Shortly bleibt shortly

Bilanz. Finazministerin Maria Fekter agiert als Euro-Krisenmanagerin wenig trittsicher

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Der Schlussapplaus zu ihrer ersten Budgetrede im Nationalrat fiel schwach aus. Nur die ÖVP-Abgeordneten applaudierten artig. Über 90 Minuten lang hatte Finanzministerin Maria Fekter am vergangenen Mittwoch vom Blatt gelesen und war nur selten vom Text abgewichen. Danach saß sie erschöpft lächelnd auf der Regierungsbank.

Unter den SPÖ-Abgeordneten machte sich rasch Unmut breit. "Sie hat geredet wie auf einer ÖVP-Veranstaltung in Attnang-Puchheim“, spottete SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. "Sie hätte das Budget als Leistung der gesamten Bundesregierung präsentieren sollen. Denn im Vergleich mit anderen EU-Staaten steht Österreich eigentlich recht gut da. Aber das hat sie nicht kommuniziert.“

Ein SPÖ-Regierungskollege warf Fekter im Gespräch mit profil verärgert "Untergriffe“ vor: "Sie hat in ihre Rede immer wieder kleine Bosheiten gegen uns verpackt. Das hat ihr Amtsvorgänger Josef Pröll nicht gemacht.“ So pries sie stolz eine jährliche "Uni-Milliarde“ an, freilich in Schilling, warb für die "Schuldenbremse“ in der Verfassung und lehnte eine Besteuerung von Reichen ab.

Dass sie die Schuldenkrise in der Eurozone nur kurz streifte, kritisierte ein ÖVP-Abgeordneter. "Die EU kam in ihrer Rede nur mit statistischen Abgaben vor. Fekter eifert gern der früheren britischen Regierungschefin Margaret Thatcher nach, hat die europäische Perspektive aber völlig außer Acht gelassen.“

Am Donnerstag zerpflückte erwartungsgemäß die Opposition Fekters Budget. "Sie richten mit diesem Weg Österreich zugrunde“, wetterte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der vor weiteren "Zahlungen an Griechenland und andere Pleitestaaten“ warnte; das wahre Ausmaß der Verschuldung werde von Fekter verheimlicht. Grünen-Chefin Eva Glawischnig kritisierte die neuerlich vertagten Strukturreformen und forderte eine Aufstockung der Mittel für Bildung und Wissenschaft. Und BZÖ-Chef Josef Bucher warf Fekter vor, bei den Ausgaben viel zu wenig gespart zu haben.

Die Finanzministerin kam auch in Leitartikeln und Berichten mehrerer Tageszeitungen nicht sehr gut weg. "Sie kann gewaltigen Unsinn reden“, hieß es respektlos in den "Oberösterreichischen Nachrichten“ unter Verweis auf Fekters umstrittene Aussage zur Verfolgung von Banken und Reichen. "Alle langfristigen Strukturmaßnahmen, die den Haushalt nachhaltig auf gesunde Beine gestellt hätten, wurden auf die lange Bank geschoben“, kritisierten die "Salzburger Nachrichten“.

Doch für diesen Reformstau - von der Verwaltung bis zu den Pensionen - ist die gesamte Regierung verantwortlich, nicht nur Maria Fekter. Zudem war der Spielraum bei der Budgetgestaltung schon wegen des Konjunktureinbruchs begrenzt. "Wir mussten nach dem neuen Haushaltsrecht, das einen strengen, mehrjährigen Finanzrahmen vorschreibt, den eingeschlagenen Sparkurs fortsetzen“, weist Harald Waiglein, Sprecher des Finanzministeriums, die Medienschelte zurück.

