Leuchtathleten

Luster aus Österreich für Mekka: Über 100 Millionen Euro Auftragssumme

Export. Ein niederösterreichisches Unternehmen liefert Luster für die neue Pilgerstätte in Mekka

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Der größte Luster misst sechs Meter im Durchmesser und sieben Meter an Höhe, wiegt über sieben Tonnen und verbraucht so viel Energie wie ein Einfamilienhaus. Gleich neun Stück dieser vergoldeten Riesenleuchten – zum Einzelpreis von knapp unter einer Million Euro – werden derzeit im neuen, mit viel Marmor ausgestatteten Pilgerzentrum neben der alten Moschee in Mekka aufgehängt.

Insgesamt werden rund 4700 Leuchter „made in Austria“ in 26 verschiedenen Größen die Gebäude, die für drei Millionen Pilger dimensioniert sind, innen und außen erhellen. Den Großauftrag in der Höhe von über 100 Millionen Euro bekam vor einem Jahr ein in der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekanntes niederösterreichisches Unternehmen. Die Consot-Unternehmensbeteiligungs-GmbH ist eine private Firma in Guntramsdorf südlich von Wien und gehörte lange zum Constantia-Konzern des Unternehmers Herbert Turnauer. Nach einem Management Buy-out steht sie heute im Eigentum von zwei Österreichern und einem saudi-arabischen Geschäftsmann.

Unter dem Markennamen Lights of Vienna fertigen derzeit in den Produktionshallen in Guntramsdorf und in Bernhardsthal im Weinviertel 80 Mitarbeiter und weitere 120 in Subunternehmen – meist in aufwändiger Handarbeit – Luster für die heiligsten Stätten des Islam im Königreich Saudi-Arabien. Technik und Design stammen zu einem großen Teil von der Firma „Dotzauer Kristall-Leuchten“ in Brunn am Gebirge, die vor allem auch die größten Luster herstellt.

Die bisher weltweit größte Ausschreibung im dekorativen Leuchtensektor hatte Lights-of-Vienna im Vorjahr gewonnen. Vergeben hat ihn einer der weltgrößten Baukonzerne, die Saudi Binladen Group (SBG), die vom Halbbruder des einstigen Al-Kaida-Terror-Chefs geleitet wird. Vom saudi-arabischen König Abdulaziz, offiziell Hüter der heiligen Stätten in Mekka und Medina, wurde dieses Unternehmen mit dem milliardenschweren Umbau der Pilgerstätte in Mekka betraut.

Ein Hauptgrund für den Auftrag an das österreichische Unternehmen war, dass es in Saudi-Arabien schon Referenzen vorweisen konnte. Ende der 1980er-Jahre lieferte es mehrere Luster für die Moschee in Medina, in den 1990er-Jahren auch für die Moschee in Mekka. „Es hat bis heute keine einzige Reklamation gegeben“, erzählt Lights-of-Vienna-Geschäftsführer Alexander Oborny, zugleich einer der drei Consot-Gesellschafter. „Die Auftraggeber wussten, dass wir die hohen Qualitätsanforderungen erfüllen können.“ Allein für die mechanischen Teile gibt die Firma 50 Jahre Garantie. Für die Ausschreibung waren umfangreiche Vorarbeiten nötig. Für jede Leuchtentype mussten detaillierte Pläne vorgelegt werden, samt Aufstellung der Kosten für jeden einzelnen Bestandteil. „Allein daran haben wir monatelang gearbeitet“, erinnert sich Oborny. Die zu vergoldenden Metallteile stellen eine Fläche von rund 37.000 Quadratmetern dar, fast 100 Kilogramm Gold wurden verwendet. Die darauf spezialisierten Betriebe in Italien und der Steiermark mussten bis zu drei Meter lange Wannen für die Vergoldung anschaffen. „Normalerweise werden so große Teile nicht vergoldet“, so Oborny.

