Meinl-Skandal. 'Alles deins, Karl-Heinz!'

So kassiert Karl-Heinz Grasser Millionen

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Verschwörung, die: „Wahrigs Deutsches Wörterbuch“ versteht darunter einen „gegen jemanden gerichteten geheimen Plan“ oder eine „geheime Verbindung“; die Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ präzisiert: „Die heimliche Verbündung dient der Durchführung eines Plans mit entweder (a) selbstsüchtiger verwerflicher Zielsetzung zum Schaden anderer oder (b) zwecks Beseitigung von – tatsächlichen oder vermeintlichen – Miss­ständen.“ Die Welt des Julius Meinl annähernd ein Jahr nach Bekanntwerden geheimer Wertpapierrückkäufe bei Meinl European Land: Verschwörer, so weit das Kullerauge blickt. Mal sollen es „Raiffeisen-nahe Kreise“ sein, die ihm nach der Existenz trachten, dann aber doch wieder die SPÖ. Die Finanzmarktaufsicht gängelt den Bankier ohne Unterlass, obwohl die Meinl Bank doch partout nichts Unrechtmäßiges getan haben will. Nicht zu vergessen die Justiz, die Oesterreichische Nationalbank, die Übernahmekommission, die Jersey-Aufsicht Financial Services Commission, aufgebrachte Kleinanlegervertreter und – natürlich – „tendenziöse“ Medien.

Sie alle also reiten nach Meinls Wahrnehmung in konspirativer Tateinheit seit Monaten eine Kampagne gegen die kleine Wiener Privatbank, die in großflächigen Zeitungsinseraten neuerdings beteuert, „immer korrekt“ und unter Einhaltung „gesetzlicher Bestimmungen“ gehandelt zu haben. Da heißt es etwa: „Nach monatelanger Verbreitung von Unterstellungen und Unwahrheiten haben die Anschuldigungen gegen Julius Meinl und die Meinl Bank ein für uns unerträgliches Ausmaß erreicht. Immer absurdere Vorwürfe werden veröffentlicht.“ Dass ein nicht unwesentlicher Teil der „absurden Vorwürfe“ auf das Konto von Oesterreichischer Nationalbank und Finanzmarktaufsicht geht und die Staatsanwaltschaft Wien obendrein wegen mutmaßlichen Betrugs und Untreue ermittelt, lässt Julius Meinl wenig überraschend außen vor.

Die Welt der Meinl-Anleger annähernd ein Jahr nach Auffliegen des Skandals: Es wird ungeachtet aller Ungereimtheiten weiter fröhlich abgesahnt. Mittwoch vergangener Woche ging auf Jersey die außerordentliche Hauptversammlung der börsennotierten Immobiliengesellschaft Meinl European Land (MEL) über die Bühne. Wie zu erwarten war, wurde der Einstieg der Investorengruppe CPI/Gazit Globe um den israelischen Geschäftsmann Chaim Katzman gegen die Stimmen angereister Kleinanleger durchgesetzt. Mit im Paket: die Auflösung der umstrittenen Managementvereinbarung zwischen MEL und Meinl Bank. Bisher wurde der Immobilienbestand in Zentral- und Osteuropa nicht von Meinl European Land selbst, sondern von der Meinl-Bank-Tochter Meinl European ­Real Estate (MERE) verwaltet. Nach Erhebungen der Nationalbank hat MEL zwischen 2003 (dem ersten vollen Jahr nach dem Börsengang) und 2006 aus dem Titel „Managementgebühren“ exakt 14,4 Millionen Euro an die Meinl-Bank-Gruppe abliefern müssen. Im Jahr 2007 kamen noch einmal 12,98 Millionen dazu, insgesamt also 27,38 Millionen Euro. Grundlage dafür war ein vertraglich festgelegter prozentueller Anteil am Buchwert der MEL-Immobilien – für 2003 etwa lag dieser bei 0,3 Prozent, seit 2005 sind es 0,5 Prozent.

