Dämmerzustand

Kulturpolitik. Das Museum für Völkerkunde ist führungslos

Drucken

Schriftgröße

Als die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums (KHM), Sabine Haag, und ihr Geschäftsführer Paul Frey im November 2010 eine Programmpressekonferenz abhielten, lieferten sie ein sinnträchtiges Bild für die Machtverhältnisse in ihrem Haus: Obwohl diesem seit 2001 auch das Theatermuseum und das Museum für Völkerkunde (MVK) zugeordnet sind, kamen deren Vertreter nicht zu Wort. Dass Haag am Ende noch vergaß, das Programm des Theatermuseums zu präsentieren, verstärkte den Eindruck: Die einst gegen ihren Willen angegliederten Museen spielen im KHM-Komplex keine größeren Rollen.

Nun, fast ein Jahr nach der Kündigung des einstigen MVK-Direktors Christian Feest, beabsichtigt Haag, den neuen Leiter des bedeutenden Museums bekannt zu geben. Als Favorit wird Steven Engelsman genannt, derzeit Chef des Museum Volkenkunde in Leiden. Das KHM äußert sich dazu naturgemäß nicht, und auch Engelsman selbst möchte auf profil-Anfrage dazu keinen Kommentar abgeben.

Das MVK befindet sich nicht erst seit 2010 im Schwebezustand. Seit Jahren plant man, einst noch unterstützt durch Kulturministerin Claudia Schmied, eine Fusion mit dem Wiener Museum für Volkskunde. Bereits 2009 taten allerdings sowohl dessen Direktorin Margot Schindler als auch Feest kund, dass ein neues Museum eigenständig agieren sollte. Im Oktober 2010 teilte Schmied überraschend mit, dass die erforderlichen 22 bis 24 Millionen Euro doch nicht zur Verfügung stünden. Die ausgearbeiteten Konzepte wanderten in die Schublade, und Feest, unglücklich über den Verbleib der Völkerkunde im KHM, nahm den Hut. Erst im Mai schrieb das KHM den Job wieder aus. Der späte Termin wurde damit begründet, dass man weiter mit Schindler verhandelt habe. Diese hatte freilich bereits im März definitiv erklärt, dass das "Integrationsangebot“ des KHM "nicht akzeptabel“ sei.

Inzwischen ging wertvolle Zeit verloren; seit 2004 harrt das Museum der Neuaufstellung seiner Sammlung - lediglich zwei Säle sind mit Objekten daraus bespielt, der Rest bleibt vor der Öffentlichkeit verborgen. Im ersten Stock laufen derzeit zwei Wechselausstellungen, dazwischen: leere Vitrinen, Leitern, verschlossene Türen. 2009 gab man zwei Räume an die Nationalbibliothek ab, die darin einen Lesesaal einrichtete.

Nicht nur im Museum selbst ist man wenig glücklich über die Situation, nur Teil des KHM zu sein, auch in Fachkreisen wird dieser Zustand scharf kritisiert. Thomas Fillitz, Vorstand des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien, beanstandet den Status quo: "Das größte Problem des Museums ist, dass es wie eine KHM-Abteilung geführt wird, im Grunde so, als wäre es eine schlechtere Ausstellungshalle. Die Sammlungen sind nicht zugänglich, dabei ist der internationale Rang des Museums ebenso hoch wie jener des KHM selbst.“ Daran ändere die Berufung eines neuen Leiters wenig: "Man tut so, als ob eine Neubesetzung das Problem lösen könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Der neue Direktor wird selbst einen Haufen neuer Probleme kriegen!“

Auch Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen und studierter Ethnologe, befürwortet wie Fillitz ein Zusammengehen von MVK und Museum für Volkskunde. "Österreich besitzt eine der größten und weltbesten ethnologischen Sammlungen, aber für wen? Sie vergammelt im Depot“, konstatiert er. Bereits im November 2010 äußerte Fillitz in einem Brief an Ministerin Schmied seine Sorge über das MVK. International bedeutende Fachleute brächten "dem seit Jahren anhaltenden Zustand des Museums nur Unverständnis entgegen“, und schon die "Unterordnung des Museums unter einen Konzern, dem das KHM vorsteht“, sei ihm und seinen Kollegen nicht nachvollziehbar gewesen, moniert er. Bis heute erhielt er auf sein Schreiben keine Antwort.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer