Nur Bares, kein Wahres

Nur Bares, kein Wahres

Ungereimtheiten. Karl-Heinz Grasser ließ satte 276.000 Euro cash auf sein Privatkonto einzahlen. Woher kam das Geld?

Drucken

Schriftgröße

Er war ohne jeden Zweifel ein gern gesehener Kunde. Zu seiner Zeit als Finanzminister der Republik Österreich. Und auch danach. Etwa einmal im Monat suchte Karl-Heinz Grasser das Haupthaus der Meinl Bank am Bauernmarkt Nummer 2a in der Wiener Innenstadt auf, um seine Bankgeschäfte zu erledigen: Einzahlungen, Abhebungen, Lastschriften, Kontoauszüge, das Übliche. Bisweilen ließ er die Aufträge auch von anderen erledigen. Von seiner damaligen Sekretärin etwa. Von einer Mitarbeiterin der Meinl Bank. Oder gar von Meinl-Bank-Manager Günter Weiß selbst. „Besondere Weisungen im Umgang mit Mag. Grasser“ hätte es in der Bank jedenfalls keine gegeben, sagte die mittlerweile pensionierte Kundenbetreuerin Maria H. bei einer Einvernahme durch das Bundeskriminalamt im Mai des Vorjahrs.

Oder wie Vorstand Weiß den Ermittlern im September 2011 versicherte: „Herr Mag. Grasser war zum damaligen Zeitpunkt als Bundesminister im ganzen Land hoch angesehen; es waren keine Ermittlungen gegen ihn anhängig, und ich hatte auch sonst keinen Grund, an seiner Seriosität und Integrität in irgendeiner Form zu zweifeln; ebenso wenig an der redlichen Herkunft der mir zur Veranlagung übergebenen Geldmittel“.

Seit bald drei Jahren ermittelt die Justiz gegen Grasser unter anderem wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Er soll als Finanzminister (Februar 2000 bis Jänner 2007) systematisch die Hand aufgehalten haben. Bei der Privatisierung des Dorotheums im Jahr 2001 etwa, beim Verkauf der Bundeswohngesellschaften 2004, beim Umzug der Finanzlandesdirektion Oberösterreich in ein neues Gebäude 2006, für eine (erfolglose) Gesetzesinitiative zugunsten des Glücksspielkonzerns Novomatic, ebenfalls im Jahr 2006.

Grasser bestreitet die Vorwürfe mit aller Vehemenz.

Bekannt ist, dass KHG zwischen 2005 und 2006 insgesamt 500.000 Euro in bar auf ein Meinl-Konto der schweizerischen Treuhandgesellschaft Ferint AG einzahlen ließ. Das Geld wurde später in einen Genussschein der Hypo Alpe-Adria investiert, der schlussendlich einen Gewinn von 274.588 Euro einbrachte. Angeblich passierte all das im Namen von Grassers Schwiegermutter Marina Giori-Lhota. Diese wurde jedenfalls in mehreren den Behörden vorgelegten Schriftstücken als „wirtschaftlich Berechtigte“ des Ferint-Kontos ausgewiesen. Allein: Die Dame weiß davon nichts. Wie profil vergangene Woche enthüllte, hat Giori-Lhota gegenüber der Tiroler Finanz im November des Vorjahrs angegeben, „zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich Berechtigte“ des Ferint-Kontos gewesen zu sein – und will folglich auch „allfällige Erträge aus diesem Wertpapierdepot“ nicht gesehen oder gar versteuert haben. Das Bemerkenswerte: Nach geltendem Steuerrecht hätte sie den Spekulationsgewinn an ihrem Wohnort im Kanton Zug gar nicht versteuern müssen. Warum ist Marina Giori-Lhota dann von ihrem Schwiegersohn abgerückt?

Grasser bleibt bei seiner Darstellung: Das Geld sei sehr wohl von seiner Schwiegermutter gekommen und mit „sämtlichen Erträgnissen“ an diese zurückgeführt worden. Im ORF-„Report“ am Dienstagabend vergangener Woche bezeichnete er die Berichterstattung dieses Magazins als „bösartig“ und „einseitig“.

Die offenen Fragen vermochte er freilich nicht schlüssig zu beantworten.
Und offene Fragen gibt es zuhauf.

Wie profil-Recherchen ergaben, waren Bargeldtransporte von und zur Meinl Bank bei KHG eher die Regel denn die Ausnahme. Zu seiner Zeit als Finanzminister. Und auch danach. Laut einem vorliegenden internen Bericht der „Soko Constantia“ vom September 2011 rätseln die Ermittler über insgesamt 18 Bargeldflüsse, die zwischen Oktober 2005 und August 2007 zu und von Grassers privatem Girokonto bei der Meinl Bank – Nummer 471250 – liefen. Die entsprechenden Ein- und Auszahlungsbelege liegen profil ebenfalls vor. Sie sind allesamt auf den Namen Karl-Heinz Grasser ausgestellt.

Am 17. Oktober 2005 etwa wurden auf genanntes Konto 10.000 Euro cash eingezahlt, am 27. Februar 2006 waren es gleich 149.000 Euro, bis zu seinem Abschied aus der Politik am 9. Jänner 2007 langten noch je 20.000 Euro (einmal am 29. Juni und einmal am 6. November 2006) auf dem Konto ein. Wieder in bar. In Summe also 199.000 Euro. Aus seinem laufenden Ministereinkommen – knapp unter 18.000 Euro brutto, das 13. und 14. Monatsgehalt anteilig eingerechnet – kann er die Einzahlungen unmöglich bestritten haben. Woher also kam das Geld?