Damit ist nun zwar ein für alle Mal Schluss. Nur: Für die Auflösung des unbefristeten Vertrags wird eine Abschlagszahlung von noch einmal 280 Millionen Euro aus der MEL-Kasse fällig. Wie dieser Betrag ausgerechnet wurde, weiß bis heute niemand so genau. Die Meinl Bank ist auch dazu Details schuldig geblieben. Die OeNB hält in ihrem profil vorliegenden Prüfbericht fest: „Der Vertrag wurde per Dezember 2002 geschlossen und als erstmalige Kündigungsmöglichkeit Ende März 2008 vereinbart. Zusätzlich regelt Punkt 15.7 des Vertrags, dass bei einer ordentlichen Kündigung vor Ende 2012 MERE jährlich 60 Prozent der vertraglich festgelegten Management-Fees erhält.“ Zur Erinnerung: Die Meinl-Bank-Gruppe hat MEL für Managementleistungen in fünf Jahren exakt 27,38 Millionen Euro abgeknöpft. Die finale Abschlagszahlung von 280 Millionen Euro erscheint im Lichte der von der OeNB zitierten Vertragspassagen fern jeder Verhältnismäßigkeit.

Nervöse Manager. Und das ist nur ein Anfang. Am 28. Juli stehen außerordentliche Hauptversammlungen der anderen beiden Börsengesellschaften Meinl International Power (MIP) in Wien und Meinl Airports International (MAI) auf Jersey an. Diese mussten auf Druck einer Gruppe von Kleinanlegern um Alexander Proschofsky einberufen werden. Sie drängen unter anderem auf eine Auswechslung der Manager bei MAI und MIP – allesamt Vertraute von Julius Meinl – und die kostenlose Aufkündigung der Bankverträge. Analog zu MEL wurden für diese Gesellschaften mehr oder weniger transparente Vereinbarungen geschlossen, die der Meinl Bank allein 2007 Zuflüsse in der Höhe von insgesamt 258 Millionen ­Euro gesichert haben.

Auch hier buhlt man nun mittels Inseraten um die Gunst der Anleger. MIP-„Chairman“ Hans Haider etwa verspricht viel. Demnach soll jetzt auch Meinl Power aus dem „Managementvertrag“ mit der Meinl Bank entlassen werden, sofern die Investoren ihm weiterhin das Vertrauen schenken. „Es ist mir in harten Verhandlungen mit Herrn Meinl gelungen, eine Option zu bekommen, die uns das Recht einräumt, die Verträge zu lösen“, so der frühere Chef der Verbundgesellschaft gegenüber profil. Meinl wäre nicht Meinl, ginge nicht auch das ins Geld. Laut Haider schlägt die angestrebte Aufkündigung des Managementvertrags zwischen Meinl ­Power und der nicht börsennotierten Gesellschaft Meinl Power Management, kurz MPM, mit 32 Millionen Euro zu Buche.

Meinl Power notiert seit August 2007 an der Wiener Börse – parallel zum Börsengang wurde MPM eingerichtet, um das operative Geschäft zu führen. 66,67 hält die Meinl Bank, 33,33 Prozent ein gewisser Karl-Heinz Grasser. Dieser war von Meinl ins Boot geholt worden, um Kontakte aus seiner Zeit als Finanzminister bei der Anbahnung von Energieprojekten in Osteuropa zu aktivieren. Über Grassers tatsächlichen Arbeits­einsatz lässt sich aber offenbar diskutieren. Haiders knapper Kommentar: „Dazu gibt es nicht viel zu sagen, daher sage ich dazu auch nichts.“ Haider wiederum war nach eigenem Bekunden als „Teilzeitberater“ in Energiefragen zu Meinl Power geholt worden (profil 39/07). Sein ursprünglich angepeiltes Arbeitspensum: 30 bis 50 Wochenstunden – im Jahr. „Gehen Sie davon aus, dass ich in den vergangenen Monaten ein Vielfaches geleistet habe“, verrät Haider. 2007 erhielt er dafür eine „Vergütung“ von 130.000 Euro.

Karl-Heinz Grasser? Kassiert selbst zwar kein Gehalt, ist aber an den Erträgen von MPM beteiligt. Laut Jahresabschluss von Meinl International Power wurden 2007 im Wege der „Managementvereinbarung“ exakt 3.290.902,00 Euro an MPM überwiesen. Da Grasser ein Drittel hält, standen ihm rechnerisch 1,1 Millionen Euro zu, der Rest verblieb bei der Meinl Bank – für gerade einmal fünf Monate Arbeit (die Managementgesellschaft ist erst im Zuge des MIP-Börsengangs am 1. August 2007 operativ tätig geworden). Theoretisch müssten zwar laufende Kosten in Abzug gebracht werden, diese dürften aber überschaubar sein. Die Wiener Büro-Infrastruktur etwa stellt die Meinl Bank, auf teures Personal wird verzichtet. Da MPM, wie zahlreiche andere Meinl-Gesellschaften auch, auf der britischen Kanalinsel Jersey registriert ist, fallen zunächst auch keine Steuern an. Sollte Grasser aber hierzulande auf das Geld zugreifen, wäre er selbstverständlich steuerpflichtig.
Julius Meinl hat Karl-Heinz Grasser ­also binnen weniger Monate zu dessen ers­ter Euro-Million verholfen – während tausende Kleinanleger regelrecht ausbluteten.

