„Es ist so letztklassig“

Gabi Burgstaller: „Es ist so letztklassig“

Interview. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller über die Spekulationsaffäre und ihr Ja zur Wehrpflicht

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Interview: Herbert Lackner

profil: Frau Burgstaller, vor ziemlich genau einem Monat ist die Salzburger Finanzaffäre geplatzt. Haben Sie seither einmal eine Nacht durchgeschlafen?
Burgstaller: Mittlerweile ja. In den ersten Wochen war die Ungewissheit, welcher Schaden für das Land entstanden ist, sehr bedrückend. Ich habe bis zu 20 Stunden am Tag gearbeitet oder darüber nachgedacht, wie das überhaupt passieren konnte. Mittlerweile ist ja etwas Licht ins Dunkel gekommen. Und in jeder Affäre geht’s ja nicht nur um Aufklärung, sondern auch um die Lehren für die Zukunft.

profil: Der Bundespräsident hat in seiner Neujahrsansprache, auf Salzburg gemünzt, von „Auswüchsen“ und „Casino-Mentalität“ gesprochen. Das muss für Sie doch schmerzlich sein.
Burgstaller: Ich habe mit dem Herrn Bundespräsidenten in den vergangenen Wochen sehr oft telefoniert, zuletzt am 1. Jänner. Und es ist auch für mich völlig klar, dass diese Auswüchse eingedämmt gehören. Darum bin ich ja auch der Ansicht, dass ein Verbot hochriskanter Geschäfte in die Verfassung kommen soll.

profil: In einem Interview sprachen Sie noch 2010 von der „unglaublichen Gier der Spekulanten“, in der „ZiB 2“ vor einigen Jahren warnten Sie vor der „Gefahr, dass das Land zum Spielball von Spekulanten“ wird, was unbedingt verhindert werden müsse. Das ist offenbar alles leichter gesagt als getan.
Burgstaller: Da haben Sie Recht – vor allem, wenn alles viele Jahre lang im Rahmen der so genannten Kameralistik versteckt werden kann. Noch vor wenigen Wochen wurde uns vom zuständigen Abteilungsleiter erklärt, Salzburg mache keine Spekulationsgeschäfte, sondern nur risikoarme Zinstauschgeschäfte, mit denen wir versuchen, unsere Zinsbelastung zu reduzieren. Ich sage aber auch dazu: Ich habe gelernt, dass die Kontrollmechanismen und die Informationspflichten an die Regierung und den Landtag viel zu schwach waren. Enttäuscht bin ich, dass die ÖVP nicht bereit ist, das gemeinsam aufzuarbeiten.

profil: Aber zuständig war der SPÖ-Landesrat David Brenner.
Burgstaller: Für mich wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass Regierungspartner die Verantwortung wahrnehmen und nicht einer nach Neuwahlen ruft. In einer solchen Situation geht es doch darum, dass man den Schaden für das Land minimiert und wieder in ruhigere Gewässer kommt.

profil: Aber die Causa hat doch eine gewaltige Dimension. Ist es da nicht logisch, dass die Minderheitspartei Konsequenzen fordert?
Burgstaller: Die gesamte Landesregierung hat einiges gewusst – zugegeben immer nur von Gewinnen und angeblich risikoarmen Geschäften, aber wir alle hätten mehr nachfragen können. Daher gibt es keinen Anlass, dass jetzt einer auf den anderen zeigt.

profil: Die zeitweilig verschwundenen 440 Millionen von der Bundesfinanzierungsagentur wurden offenbar ebenfalls in Wertpapiere investiert. Ist das womöglich wieder etwas eher Riskantes?
Burgstaller: Ein möglicher Wertpapierkauf mit ÖBFA-Krediten ist zwar nicht Sinn und Zweck der Übung, aber ich wurde in den vergangenen Tagen informiert, dass die Wertpapiere insgesamt einen höheren Wert haben sollen als das Nominale.

