Warm-Signale: Gleichberechtigung

Gleichberechtigung: Streitfall Homo-Ehe Warum der Kanzler dagegen ist

Die Debatte um die Homosexuellen-Ehe

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Christopher Drexler, 33, Klubobmann der Volkspartei im steirischen Landtag, hat sich mit einer Macht angelegt, gegen die sich Wolfgang Schüssel und Andreas Khol wie schwarze Bezirksfunktionäre ausnehmen: dem Vatikan.

Vor genau einem Jahr hatte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, in einem 14-seitigen Dokument alle katholischen Politiker aufgefordert, Widerstand gegen die Legalisierung von eheähnlichen Partnerschaften von Homosexuellen zu leisten. Praktischerweise lieferte Ratzinger in seinem Schreiben „ethische Anweisungen“ für die römisch-katholischen Volksvertreter mit: „Wird der gesetzgebenden Versammlung ein Gesetzesentwurf zugunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben, ist eine schwer wiegend unsittliche Handlung.“

Nach Ratzingers Interpretation hat Christopher Drexler ein schweres Sittendelikt begangen. Vor zwei Wochen forderte der Steirer die rechtliche Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften. Zwar hatte Drexler bewusst auf das Reizwort „Ehe“ verzichtet, doch de facto fordert er als erster Schwarzer seit langem offensiv die Einführung der Homo-Ehe in Form einer registrierten Partnerschaft nach deutschem Vorbild.

Die anfänglichen Versuche der Spitzenvertreter der Bundes-ÖVP, die Kuh wieder in den Stall zu treiben, schlugen fehl. In der Vorwoche kündigte Nationalratspräsident Andreas Khol schließlich an, ein ÖVP-interner Arbeitskreis werde sich der heiß umfehdeten Materie annehmen. Kanzler Wolfgang Schüssel blieb weiterhin bei seiner Linie, zu diesem Thema „am besten gar nichts“ zu sagen, was ÖVP-intern nicht nur goutiert wird.

Klubchef Willi Molterer, des Kanzlers wichtigster Vertrauter, erklärte im „Standard“ etwas verschraubt, die ÖVP hätte die Aufgabe, Wertorientierungen zu vertreten, die „vielleicht nicht auf ungeteilte Zustimmung“ stoßen. Molterer: „Parteien müssen gewisse Werthaltungen haben. Da gilt das Motto: fest in den Werten, modern in den Wegen.“

Göttlicher Schiedsspruch. Nach Ansicht ihrer Parteifreunde in Graz sind Schüssel, Molterer & Co allerdings vom modernen Weg ziemlich weit abgekommen. Der steirische VP-Landesrat Hermann Schützenhöfer bekannte zwar, die Ehe von Mann und Frau stünde für die ÖVP im Vordergrund, allerdings, so Schützenhöfer, sei dies nicht „in einem göttlichen Schiedsspruch“ festgehalten. Der Rat des Steirers an seine Parteifreunde in Wien: „Andere Lebensformen sollten anerkannt werden.“

Mit einem bloßen Durchforsten der Gesetze auf diskriminierende Passagen ist es für die Steirer nicht getan. Im Gegenteil: Landesgeschäftsführer Andreas Schnider legte nach und räsonierte sogar über die Möglichkeit für Homosexuelle, ihre vom Partner in die Beziehung mitgebrachten Stiefkinder zu adoptieren. Schniders Parteifreund Drexler freute sich derweilen über seinen Volltreffer: „Im zugespitzten Konservativismus kann nicht die Zukunft der Volkspartei liegen.“ Drexlers und Schniders Chefin, Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, lässt ihren Adjutanten freie Hand – zur Freude prominenter Schwuler wie dem Schauspieler Alfons Haider, der einst das Liberale Forum unterstützte und sich nun für die SPÖ engagiert. Haider in der „Presse“: „Menschen wie Waltraud Klasnic verdienen das größte Lob. Dieser Vorstoß aus der Steiermark ist ungeheuer, weil er die Spaltung in der ÖVP zeigt.“ Bundeskanzler Schüssel, so Haiders Vorwurf, ignoriere durch sein Schweigen die Anliegen 100.000 Österreicher.

Im liberal-urbanen Feld haben die Steirer jedenfalls eine Duftmarke gesetzt. Vorwürfe, man wolle mit der Diskussion die Streitigkeiten innerhalb der steirischen Volkspartei im Zusammenhang mit der Estag-Affäre kaschieren, weisen sie brüsk zurück. Drexler: „Hätte ich das gewollt, hätte ich es billiger haben können.“ Allerdings könnte der steirische Vorstoß zum Nullsummenspiel werden. Die Sympathien, welche die ÖVP im liberalen Lager gewinnt, gehen ihr in konservativ geprägten Milieus unter Umständen wieder verloren.

Die Zielgruppen der Lesben und Schwulen – ausgehend von Schätzungen, wonach zwischen fünf und sieben Prozent der Österreicher homosexuell orientiert sind, handelt es sich potenziell um rund 300.000 Wählerstimmen – dürften sich vom jetzigen Engagement der Schwarzen wenig beeindrucken lassen: Homosexuelle sind in ihrem Wahlverhalten ebenso wenig homogen wie andere Minderheiten. Auch der größte Einsatz für die Anliegen der Lesben und Schwulen sichert nicht deren Stimmen, wie Heide Schmidt und das Liberale Forum schmerzlich erleben mussten.

