Eiserne Ladys

Frauen. Das Schicksal von Spitzenpolitikerinnen: Kritik an Aussehen, Stil und Stimmlage

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Wenn Finanzministerin Maria Fekter nach ihrem Role Model gefragt wird, nennt sie neuerdings Meryl Streep und begründet das damit, dass die Schauspielerin ein enorm breites Rollenspektrum aufweise und sich nicht "in ein Kastel pressen“ lasse. Für sich selbst wünsche sie sich das ebenso.

Streep ist derzeit als "Iron Lady“ im Kino zu sehen und führt vor, wie die anfangs gefürchtete Kreischstimme der langjährigen britischen Premierministerin auf sonore Stimmlage trainiert wird.

Um die Politik Margaret Thatchers geht es dabei nur am Rande, was nicht untypisch ist für die Wahrnehmung von Frauen in der Politik. Der spezielle Blick auf Frauen ist im vergangenen Jahrzehnt subtiler geworden, offener Sexismus nicht mehr en vogue. Doch "Stilkritik wird immer noch als Mittel verwendet, um die Führungsstärke von Frauen in Zweifel zu ziehen“, schreiben Barbara Blaha, ehemalige Vorsitzende des Studentenparlaments, die im Zorn aus der SPÖ austrat, und Sylvia Kuba, einst Chefin der sozialistischen Studenten, in ihrem neuen Buch "Das Ende der Krawattenpflicht. Wie Politikerinnen in der Öffentlichkeit bestehen“. Soziologinnen, Medienfachleute, Genderforscher kommen darin zu Wort. Doch keine Politikerinnen.

Frauen reden nicht gern über ihre Angst, mit glänzender Nase und verschmiertem Lippenstift abgelichtet zu werden. Dazu kommen unvorteilhafte Hitzewallungen, die ab einem bestimmten Alter einsetzen. Sie sind Gefangene eines Systems, das perfekte und neutrale Bilder erfordert, das - anders als bei Männern - jeden menschlichen Makel als Schwäche interpretiert. Schon die Thematisierung des Problems kann ihnen zum Nachteil gereichen. Es gilt als uncool, sich mit solchen Zumutungen zu beschäftigen, und so werden die Anforderungen, denen sie genügen sollen, privatisiert, ihre Nichterfüllung jedoch wird öffentlich besprochen.

Im deutschen Bundestag wurde vor einem Jahr für Sitzungsleitung und Schriftführung die Krawattenpflicht eingeführt. Weibliche Abgeordnete machte diese Regelung ratlos. Sie wurden ersucht, "angemessene Kleidung“ zu wählen. Wie irritierend das Auftreten von Frauen im öffentlichen Raum sein kann, beweist ein Erlass der ukrainischen Regierung: Mitarbeiterinnen in Ministerbüros sind dort kurze Röcke, Stöckelschuhe, auffällige Stoffmuster und knalliger Lippenstift verboten. Als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor vier Jahren bei einem Opernbesuch ein Abendkleid ausführte, wurde ihr Dekolleté wochenlang in den Medien debattiert. Die Salzburger Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller gestand einmal, dass sie sich jahrelang möglichst unauffällig kleidete, weil sie gerade am Anfang ihrer Politikkarriere erleben musste, dass "sich im Landtag alle über meine Oberweite und Ähnliches unterhielten“. Politikerinnen haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um damit fertig zu werden. Doch selbst hoch begabte, gut ausgebildete und politisch interessierte Frauen scheuen die mediale Öffentlichkeit, wollen sich dem unerbittlichen Urteil nicht aussetzen.

Weltweit werden derzeit zwölf Staaten von Regierungschefinnen geführt. Den höchsten Frauenanteil in Regierungen und Parlamenten haben nordeuropäische Länder, in denen die Frauenbewegung traditionell stark ist und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch Männern überantwortet wird. Finnland hat mit 63,2 Prozent den höchsten Frauenanteil in der Regierung. Im schwedischen Parlament ist fast jeder zweite Abgeordnete eine Frau. Österreich liegt mit 38,5 Prozent weiblichen Regierungsmitgliedern etwas über dem europäischen Durchschnitt. Im Nationalrat sind 27,8 Prozent der Abgeordneten Frauen. Es waren schon einmal mehr. Am seltensten sind sie auf den unteren Ebenen, wo der Stammtisch regiert, vertreten. Frauen stellen nur fünf Prozent aller Bürgermeister.

Die SPÖ Oberösterreich versuchte 2008 zu ergründen, was Frauen davon abhält, sich in der Politik zu engagieren, und befragte 10.000 Gemeindebürger. Das Ergebnis ist beschämend: Als größtes Hindernis wird die Unvereinbarkeit von Politik, Beruf und Familie genannt, dicht gefolgt von der Einstellung, Ideen von Frauen würden ohnehin abgeblockt. Ein knappes Fünftel der befragten Frauen gab an, dass "der Ehe- oder Lebenspartner es nicht gerne sieht“, wenn sich Frauen politisch engagieren.

Männer scheint es nicht weiter zu stören, wenn sie unter sich bleiben. "Es fällt ihnen gar nicht auf, dass etwa bei einer Diskussion keine Frauen dabei sind“, sagt Christine Marek, einst Familienstaatssekretärin, dann glücklose Chefin der ÖVP Wien, jetzt wieder im Nationalrat. Marek ist überzeugt, dass es eine kritische Masse an Frauen braucht, um Diskriminierungen zu beenden: "Wenn in den Machtzentren der Politik mindestens ein Drittel Frauen sind, ändert sich etwas.“

Doch gibt es auch in der Politik die berühmte Frauenfalle, das Abschieben in so genannte weiche Ressorts, wie Familie, Frauen, Soziales, in denen kein Geld zu vergeben, sondern zu erbitten ist. "Je näher im Zentrum der Macht, umso mehr Geld ist im Spiel, und desto seltener findet man dort eine Frau“, bestätigt die Wiener Finanzstadträtin Renate Brauner.

So sind auch die viel beschworenen Frauennetzwerke meist ein Schuss ins Knie. "Frauen haben eben wenig Macht. Auf Frauennetzwerke allein darf man sich deshalb nicht verlassen“, warnt Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess.

Porträts zu den einzelnen Politikerinnen lesen Sie im aktuellen profil 10/2012

Christa   Zöchling

Christa Zöchling