Belastungsproben

Kärnten: Peter Kaiser in Top-Team-Affäre doch belastet

Kärnten. Wie Landeshauptmann Kaisers Büroleiter in der Top-Team-Affäre zum Belastungszeugen wurde

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Mittwoch vergangener Woche rückte Herwig Seiser, Klubchef der SPÖ im Kärntner Landtag, zum großen Gegenangriff aus. Die Vorwürfe gegen Landeshauptmann Peter Kaiser in der Top-Team-Affäre seien ein „Ablenkungsmanöver aus BZÖ/FPK/FP֓-Kreisen. Zumindest nutzen diese die aktuelle Schwächephase der SPÖ genüsslich aus. Der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner drohte mit Sondersitzungen im Kärntner Landtag. Und die Freiheitlichen orteten aufgrund der Affäre bereits erste Risse in der rot-grün-schwarzen „Linkskoalition“.

Zwischen roter Bagatellisierung und blau-oranger Dramatisierung liegt mutmaßlich die Wahrheit – und diese ist aus SPÖ-Sicht unangenehm genug. Die Ermittler des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung (BAK) sehen auf Basis ihrer bisherigen Ergebnisse durchaus Anknüpfungspunkte für eine mögliche Anklage durch die zuständige Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Die Vorgeschichte: Im Juli 2012 erstattete der Klagenfurter Anwalt Christian Leyroutz, heute FPÖ-Klubobmann im Landtag, im Auftrag des Landes Kärnten Anzeige unter anderen gegen den heutigen Landeshauptmann Peter Kaiser (früher Gesundheitslandesrat) und Finanzlandesrätin Gaby Schaunig (ehedem Soziallandesrätin). Das behauptete Delikt: Untreue. Laut Anzeige hätten SPÖ-Politiker dem Land Kärnten durch Auftragsvergaben an die parteieigene Werbeagentur Top Team einen Schaden von zumindest 200.000 Euro verursacht.

„Auftragsvergabe in Höhe von 100.000 Euro“
Tatsächlich schanzten die roten Landesräte der Top Team (sie stand bis 2010 im Eigentum der Partei) zwischen 2004 und 2011 üppige Aufträge zu. Einzelne Projekte stehen nun im Visier der Ermittler. Erich Mayer, Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, gegenüber profil: „Ermittlungsinhalt ist eine Auftragsvergabe in Höhe von 100.000 Euro.“ Wie profil in der Vorwoche berichtete, wird geprüft, ob es für Werbekampagnen, die Top Team dem Land Kärnten im Dezember 2009 in Rechnung stellte, adäquate Gegenleistungen gab oder ob die Gelder missbräuchlich für Parteiwerbung verwendet wurden.

Zuletzt nahm die Affäre einen dramatischen Verlauf. Die „Kärntner Woche“ berichtete über einen „Zeugen aus den eigenen Reihen“, der bei seiner Einvernahme Kaiser belastet hätte. Im SPÖ-Präsidium wäre 2008 abgesprochen worden, Werbeaufträge roter Ressorts gezielt an Top Team zu vergeben. Um die Ausschreibungspflicht ab dem gesetzlichen Schwellenwert von 40.000 Euro (seit Mai 2009 liegt die Grenze bei 100.000 Euro) zu umgehen, seien Aufträge aufgeteilt worden.

„Belastungszeugen“
profil identifizierte in der Vorwoche den angeblichen „Belastungszeugen“ als Kaisers Büroleiter Arnold Gabriel. Dieser hatte Rechnungen der Top Team abgezeichnet und – „im Auftrag von Herrn Landesrat Mag. Dr. Peter Kaiser“ (siehe Faksimile) – zur Begleichung an die Landesbuchhaltung weiterleiten lassen. Auch Kaisers Pressesprecher Andreas Schäfermeier war einvernommen worden.

Kaiser „entlastet“
Mittwoch der Vorwoche nannte die Wiener Stadtzeitung „Falter“ den Bericht der „Kärntner Woche“ mit Hinweis auf ihr vorliegende Einvernahmeprotokolle eine „Zeitungsente“. Gabriel habe seinen Chef in Wahrheit durchgängig „entlastet“.