profil: Warum hatte diese Referentin so unglaubliche Bewegungsfreiheit?
Burgstaller: Sie war mit zwei weiteren Mitarbeitern über eine sehr lange Zeit mit einer Vollmacht ausgestattet. Künftig muss das Finanzmanagement so erfolgen, dass jederzeit ein Zwischenbericht gelegt werden kann. Das ist jetzt in der Kameralistik nicht möglich gewesen.

profil: Auch ohne diese Spekulationsverluste haben sich die Schulden des Landes Salzburg in den vergangenen Jahren auf 850 Millionen verdoppelt. Was ist da passiert?
Burgstaller: Wir haben wegen der Folgen der Finanzkrise wesentlich geringere Einnahmen gehabt, das ist unser Hauptproblem. Andere Bundesländer haben ja genauso ihre Verschuldung erhöht. 2008 zahlten wir noch Schulden zurück, ab 2009 ist die Verschuldung gestiegen, weil wir auch gegen die negative Konjunkturentwicklung anzukämpfen hatten. Wir haben zum Beispiel heuer fast 100 Millionen für Krankenhausbauten, für Schulbauten und andere ähnliche Investitionen ausgegeben.

profil: Noch einmal: Wann wurden in dieser Affäre die großen politischen Fehler gemacht?
Burgstaller: Der erste Fehler war meines Erachtens die Vollmacht aus dem Jahr 2003. In den Folgejahren hat man sich von den Gewinnen aus dem Finanzmanagement von behaupteten insgesamt rund 150 Millionen Euro beeindrucken lassen. Rückwirkend betrachtet, hätte die Verwaltung wahrscheinlich im Sommer 2012 Maßnahmen setzen müssen. Es ist damals für eine Mitarbeiterin, für die im Übrigen die Unschuldsvermutung gilt, zu einem Entzug der Vollmacht gekommen, sie war dann von diesen Geschäften völlig abgeschnitten.

profil: Aber warum hat sie der Finanzlandesrat dann noch Ende November in die Landtagssitzung mitgenommen und sie dort feiern lassen?
Burgstaller: Das Hauptproblem war, dass sie ganz unerwartet bei einer Besprechung gemeint haben soll, wenn jetzt das offizielle Portfolio des Landes, das immer im Plus war, aufgelöst wird, dann würden 340 Millionen Euro Buchverluste schlagend. Das war so unglaublich, dass ich am 3. Dezember, als ich davon erfahren habe, gesagt habe, so etwas kann man nicht einfach als Tatsache annehmen, sondern das muss man überprüfen.

profil: Aber zumindest Finanzlandesrat ­David Brenner hätte doch etwas ahnen müssen.
Burgstaller: Er hat ja die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt angekündigt.

profil: Der Bundesrechnungshof stellte schon 2009 fest, Salzburg gehe mit seinen Veranlagungen ein viel zu hohes Risiko ein.
Burgstaller: Der Rechnungshof hat das festgestellt, wobei in der Stellungnahme des Amts festgehalten wurde, dass das Risiko schon wesentlich reduziert wurde. Natürlich hätte man sich das damals alles noch wesentlich konkreter anschauen können und – rückwirkend betrachtet – auch sollen, aber die Botschaft war: Das Risiko ist wesentlich reduziert. Noch am Tag, als in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass 340 Millionen Buchverluste da sein sollen, legte der Rechnungshof einen Endbericht vor, in dem es heißt: Risiko wesentlich reduziert. Das ist jetzt auch kein Trost. Aber man sieht, dass selbst äußerst kompetente Prüfstellen das nicht entdeckt haben.