Doch für die heiligsten Stätten des Islam wurden keine Kosten gescheut. Mundgeblasene Teile der Luster kommen aus Italien und der tschechischen Republik, wo noch immer Glasbläser werken. Die glitzernden Kristalle, die in jeder Leuchte angebracht werden, liefert Swarovski. Die geriffelten Flachglas-Scheiben kommen aus den USA. Nur diese erfüllen die rigiden Sicherheitsauflagen: Wie bei einer Pkw-Windschutzscheibe soll ein Glasfenster bei einem Bruch in kleine Würfel zerfallen, um keine Pilger zu verletzen.

Wie die Österreicher zu dem Großauftrag kamen, ist eine Mischung aus Glück, Geduld und den richtigen Beziehungen. Oborny reiste Anfang der 1980er-Jahre nach Saudi-Arabien. Dort sollte er als Angestellter des Verpackungsunternehmen Teich Aluminium – Bestandteil des Constantia-Firmenreichs – Folien verkaufen, doch die Verhandlungen verliefen zäh.
„Eigentlich wollte ich schon aus Zorn über die hohen Spesen abreisen, da bekam ich einen Anruf aus Wien“, erinnert sich Oborny. In Jeddah, der aufstrebenden Stadt am Roten Meer, sollten für die Messung des kostbaren Trinkwassers Zähluhren angeschafft werden. Oborny lieferte in einem Probeauftrag 25.000 Stück über eine Wiener Produktionsfirma.

Das war der Einstieg in den lukrativen Markt auf der arabischen Halbinsel. Obornys Geschäftspartner in Saudi-Arabien, Nour T. Beydoun, heute Dritteleigentümer der Firma in Guntramsdorf, vermittelte bald danach den nächsten Auftrag: Für die Moschee in Medina wurden Luster um 50 Millionen Schilling (3,5 Millionen Euro) geliefert, damals noch in Kooperation mit dem Wiener Traditionsunternehmen Lobmeyr.

Später folgten die ersten Prototypen aus eigener Produktion, die bald an internationale Hotels – vom Berliner Adlon bis zum St. Regis in Kuala Lumpur – verkauft wurden. Aber erst die Baustelle in Mekka mit neuen, riesigen Moscheen, Pilgerzentren und Hotels für bis zu drei Millionen Pilger sorgte für den Großauftrag. Durch die enormen Dimensionen der Hallen wirken selbst sieben Meter hohe Luster nicht mehr protzig. Im nächsten Sommer soll das Pilgerzentrum rund um die Kaaba fertiggestellt sein, rechtzeitig vor Beginn des Fastenmonats Ramadan.

Lights of Vienna heuerte eine Reihe von Subunternehmen an. Darunter eine Lichttechnikfirma in Innsbruck, die auch für die Auswahl der Leuchtmittel zuständig war. So wurden Energiesparlampen der etwas älteren Generation verwendet, weil die neue LED-Technik ein zu kaltes Licht in den Moscheen erzeugt hätte.

Etwa die Hälfte der bestellten Luster wurde bereits ausgeliefert. Pro Woche werden bis zu fünf Container per Schiff nach Saudi-Arabien geschickt. Da der Zutritt zu den heiligsten Stätten des Islam nur Muslimen gestattet ist, wurde für die Montage der Leuchten eigenes Personal vor Ort angestellt.
Oborny schwärmt von der handwerklichen Tradition der Partnerbetriebe,
darunter der steirische Vergolder Peter Oswald Oberflächentechnik oder die Innsbrucker High-Tech-Firma Bartenbach Lichtlabor. „Genau durch solche kleine und mittlere Betrieben hat Österreich auch die Folgen der weltweiten Finanzkrise relativ gut überstanden“, so der Lights-of-Vienna-Chef.

In Zeitnot bringt das Luster-Unternehmen nun ein neuer Auftrag für Hotels und andere Gebäude in der russischen Stadt Sotschi, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014. „Zuerst zögern die Auftraggeber die Entscheidung lange hinaus. Und am Ende sollen wir dann innerhalb weniger Wochen liefern“, klagt Oborny.

Foto: Sebastian Reich für profil