Kollateralschäden

Golan: Ende des Einsatzes macht viele Milizsoldaten arbeitslos

Bundesheer. Ende des Golan-Einsatzes macht viele Milizsoldaten arbeitslos

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"Die Nachricht vom Ende der Golan-Mission erreichte uns genau am Ende der Abschlussübung“, erinnert sich Oberstleutnant Robert Schmied. Der Milizoffizier war einer von 185 Soldaten, die sich in der niederösterreichischen Kaserne Götzendorf mehrere Wochen lang auf den Einsatz auf den Golan-Höhen vorbereitet hatten. Wegen der erhöhten Risiken durch den Bürgerkrieg in Syrien erfolgte eine zusätzliche Ausbildung für das Erkennen von Sprengfallen bis zum Verhalten im Falle einer Entführung. Doch nur wenige Tage vor dem geplanten Abflug der UN-Soldaten verkündete die Bundesregierung am 6. Juni das Ende der Teilnahme an der UN-Friedensmission. "Die Enttäuschung war bei uns sehr groß. Wir waren alle gut vorbereitet und mussten uns plötzlich als Feiglinge beschimpfen lassen.“

„Jetzt bin ich arbeitslos”
Schmied hatte noch Glück. Er ist einer von bisher 62 Soldaten, die für andere UN-Missionen Österreichs umgeleitet werden konnten. Der 47-jährige Betriebswirt fährt im August zum Eufor-Kontingent nach Bosnien. Doch für rund 70 Kameraden hat das Ende des Golan-Einsatzes schlimme Folgen. "Ich habe meinen Job gekündigt und fix mit einem monatlichen Sold von 3000 Euro gerechnet“, erklärt ein Unteroffizier, der aus Angst vor Repressalien seinen Namen nicht nennen will. "Jetzt bin ich arbeitslos und weiß nicht, was ich tun soll.“ Denn für seine Qualifikation gibt es vorerst keine Verwendung bei anderen Auslandseinsätzen des Bundesheeres.

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Kein Rechtsanspruch auf Entsendung
Das Bundesheer hat sich in Verträgen mit den Soldaten gut abgesichert. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Entsendung im Rahmen der Blauhelm-Missionen. Doch während es für Berufssoldaten keine dramatischen Folgen gibt, sind Milizsoldaten von der Entscheidung der Bundesregierung direkt betroffen. Auf dem Golan stellen sie immerhin 70 Prozent des österreichischen UN-Kontingents.

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"Es gibt leider viele Härtefälle, wenn Milizsoldaten, die mit einem Jahr Einsatz auf dem Golan gerechnet haben, plötzlich ihre Lebensplanung ändern müssen“, gibt der für Auslandseinsätze zuständige Generalleutnant Christian Segur-Cabanac zu: "Aber wir bemühen uns, diese Soldaten in anderen UN-Missionen unterzubringen. Sie werden auch gegenüber Bewerbern aus den Reihen der Berufssoldaten bevorzugt behandelt.“

„Mehr soziale Verantwortung”
Der Präsident der Bundesvereinigung der Milizverbände, Brigadier Michael Schaffer, fordert "mehr soziale Verantwortung“ seitens der Republik ein. "Wenn unsere Politiker Hals über Kopf zum Rückzug blasen, haben sie jetzt auch die Pflicht, den Soldaten sozialverträgliche Lösungen anzubieten. Sie haben sich ja auch lange mit den Leistungen unserer Soldaten im Ausland gebrüstet, so etwa, als die Vereinten Nationen den Friedensnobelpreis erhielten.“

Dabei zeigte sich die Republik viele Jahre gegenüber ihren Soldaten auf UN-Einsätzen früher geiziger. So bezahlt das Bundesheer erst seit dem Jahr 2005 Pensionsbeiträge für die Dauer der Auslandsmissionen. Davor mussten diese von den Soldaten selbst bestritten werden, was viele unterließen. "Mehrere meiner Kameraden haben knapp vor ihrem Pensionsantritt erfahren müssen, dass ihnen viele Monate oder gar Jahre an Beitragszeiten fehlen“, berichtet der Tiroler Miliz-Sanitätsunteroffizier Mark Mayr, der mehrmals auf dem Golan eingesetzt war. "Damals in den 1970er- und 1980er-Jahren gab es sogar Tote unter den österreichischen UN-Soldaten auf dem Golan, Minenopfer und zwei bis heute ungeklärte Mordfälle. Die Politiker haben sich um uns kaum gekümmert.“

Ersatzmissionen
Jetzt zeigt zumindest die Bundesheerführung so etwas wie schlechtes Gewissen wegen des überstürzten Rückzugs vom Golan. Experten des Heerespersonalamts und Streitkräfteführungskommandos führten mit den betroffenen Soldaten Einzelgespräche über Ersatzmissionen je nach Qualifikation.

Für Härtefälle hat das Bundesheer inzwischen einen Passus in der Bezüge-Verordnung, der eigentlich nur Grundwehrdienern die Fortzahlung von Wohnungsmieten oder Alimenten sichern soll, ausfindig gemacht. An die Golan-Freiwilligen soll nun ohne Präjudiz eine Entschädigung geleistet werden - doch nur dann, wenn ein finanzieller Schaden auch wirklich nachgewiesen wird. Unter den Soldaten hat sich dieses Angebot noch nicht herumgesprochen. "Davon haben wir bei der Verabschiedung nichts gehört“, so Oberstleutnant Schmied.