profil: Wird es Klagen gegen Banken geben, weil diese zu leichtfertig Kredite vergeben haben?
Burgstaller: Selbstverständlich wird das geprüft. Ich habe bereits ein Gutachten zur Frage Bankenhaftung veranlasst. Dieses Gutachten ist für mich die Basis für die Entscheidung. Klarerweise ist Voraussetzung für eine Klage, dass man einen Schaden hat, und wir arbeiten auf Hochtouren daran, diese Frage zu klären. Am 16. Jänner werden wir es wissen, dann wird der Zwischenbericht der Prüfer dem Landtag vorgelegt.

profil: In Wien kursierte das Gerücht, dass Sie schon 2013 Ihr Amt an David Brenner übergeben wollten. Stimmt das?
Burgstaller: Das ist jetzt wohl kein Thema mehr. Aber ja, das war eine der vielen Überlegungen. Jetzt ist sie gegenstandslos.

profil: Der zweite Teil des Gerüchts lautete, dass Sie interessiert gewesen seien, als Volksanwältin nach Wien zu gehen.
Burgstaller: Das ist eine spannende Aufgabe, aber auch diese Frage stellt sich nicht.

profil: Nicht mehr.
Burgstaller: Nicht.

profil: Wann werden die Landtagswahlen stattfinden?
Burgstaller: Ich gehe davon aus, dass der Wahltermin der 5. Mai sein wird.

profil: Unvermeidliche Frage: Werden Sie wieder kandidieren?
Burgstaller: Das werde ich in den kommenden Tagen gemeinsam mit der SPÖ entscheiden, wobei für mich entscheidend ist, dass jetzt vor allem die Weichenstellungen im Land richtig erfolgen. Es ist mir ein Anliegen, dass nichts verschleiert, alles aufgeklärt und gnadenlos an dem Ziel gearbeitet wird, für das Land möglichst keinen Schaden eintreten zu lassen.

profil: Sie machen Ihre Entscheidung, ob Sie kandidieren, davon abhängig, ob der Schaden irgendwie in den Griff zu bekommen ist?
Burgstaller: Ja. Ich sehe es als meine Verantwortung, meinen Beitrag dafür zu leisten.
profil: Und wenn Sie sehen, das übersteigt das, was Sie tragen können, dann entscheiden Sie sich gegen eine Kandidatur?
Burgstaller: Ja, wobei mir auch wichtig ist, dass jetzt Entscheidungen getroffen werden und nicht nach der Wahl. Ich hielte es für einen Wahnsinn, wenn irgendwann im Herbst darüber diskutiert wird, ob man ein Spekulationsverbot in die Landesverfassung aufnimmt. Das gehört jetzt gemacht und nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag. Es muss in der Regierung eine arbeitsfähige Basis geben, und auf dieser Basis werde ich dann entscheiden.

profil: Das ist doch taktisch ungeschickt. Sie sagen: Wenn die ÖVP in der nächsten Zeit konstruktiv mitarbeitet, dann kandidiere ich wieder. Aber die ÖVP wäre doch froh, Sie los zu sein.
Burgstaller: Für mich ist die Wahl jetzt nicht im Vordergrund. Die ist noch weit weg. Der Neuwahlbeschluss wird wahrscheinlich erst im Februar fallen, und daher ist genug Zeit, sich das zu überlegen. Es ist nicht das Wichtigste für das Land, ob ich kandidiere. Das Wichtigste ist: Wie können wir den Schaden minimieren, und wie können wir die Weichen stellen, damit so etwas nie wieder vorkommen kann?

profil: Wenn Sie nicht kandidieren, hat die SPÖ keine Chance, stärkste Partei zu bleiben. Mit Ihnen hat sie eine Restchance.
Burgstaller: Ich werde auch diese Entscheidung so treffen, dass zuerst kommt, was gut für das Land ist, und dann, was gut für die SPÖ ist.

profil: Ihre Partei wird sagen: Du musst das noch einmal machen.
Burgstaller: Es gibt sehr viele, die das wollen, in der Partei und interessanterweise auch außerhalb.