Im Jahresverlauf 2007 wurden weitere 77.000 Euro auf das Konto 471250 eingezahlt. Verteilt auf fünf Tranchen, wieder ausnahmslos in bar.
In Summe konnten die Ermittler zwischen 2005 und 2007 neun Bareinzahlungen über insgesamt 276.000 Euro rekonstruieren. Das Geld blieb nicht einfach auf dem Konto liegen. Grasser soll zwischen 2005 und 2007 neun Barabhebungen über insgesamt 141.618 Euro getätigt haben. So wurden etwa am 6. Juni 2007 auf einen Schlag 50.000 Euro ausbezahlt – der Beleg führt den Eintrag „Firmengründung“. Dies dürfte in Zusammenhang mit der Errichtung von Grassers privater Beratungsgesellschaft Valuecreation GmbH stehen.

Bei ihren Recherchen in der Meinl Bank kamen die Beamten des Bundeskriminalamts vorerst nicht wirklich weiter. Im Juni des Vorjahrs etwa wurde die frühere Meinl-Schalterangestellte Brigitte S. zu den Bargeldbewegungen einvernommen, darunter die Einzahlung von 149.000 Euro am 27. Februar 2006: „Ich habe die Transaktion durchgeführt … Ich kann aber trotzdem nicht sagen, wer der Einzahler dieses Betrags war … Ich kann nur definitiv ausschließen, dass Mag. Grasser persönlich bei mir am Schalter war. Es wurde mir vermutlich von Herrn Weiß (Günter Weiß, damals Prokurist, heute Vorstand, Anm.) … der Auftrag erteilt, auf den Beleg ‚mr grasser im akt‘ zu schreiben. Dies bedeutet, dass eine Ausweiskopie, also die Legitimation von Herrn Grasser, im Akt vorliegt. Der wirtschaftliche Hintergrund dieser Einzahlung ist mir nicht bekannt. Auf Befragung, warum ich nach den Geldwäschebestimmungen diese Überprüfung des wirtschaftlichen Hintergrundes nicht vorgenommen habe, so gebe ich an, dass ich … mich nicht getraut hätte, den Hintergrund … zu hinterfragen.“

Dass die Gelder aus einem Verbrechen stammten, ist vorerst durch nichts belegt. Es ist auch nicht ganz klar, ob und wie die Einzahlungen mit mehreren Überweisungen von Grassers Familie in Zusammenhang stehen, von denen das Magazin „Format“ im September des Vorjahrs berichtete. Demnach hätten namentlich nicht genannte Angehörige zwischen 2005 und 2010 einen Betrag von insgesamt 800.000 Euro von einem Konto der damaligen Raiffeisen Bezirksbank Klagenfurt auf Grassers Meinl-Konto transferieren lassen. Dabei soll es sich laut KHGs Anwälten unter anderem um Erträge aus der „Auflösung von alten Sparbüchern“, respektive aus „dem Verkauf einer Wohnung“ gehandelt haben – „alltägliche Bankvorgänge“, wie es heißt.

Die genannten 276.000 Euro wurden aber eben nicht überwiesen – sondern jeweils cash eingelegt. Und das wären dann alles andere als „alltägliche Bankvorgänge“, zumal im Auftrag eines amtierenden Finanzministers. Grassers Anwalt Manfred Ainedter knapp: „Kein Kommentar. Nur so viel: Es handelte sich keinesfalls um malversatorisch erlangtes Geld.“
Die tatsächliche Herkunft des Geldes bleibt also vorerst ungeklärt.
Das gilt so übrigens auch für den Verbleib jener rund 775.000 Euro, die das vorgebliche Schwiegermutter-Investment in die Hypo abwarf (500.000 Einlage plus 275.000 Gewinn). Belegt ist, dass am 3. Februar 2009 ein Betrag von 784.000 Euro (aus dem Hypo-Geschäft zuzüglich kleinerer Erträge aus anderen Veranlagungen) vom Ferint-Konto bei der Meinl Bank auf ein Liechtensteiner Konto der karibischen Mandarin Group Ltd. überwiesen wurde.

Auch dieser Briefkasten mit Sitz in Belize wird von den Ermittlern Grasser zugerechnet. Vom Liechtensteiner Mandarin-Konto wanderte das Geld schließlich in die Schweiz, auf das Konto eines weiteren Briefkastens bei der St. Gallener Kantonalbank: Catherine Participation Corporation. Ab da verliert sich vorerst die Spur.

Folgt man Grassers Darstellung, dann müsste hinter dieser Catherine Participation Corp. die Schwiegermutter stehen. Doch von Marina Giori-Lhota war – mit Ausnahme des Schreibens an die Finanz vom November 2011 – bisher nichts zu hören. Gegenüber der Justiz hat sie sich der Aussage entschlagen. Nicht so Giori-Lhotas österreichischer Steuerberater Eduard Lechner. Dieser wurde am 13. Dezember des Vorjahrs einvernommen. Auf die Frage „Ist Ihnen die Catherine Participation Corporation bekannt?“ entgegnete Lechner: „Nein. Ich weiß auch nicht, wer dort wirtschaftlich Berechtigter ist. Üblicherweise sind mir Firmen, an denen Klienten beteiligt sind oder von denen sie Begünstigte sind, bekannt. Bei einem Klienten, der in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig ist, sehe ich aber nur den österreichischen Teil.“
Fortsetzung folgt. ■

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.