Zwischen der Anklage der „Kärntner Woche“ und dem Freispruch durch den „Falter“ liegt mutmaßlich die Wahrheit – und diese ist für Landeshauptmann Kaiser unangenehm genug.

Dass das SPÖ-Präsidium 2008 gezielt den Transfer öffentlicher Gelder in die Kassa der Parteiagentur ausgeheckt hätte, ist auszuschließen. Allerdings hat Gabriel seinen Chef – nach profil zugänglichen Einschätzungen der Ermittler – auch nicht von allen Vorwürfen entlastet.

Mittlerweile wird der Büroleiter nicht mehr als Zeuge geführt. Während seiner Einvernahme im Mai wurde Gabriel aufgrund seiner Aussagen zum Beschuldigten – ein unspektakulärer, durchaus üblicher Vorgang: Steht der Chef unter ­Untreue-Verdacht, wird dieser fast automatisch auf die involvierten Mitarbeiter ausgeweitet. Als Beschuldigter stand Gabriel bei seiner Einvernahme freilich nicht mehr unter Wahrheitspflicht.

Wörtlich gab Gabriel am 6. Mai als Beschuldigter zu Protokoll: „Auf konkretes Befragen gebe ich an, dass Dr. Kaiser bei der strategischen Entscheidung zur Umsetzung der Kampagne anwesend war und diese Umsetzung entschieden hat. Dr. Kaiser handelte so wie auch Mag. Schäfermeier und ich mit dem Wissen, dass Restmittel des Jahres 2009 vorhanden sind. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass Dr. Kaiser, Mag. Schäfermeier und ich gemeinsam entschieden haben, das Geld noch 2009 zu verwenden, eben aus Sorge, dass Landesrat Dobernig (damals FPK-Finanzlandesrat, Anm.) im Jahr 2010 die Geldmittel für die Kampagne nicht mehr freigibt. Dass der Gesamtbetrag von 140.000 Euro auf mehrere Rechnungen aufgeteilt wurde, um eine Befassung und damit verbundene notwendige Genehmigung durch Landesrat Dobernig ebenso zu umgehen wie eine Ausschreibung nach dem Bundesvergabegesetz war glaublich die Entscheidung von Mag. Schäfermeier und mir, Dr. Kaiser war dabei meiner Meinung nach nicht eingebunden.“

Gabriel entlastet seinen Chef also hinsichtlich der eingestandenen Umgehung des Vergabegesetzes – ein lässliche Sünde, die mit Verwaltungsstrafe belegt wird. Schwerer wiegen für die BAK-Ermittler nach profil-Informationen freilich die ersten zwei Sätze der Aussage. Ohne dass es ihm bewusst gewesen sein dürfte, erhärtet Gabriel möglicherweise den Untreue-Verdacht. Schließlich segnete laut Angaben seines Bürochefs Kaiser höchstpersönlich die von den Ermittlern kriminalistisch ins Auge gefassten Kampagnen ab. Gabriel gegenüber profil: „Ich wüsste nicht, was strafbar sein soll, wenn man eine Entscheidung fällt, einen Kampagnenauftrag an eine Agentur zu vergeben. Es gibt für jeden von uns ausgegebenen Euro einen dokumentierten Nachweis.“ Gegenüber den Ermittlern hatte Gabriel auch ausgesagt, dass bei Kaisers Entscheidung, vorhandene Restmittel des Ressorts für eine Kampagne zu nützen, von der Beauftragung von Top Team keine Rede war.

Der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Erich Mayer, hält gegenüber profil explizit fest, nicht kommentieren zu können, ob der Landeshauptmann durch eine Einvernahme be- oder entlastet wurde. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wartet derzeit auf den Eingang des Abschlussberichts des BAK. Erst dann wird strafrechtlich gewürdigt werden, ob die Aussagen seines Büroleiters – und deren Interpretation durch die Kriminalisten – für Kaiser nun belastende oder entlastende Wirkung entfalten.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.