profil: Wo?
Burgstaller: Es erstaunt auch mich, dass – egal, wo ich bin – Menschen sagen: Es ist so letztklassig, aus so einem Anlass eine Neuwahl zu machen, dass wir dieses Mal Sie wählen, wenn Sie wieder antreten.

profil: Das ist sehr lieb von den Leuten, aber es gab schon weit nichtigere Gründe für Neuwahlen.
Burgstaller: Ich hätte ja kein Problem, wenn man Neuwahlen beschließt, wenn einmal der Status quo geklärt ist. Aber als erste Reaktion nach dem Bekanntwerden dieser Finanzaffäre zu sagen, wir machen eine Neuwahl, das halte ich wirklich für durchschaubar.

profil: Als Sie 2004 auf Ihre Koalitionspräferenzen angesprochen wurden, sagten Sie sinngemäß, Salzburg sei ein konservatives Land und eine Rot-Grün-Koalition würde die Menschen überfordern. Heißt das, dass die Koalition mit der ÖVP in Stein gemeißelt ist?
Burgstaller: Nein. 2004 war die Situation anders. In Salzburg hatte damals noch nie eine andere Partei als die ÖVP die Mehrheit. Da seit 2004 viele zu dem Ergebnis gekommen sind, dass dieses Vertrauen genauso auch in die SPÖ gesetzt werden kann, könnte sich das auch geändert haben. Wobei ich nicht ausschließe, die Zusammenarbeit mit einer sachorientierten ÖVP zu suchen.

profil: Am 20. Jänner gibt es die Volksbefragung über die Zukunft des Bundesheers. Wissen Sie schon, wie Sie stimmen werden?
Burgstaller: Also erstens hat mich die Art und Weise, wie diese Debatte begonnen wurde, sehr befremdet …

profil: Begonnen wurde sie von der SPÖ!
Burgstaller: … und ebenso wenig ist für mich nachvollziehbar, wie wir zu dieser Volksbefragung gekommen sind. Nur weil sich Erwin Pröll das gewünscht hat? Das war also auch nicht sehr weise. Die sicherheitspolitische Diskussion ist kaum geführt worden, wobei ich sagen muss, dass sich Minister Darabos sehr darum bemüht hat. Aber dazu braucht es auch die ÖVP. Auf der Basis dessen, dass viele andere Länder die Erfahrung gemacht haben, dass ein Berufsheer teurer ist, und dass das soziale Engagement jener, die jetzt Zivildienst leisten, verloren gehen könnte, werde ich für die Beibehaltung der Wehrpflicht stimmen, mich aber heftig für deren Weiterentwicklung einsetzen.

profil: Bleibt es bei der Wehrpflicht, wird das als Niederlage der SPÖ interpretiert werden.
Burgstaller: Das hängt davon ab, wie wir damit umgehen. Das Schlimmste wäre, wenn alles so weiterginge wie bisher, dann wäre die Enttäuschung der Menschen sehr groß. Mittlerweile sagt ja jeder, es müsse sich vieles beim Bundesheer ändern. Wenn die Wehrpflicht bleibt, dann sollte eine neue Sicherheitsdoktrin mit einer erneuerten Wehrpflicht übereinstimmen. Gibt es ein Berufsheer, dann muss man mit hoher Verantwortung daran arbeiten, dass dieses soziale Jahr auch funktioniert, wobei ich da den Vorschlag von Sozialminister Hunds­torfer sehr gut finde. Ich sehe die Volksbefragung als Chance für gelebte Demokratie. Die ist falsch verstanden, wenn man eine Order aus den Parteisekretariaten erwartet, wie entlang der Parteigrenzen abzustimmen ist, oder wenn sich alle nach der Meinung des jeweiligen Parteivorsitzenden zu orientieren haben.

profil: Und die Übersiedlung von Gabi Burgstaller nach Wien ist vorerst einmal aufgeschoben?
Burgstaller: Das ist überhaupt kein Thema.