Ohnedies sandte die Volkspartei zuletzt unterschiedliche Signale in Wertefragen aus: Während sich die steirischen Schwarzen als gesellschaftspolitische Avantgarde zu positionieren versuchen, agitieren die Salzburger Parteifreunde zeitgleich gegen die Abtreibung.

Der blaue Koalitionspartner positionierte sich rechts von der ÖVP. FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch erklärte, seine Partei würde die Zustimmung zur Homo-Ehe verweigern. Insgesamt handle es sich, so Scheuch, um ein „Sommertheater der relativ krisengeschüttelten ÖVP“. Scheuchs Parteikollege Max Walch lieferte eine vorgeblich biologische Erklärung für die ablehnende Haltung seiner Partei: „Es ist eben nicht normal, eine gleichgeschlechtliche Beziehung zu führen, geschweige denn in so einer Beziehung auch noch Kinder zu adoptieren.“

Das Wahlvolk scheint anderer Meinung zu sein. Laut einer Umfrage des Wiener Instituts für empirische Sozialforschung (Ifes) sprechen sich 56 Prozent der Bevölkerung für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften aus, 38 Prozent sind dagegen. Ifes-Forscher Georg Michenthaler: „Aus meiner Sicht sind die Toleranz und das Verständnis in der Bevölkerung für die Probleme homosexueller Partnerschaften außerordentlich hoch. Die Politik könnte sich in dieser Frage also ruhig mehr trauen.“

Glanz & Glamour. Wo der Kontakt mit Schwulen Glanz und Glamour verspricht, zeigen Politiker jeder Couleur schon seit langem wenig Berührungsängste. Der Besuch des alljährlichen Life Balls im Wiener Rathaus ist für erhebliche Teile der Politprominenz beinahe schon ein Fixtermin wie der Opernball. Wiens Bürgermeister Michael Häupl fungierte heuer mit seinem schwulen Berliner Amtskollegen Klaus Wowereit sogar zwanglos als Aushilfs-Model bei der Modeschau zu Beginn des Balls.

Die Oppositionsparteien übernahmen den Steilpass aus den steirischen schwarzen Reihen volley. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer warf der ÖVP vor, „absolut antiquierte und lebensfremde Ansichten“ zu vertreten. Die grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek zeigte sich erfreut, dass „die ÖVP offenbar doch allmählich zur Kenntnis nehmen muss, wie sich die Haltung in der Bevölkerung geändert hat“.

Kampf der Konzepte. So einig sich Rot und Grün in ihrer Kritik an der Koalition auch waren, der Wettstreit um das bessere politische Konzept lief durchaus kontroversiell ab. Dem grünen Vorschlag, mit einem Zivilpakt für hetero- und homosexuelle Paare ein neues Rechtsinstitut neben der klassischen Ehe einzuführen, kann Günter Tolar, Vorsitzender der sozialdemokratischen Homosexuellen-Organisation „Soho“, wenig anfangen. Es handle sich beim grünen Modell um eine „Ehe light“, von der am Ende Schwule und Lesben nicht profitieren würden. Die SPÖ setzt dagegen auf ihr Modell einer eingetragenen Partnerschaft, die homosexuellen Paaren vorbehalten bleiben soll. Die eingetragene Partnerschaft überträgt die Rechte und Pflichten der Ehe eins zu eins auf homosexuelle Lebensgemeinschaften. Einzig die Möglichkeit der Kindesadoption wird – im Gegensatz zum grünen Modell – ausgeschlossen. Der grüne Zivilpakt sieht dagegen leichtere Regeln seiner Auflösung und die Vermeidung von Unterhaltszahlungen vor. Homosexuellen in naher Zukunft die Möglichkeit einzuräumen, genau so wie Heterosexuelle eine vollwertige standesamtliche Ehe eingehen zu können, wie dies etwa in den Niederlanden oder Belgien (siehe Grafik) bereits der Fall ist, streben weder SPÖ noch Grüne an.

Mit der Einführung einer registrierten Partnerschaft sollen die bestehenden Benachteiligungen von Homosexuellen endgültig aufgehoben werden. Das prinzipielle Problem: In weiten Teilen des heimischen Rechts werden Partner in homosexuellen Beziehungen nicht als Angehörige des jeweils anderen qualifiziert. Damit haben Lesben und Schwule etwa in Spitälern kein Auskunfts- oder Besuchsrecht bei Erkrankungen ihres Partners und im Todesfall weder Erbanspruch noch Mitsprache bei der Bestattung ihres Lebensmenschen.

Bürger zweiter Klasse. Während sich solche Benachteiligungen durch simple Verträge – etwa durch eine Auskunftsvollmacht oder ein Testament – kompensieren lassen, sind andere Nachteile meist nicht so ohne weiteres auszugleichen.