Ein halbes Jahr lang leitet Maria Fekter mittlerweile das Finanzressort, als erste Frau überhaupt in Österreich. Ihr Verhältnis zu ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger ist ein wenig abgekühlt, seit sie von manchen Medien schon als dessen mögliche Nachfolgerin genannt wurde. Die ehemalige Landespolitikerin und Geschäftsführerin eines Bauunternehmens samt Schotterwerk in Attnang-Puchheim hat ihren Aufstieg in der Volkspartei hart erkämpft: Staatssekretärin, Justizsprecherin, Volksanwältin, Innenministerin, nunmehr Chefin des Finanzressorts. Parallel zur neuen Aufgabe arbeitete sie an einer Imagekorrektur: Sie ist nicht mehr jene Hardlinerin, die sie im Bereich Zuwanderung oder Verbrechensbekämpfung sein musste. Als Juristin und Betriebswirtin mit einer Diplomarbeit in Steuerrecht fehlt ihr zwar solides Fachwissen in Volkswirtschaft, aber das konnte auch ihr Amtsvorgänger Josef Pröll als Agrarökonom nicht vorweisen.

So wie schon Grasser, Molterer und Pröll vertraut sie fachkundigen hohen Beamten wie dem für Budget zuständigen Sektionschef Gerhard Steger oder dem anerkannten EU-Spezialisten Thomas Wieser. Die anfänglichen Hoppalas, etwa zur Frage, wie weit österreichische Banken vom Forderungsverzicht gegenüber Griechenland betroffen wären, sind inzwischen seltener geworden. "Rein fachlich kennt sie sich inzwischen in ihrem Ressort besser aus als Josef Pröll“, meint ein Insider im Ministerium. "Pröll hat sich auf politisch wichtige Fragen konzentriert. Fekter verliert sich dagegen manchmal in Detailfragen. Da kann sie ihre Mitarbeiter durchaus quälen.“

Fekter scheut auch Konflikte mit ÖVP-Granden nicht. Als etwa Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll eine Sondersteuer für Reiche befürwortete, sprach sie despektierlich von einem "Hüftschuss“.

Im Kreis der EU-Finanzminister und der 17-köpfigen Euro-Gruppe besitzt sie inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad - nicht weil sie dort den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Luxemburgs Ressortchef Luc Frieden schon aus deren Amtszeit als Innenminister kennt, sondern weil sie mit unverblümten Aussagen rasch zum Liebling der Brüsseler Medienvertreter wurde.

"Sie ist auf dem besten Weg, in die Fußstapfen von Karl-Heinz Grasser zu treten, der auch gerne provoziert hat“, erklärt ein Korrespondent einer großen deutschen Tageszeitung. "Wenn andere EU-Kollegen lieber schweigen, weil jeder Pieps die Finanzmärkte aufschreckt, kommt sie mit ihren markigen Sprüchen immer gut an.“

Ihre manchmal etwas skurrilen Sager - "Auf Ihre Frage, was, shortly‘ heißt, sage ich Ihnen, shortly‘“ - sind auf dem Videoportal YouTube längst ein Renner. Beim informellen Finanzministertreffen im polnischen Wroclaw/Breslau verglich sie, eher ungeschickt als provokant, die Kritik an Bankern und Reichen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich. Zudem legte sie sich mit US-Finanzminister Timothy Geithner an, der aus Sorge um den Euro erstmals zum Treffen der EU-Kollegen angereist war. Er möge zuerst in den USA nach dem Rechten sehen, ehe er die Euro-Minister ermahne, kanzelte sie Geithner ab. "Die US-Politiker verlangen von uns Regelungen für Finanzmärkte, die sie selber noch gar nicht eingeführt haben“, so Fekter.

Die mediale Aufmerksamkeit bei den Tagungen mit EU-Kollegen genießt sie inzwischen. Gern gibt sie deutschen, britischen oder amerikanischen Tageszeitungen Interviews. Auch ihr Englisch ist besser geworden. Finnischen Journalisten erklärte sie bereitwillig, dass die von der finnischen Regierung durchgesetzte Pfandlösung für neue Hilfszahlungen an Griechenland viel zu teuer und daher unattraktiv sei. Dass sie damit ihre finnische Amtskollegin Jutta Urpilainen in Argumentationsnotstand brachte, störte sie nicht.

