicht. Es mag reiner Zufall sein, dass ab Mitte des Vorjahres tatsächlich anonyme Anzeigen bei der Justiz eingingen. Und es mag ebenso ein Zufall sein, dass einigen Leuten darüber hinaus durchaus Merkwürdiges widerfahren ist. So hatte etwa die 2008 mit lautem Getöse ans Netz gegangene Homepage www.meinl-airports-rebellen.com nicht nur nichts mit den Rebellen zu tun, sie wurde vielmehr tatkräftig von der Meinl Bank unterstützt. Über diese Webseite wurden im Jahresverlauf massenhaft Postings zu angeblich krummen Geschäften der Rebellen lanciert. Dabei hatten sich Poster wie „lord of war“, „long john silver“ oder „pelikan4001“ vor allem auf den deutschen Rebellen-Repräsentanten Wolfgang Vilsmeier eingeschossen, der damals vorübergehend die Leitung von Airports International und Power International innehatte. Eine von Vilsmeier um den Jahreswechsel 2008/2009 in Auftrag gegebene Analyse ergab freilich, dass der weitaus größte Teil der Einträge über eine einzige IP-Adresse im Ausland platziert ­wurde.

In dem Meinl-Strategiepapier wird auf ebendiese Webseite Bezug genommen: „Durch Bekanntmachung der R-Seite konnten die Zugriffe um mehrere hundert Prozent gesteigert werden. Allerdings konnte sie sich noch nicht als glaubwürdige Plattform etablieren (Hauptgrund: noch zu viel M-Spin, der in der Form eher kontraproduktiv ist …). Damit diese Plattform noch stärker Info-Drehschreibe und Multiplikator sein kann, sollte an dieser Stellschraube gedreht werden … Der Seitenbetreiber … stellt 10 Fragen an das Board via OTS ­(Anmerkung: das Originaltextservice der Austria Presse Agentur) oder noch besser via Exklusivinterview. Inhalt: Beweggründe, wie viele Anti-R gibt es mittlerweile? … Sünden­register erstellen.“

Die Recherchen. Es lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie viele dieser „Sündenregister“ und „Dossiers“ tatsächlich aufgesetzt wurden, was darin über wen stand und wie diese verwendet wurden. Fakt ist, dass es Recherchen braucht, um an entsprechende Informationen zu gelangen. Fakt ist auch, dass Vertreter der Meinl-Rebellen – und nicht nur sie – ab Mitte 2008 plötzlich gesteigertes Fremdinteresse an ihrem Privatleben registrierten. Alexander Proschofsky etwa soll in einem seiner Wiener Zinshäuser von einem angeblichen Mitarbeiter der Statistik Austria stellig gemacht worden sein. Dieser begehrte im Rahmen einer behaupteten „Erhebung“ zunächst ziemlich detaillierte Auskünfte über Proschofskys Lebensumstände – konnte aber weder einen validen Ausweis noch eine gültige Telefonnummer vorweisen. Unabhängig davon ging der Staatsanwaltschaft Wien im August des Vorjahres auch eine anonyme Anzeige gegen Proschofsky zu. Eine „erschrockene Aktionärin“ von Power International meldete der Justiz, der Wiener Investor (wörtliche Beschreibung: „an seiner Frisur gut erkennbar“) habe Teilnehmern einer kurz zuvor abgehaltenen Hauptversammlung „Gewalt“ angedroht. Die Anzeige wurde von der Justiz später verworfen. Proschofsky will sich dazu heute nicht äußern.

Wolfgang Vilsmeier wiederum soll im kleinen Kreis mehrfach beteuert haben, er werde „bespitzelt“, obendrein sollen Unbekannte sein Telefon abgehört und E-Mails abgefangen haben. Vilsmeier, auch er wollte gegenüber profil nicht Stellung nehmen, engagierte daraufhin über mehrere Monate private Personenschützer für sich und seine Familie. Es gibt naturgemäß keinen Hinweis auf eine Verwicklung der Meinl Bank. Dessen ungeachtet wird auch der im schweizerischen St. Gallen lebende Vilsmeier in dem Strategiepapier gewürdigt: „Strafanzeige gegen den Manager V. in der Schweiz. Verbreitung in Schweizer Medium (dann Transport über die Website) … Zeithorizont: Nach erfolgreicher Recherche zu V.“

Dieser bemerkenswerten Koinzidenzen nicht genug, kann mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft Wien aus eigenen Erfahrungen berichten. „Wir haben Hinweise erhalten, dass Kollege Fussenegger, aber auch andere Staatsanwälte beschattet würden“, so Gerhard Jarosch, Sprecher der Anklage­behörde. „Wir konnten das allerdings nicht verifizieren und wissen folglich auch nicht, in wessen Auftrag das geschehen sein könnte.“ Dem Vernehmen nach sollen angebliche „Schulkameraden“ von Fussenegger unter anderem hartnäckig versucht haben, dessen Privatadresse bei der Justiz zu erfragen – mit Hinweis auf eine bevorstehende ­„Maturafeier“.

Besonders übel erwischte es freilich den nunmehr rechtskräftig abberufenen Meinl-Gutachter Thomas Havranek. Dieser bekam jüngst eine Vorladung zu einer Einvernahme durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Wie profil online vor zwei Wochen enthüllte, hatten sich Unbekannte illegal Zugang zu Havraneks privatem Internet-Account verschafft und von ihm unbemerkt eine Homepage mit Nazi-Inhalten ins Netz gestellt, darunter Hakenkreuze, Fotografien von Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Nazi-Gesänge und Links zu rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland. Die Affäre flog überhaupt nur deshalb auf, weil ein „besorgter Bürger“ die Staatsanwaltschaften Innsbruck und Wiener Neustadt am 12. August in zwei gleich lautenden Sachverhaltsdarstellungen informierte. Nach vorläufigen Erkenntnissen der Ermittler wurde die Seite bereits am 3. April aufgeschaltet – just der Tag, an dem Julius Meinl aus der U-Haft entlassen wurde (Havraneks Vorgutachten hatte den Bankier überhaupt erst dahin gebracht). Die Behörden gehen mittlerweile davon aus, dass der – anonyme – Anzeiger selbst in die Sache verwickelt ist, die Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz laufen.

Die Reaktion der Meinl Bank fiel wenig überraschend sehr scharf aus: „Die Meinl Bank hält ausdrücklich und mit allem Nachdruck fest, dass die Herstellung eines Zusammenhangs dieses angeblichen Hackerangriffs mit der Meinl Bank oder ihr nahestehenden Personen falsch, völlig willkürlich und verleumderisch ist. Die Meinl Bank möchte diese Vorgangsweise der profil-Redaktion nicht weiter kommentieren, sondern ist überzeugt, dass dieser untaugliche Versuch, den Namen Meinl auf diese Weise zu diskreditieren, für sich selbst spricht.“ Analog dazu erhebt sich jetzt die Frage, wofür genau die Existenz des internen Strategiepapiers spricht.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.