So gibt es keinen generellen Rechtsanspruch auf Hospizkarenz oder Pflegefreistellung für einen kranken Partner und kein Recht auf Familiennachzug, wenn der Partner im Ausland lebt. Bei Schenkungen oder Erbschaften zahlen Homosexuelle wesentlich mehr Steuer als Ehepartner. Auch bei der Einkommensteuer wird ihre Lebensgemeinschaft nicht berücksichtigt. Homosexuelle haben kein Recht auf eine Mitversicherung und dürfen sich bei Zivilprozessen einer Aussage gegen ihren Lebenspartner nicht entschlagen. Geförderte Wohnungen können mit Ausnahme der Bundesländer Wien, Steiermark und Salzburg nicht gemeinsam beantragt werden. Im Todesfall hatte der hinterbliebene Partner bis vor kurzem kein Recht, in den Mietvertrag für die gemeinsam bewohnte Wohnung einzutreten. Nachdem im Juli 2003 die Republik Österreich nach einer entsprechenden Klage vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde, müssen die heimischen Gerichte ihre Spruchpraxis nun allerdings ändern.

Brisantes Verfahren. Auch der Verfassungsgerichtshof ortete bereits rechtliche Probleme durch die Ungleichbehandlung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften. Die Beschwerde zweier Männer, die sich durch das Eheverbot für Homosexuelle an sich diskriminiert fühlten, lehnten die Höchstrichter im März dieses Jahres zwar ab. In ihrer Begründung ließen sie aber durchblicken, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in gewissen Rechtsgebieten gegenüber Ehepartnern unzulässigerweise benachteiligt sein könnten.

Derzeit liegt im Verfassungsgerichtshof eine weitere brisante Beschwerde. Ein Deutscher und ein US-Amerikaner, die sich in den Niederlanden das Ja-Wort gaben, wollen künftig in Österreich leben. Während sich der Deutsche als EU-Bürger problemlos in Österreich niederlassen darf, benötigt der Amerikaner dazu einen Ehepartner im Inland. Der Deutsche wurde von den Behörden allerdings nicht als „Ehemann“ anerkannt. Das Paar zog vor den Verfassungsgerichtshof, wo derzeit das Verfahren läuft. Entscheiden die Höchstrichter zugunsten des Homo-Paares, wäre dies das erste Mal, dass eine homosexuelle Partnerschaft hierzulande anerkannt und einer Ehe gleichgestellt würde – ein spektakulärer Präzedenzfall: Österreichische Homo-Paare könnten dann ebenfalls die Rechte einer der Ehe gleichgestellten Partnerschaft einklagen.

FPÖ-Justizsprecher Dieter Böhmdorfer empfindet sämtliche Beiträge zur Debatte als „unseriös, inkompetent und populistisch“. Es gehe den Anhängern der Homo-Ehe nicht um „gleich viel Recht für gleich viel Liebe“, sondern, so Böhmdorfer: „An der Liebe wird niemand gehindert. Es geht ums Geld.“

Der Finanzminister muss sich allerdings keine Sorgen um sein Budget machen, sollte die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften Realität werden. Nach einer Studie des Ludwig-Boltzmann-Instituts zur Analyse wirtschaftspolitischer Aktivitäten aus dem Jahr 2000 wären die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen marginal. Ausgehend von Daten in anderen Ländern prognostizierten die Studienautoren auch die Zahl jener Österreicher, die eine registrierte Partnerschaft abschließen würden. Schätzungsweise würden im ersten Jahr nach der Einführung rund 400 schwule und 100 lesbische Paare eine Partnerschaft registrieren lassen.

Zum Vergleich: Als die eingetragene Partnerschaft in Dänemark im Jahr 1989 eingeführt wurde, nahmen rund 280 männliche und 60 weibliche Paare diese Möglichkeit wahr. Insgesamt gibt es derzeit in Dänemark bei 5,4 Millionen Einwohnern 3100 Männer- und 2400 Frauen-Partnerschaften.

Die Befürworter einer registrierten Partnerschaft erhielten vergangene Woche Unterstützung von ganz oben. Bundespräsident Heinz Fischer erklärte, der Konsens würde breiter, „dass man gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht diskriminieren darf und dass man Menschen auch die Möglichkeiten geben sollte, in dieser Form füreinander da zu sein und zusammenzuleben“.

Gefährliches „E“-Wort. Es war das erste Mal, dass sich das neue Staatsoberhaupt in eine aktuelle Debatte einbrachte, wenn auch vorsichtig: Es gehe nicht um die „Homosexuellen-Ehe“, sagte Fischer, „denn durch die Verwendung des Begriffes ‚Homosexuellen-Ehe‘ wird das Problem unnötig aufgeladen“.

Auch Christopher Drexler will das „E“-Wort weiterhin nicht in den Mund nehmen: „Man darf die Menschen auch nicht überfordern.“

Dass er nach seinem Verstoß gegen die „ethischen Anweisungen“ Kardinal Ratzingers nun mit Gegenmaßnahmen aus dem Vatikan rechnen muss, schließt der steirische VP-Landtagsklubobmann aus. Drexler: „Ich glaube nicht, dass man mich exkommunizieren wird.“