Scharmützel lieferte sie sich auch mit Europapolitikern aus den eigenen Reihen. Als etwa im vergangenen Sommer der Chef des ÖVP-Europaklubs im EU-Parlament, Othmar Karas, die geplante, geringe Erhöhung des nächsten mehrjährigen EU-Haushalts verteidigte, kritisierte Fekter ihn scharf und warf ihm vor, "null Ahnung“ von der Situation in Österreich zu haben. Seither ist das Verhältnis zu den eigenen EU-Abgeordneten angespannt. Fekter wies mehrmals an, Presseaussendungen des ÖVP-Europaklubs nicht über den Parteipressedienst auszuschicken.

"Optimierungsbedarf“ für Fekters europapolitischen Kurs erkennt der SPÖ-Delegationschef im Europaparlament, Jörg Leichtfried. "Fekter glaubt, dass die EU ähnlich wie Österreich funktioniert. Dass man hier nur etwas erreicht, wenn man Verbündete aus verschiedenen politischen Lagern gewinnt, hat sie offenbar noch nicht verstanden. Auch die starke Anlehnung an Deutschland muss Österreich nicht immer nur Vorteile bringen.“

"Seltsam“ findet Leichtfried, dass Fekter bislang keinen Kontakt zu den österreichischen EU-Abgeordneten geknüpft hat. "Die wichtigen neuen Gesetze für den Finanzmarkt entstehen hier bei den EU-Institutionen, nicht in Wien. Da wäre es doch höchste Zeit, auch einmal EU-Abgeordnete zu treffen.“ Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek kann kein Krisenmanagement bei Fekter entdecken: "So wie Fekter daheim die großkoalitionäre Stillstandsverwaltung fortsetzt, so duckt sie sich auf europäischer Ebene in den Windschatten Deutschlands und Frankreichs.“

Ein hoher österreichischer Beamter in der EU-Kommission vermisst eine strategische Ausrichtung der Europapolitik Fekters wie auch der gesamten Regierung. "Es reicht eben nicht, wenn Fekter immer betont, was sie nicht alles auf EU-Ebene verhindert hat. Es fehlen Gestaltungswille und Ziele, was Österreich als EU-Mitglied erreichen will. Als kleineres Land muss sich Österreich Verbündete suchen und sich nicht immer nur hinter Deutschland verstecken.“

Auch der ehemalige Finanzminister und heutige Unternehmer Hannes Androsch erwartet sich von Fekter mehr Aktivitäten auf EU-Ebene. "Sie sollte sich mit Kollegen aus anderen kleineren Ländern zusammentun. Man kann nicht alles Deutschland und Frankreich überlassen.“

Als Mitglied der Euro-Gruppe hat sich Fekter bisher nicht mit Lösungsvorschlägen profiliert, sondern mit der Ablehnung neuer Vorschläge. Gemeinsam mit Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sie sich gegen Eurobonds aus, also gemeinsame Anleihen der Euroländer: Diese würden Österreich höhere Zinsen für seine Staatsschulden eintragen. Griechenland müsse mehr zum Schuldenabbau unternehmen, erklärte sie gebetsmühlenartig.

Die geplante Aufstockung des Schutzschirms EFSF auf 400 Milliarden Euro unterstützt sie, aber bei der Hebelwirkung, durch die über ein Versicherungsmodell sogar bis zu 2000 oder gar 2500 Milliarden aufgebracht würden, bleibt sie skeptisch. "Es ist für mich nicht vorstellbar, dass alle Euroländer so hohe Summen absegnen werden“, erklärt sie.

Die Beteiligung privater Sektoren an neuen Hilfspaketen für Griechenland begrüßt sie inzwischen, solange diese "freiwillig und ohne Zwang“ erfolge. Aber das "Wünsch-dir-was-Paket“, das der europäische Bankenverband beim EU-Gipfeltreffen im Juli "überfallsartig“ vorgeschlagen habe, weist sie vehement zurück. Damals hätten die Banken ihre Beteiligung an einer ersten Umschuldung Griechenlands viel zu vorteilhaft dargestellt. Die Staats- und Regierungschefs hätten das Papier ohne Befassung der EU-Finanzminister abgenickt, darunter auch Bundeskanzler Werner Faymann, der sonst die Banken gerne zur Kasse bittet. "Ja, der war auch dabei“, feixt Fekter. Und gibt sich kämpferisch: "Ich möchte verhindern, dass immer nur die Steuerzahler bluten müssen.“