Arme Anleger. Ende Juli 2007 hatte MIP rund 60 Millionen so genannter Zertifikate zum Preis von jeweils zehn Euro auf den Markt geworfen. Die Emission geriet, wie ausführlich berichtet, zum Flop. Vier Millionen unverkäufliche Zertifikate wurden, ähnlich wie 2006 und 2007 bei MEL, klammheimlich zu einem Investmentvehikel der Familie in der Karibik verschoben. Weil diese Gesellschaft, JM Marketing and Trading A.V.V., aber kein Geld hatte, muss­te Meinl Power im Wege einer Anleihe Kredit gewähren. Dessen ungeachtet kassierte die Meinl Bank die volle „Platzierungsgebühr“ von 41,19 Millionen Euro, wovon ihr nach Abzug der Provisionen für Vertriebspartner netto 22 Millionen verblieben. Da letztlich MIP und somit alle Anleger die Übernahme der nicht platzierten Papiere finanzierten, trugen sie – unwissentlich – auch das gesamte Risiko. Und es kam noch schlimmer. Die MIP-Zertifikate gerieten bereits am ersten Handelstag trotz massiver Stützungskäufe durch die Meinl Bank unter Druck – und haben den Ausgabekurs von zehn Euro seither nur mehr aus der Ferne gesehen.

Auch über den wirtschaftlichen Erfolg lässt sich streiten. Seit Sommer 2007 konnte die Energiegesellschaft zwar ein halbes Dutzend „Investitionsprojekte“ in Deutschland, Ungarn, Spanien und der Slowakei anlanden. Diese werfen jedoch noch lange keine messbaren Erträge ab. Ende 2007 hatte MIP deshalb immer noch knapp mehr als 500 Millionen Euro aus dem Börsengang auf der Kante – und lebte von den Zinsen. So flossen der Gesellschaft Zinserträge von 9,86 Millionen Euro zu – wovon mit 5,28 Millionen Euro mehr als die Hälfte wieder für die Meinl Bank bestimmt war: 3,29 Millionen Euro für besagte Managementleistungen, 1,32 Millionen für das so genannte Market Making (also das tägliche Stellen von Börsenkursen durch die Bank) und immerhin 674.000 Euro für die Nutzung des Namens „Meinl“. All das führte dazu, dass MIP unter dem Strich ein Jahresergebnis nach Steuern von gerade einmal 2,8 Millionen Euro ausweisen konnte.

Und dieses Elend soll jetzt mittels einer Abfindung zugunsten von Grasser und Meinl in der Höhe von 32 Millionen Euro beseitigt werden? „Wir reden hier von einer Option, also einer Möglichkeit auszusteigen“, betont Hans Haider. „Die Anleger können, müssen sich aber nicht dafür entscheiden.“ Wie dieser Betrag zustande kommt? Haider: „Es handelt sich um das untere Ende einer objektiven Berechnung, die von Lazard erstellt wurde.“

Bei Lazard wiederum handelt es sich rein zufällig um jene US-Investmentbank, die Meinl seit Jahren auf das Engste verbunden ist – und die unter anderem auch für die Ermittlung der 280-Millionen-­Euro-Abschlagszahlung bei MEL verantwortlich zeichnete.
Karl-Heinz Grasser ist dazu bisher herzlich wenig eingefallen. Gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ ließ er vergangene Woche lediglich durchblicken, dass ihm bei Aufkündigung des Managementvertrags nicht, wie allgemein angenommen, auch ein Drittel von 32 Millionen Euro, also 10,6 Millionen Euro, zustünden. Im Hinblick auf eine Rückkehr in die Politik soll im Vorjahr ein sechsjähriger „Stufenplan“ mit Julius Meinl vereinbart worden sein, der Grasser bei einem Ausstieg vor 2013 lediglich anteilige Zuflüsse sichert. Da er erst ein Jahr abgedient hat, würde jetzt nur ein Sechstel von 10,6 Millionen Euro, also nicht ganz 1,8 Millionen Euro, fällig. Der große Rest stünde also auch in diesem Fall der Meinl Bank zu. Aus der Sicht der bemitleidenswerten Meinl-Anleger macht das aber ohnehin keinen Unterschied mehr.

Von Michael Nikbakhsh