Das große Hauen: Na- tionalrats-Wahlkampf

Nationalrats-Wahlkampf: Das große Hauen Am 1. Oktober wird in Österreich gewählt

Das Parlament hat seine Auflösung beschlossen

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Was kostet der Wahlkampf wirklich?
Für jene, die daran glauben, die offiziellen Zahlen: ÖVP und SPÖ wollen je sieben Millionen Euro ausgeben, die Grünen 3,925 Millionen Euro. Die FPÖ hat ein „flexibles Budget“, wie Generalsekretär Harald Vilimsky erklärt. Richtwert: vier Millionen Euro, das BZÖ nennt 4,5 Millionen Euro als Wahlkampfbudget. Während die Angaben der Parteien in der Regel „propagandistisch motivierte Untertreibungen sind“, wie der Politologe Hubert Sickinger feststellt, dürfte das BZÖ aus Imagegründen übertreiben, um zumindest am Papier in der Liga der Großen mitzuspielen.

In diesen Wahlkampfbudgets sind die Ausgaben von Landes- und Vorfeldorganisationen nicht enthalten. Vor allem in der ÖVP kommen hier noch einige Millionen dazu. Aber auch das Kärntner BZÖ führt einen eigenständigen Wahlkampf um das Grundmandat. „Maximal eine Million Euro“ will man dafür laut Wahlkampfleiter Stefan Petzner ausgeben. Unabhängige Experten schätzen, dass der Wahlkampf in Wahrheit das Doppelte von dem kostet, was angegeben wird, heuer also fast 50 Millionen Euro, etwa zehn Euro pro Wähler. Österreich liegt damit im weltweiten Vergleich auf Platz zwei, geschlagen nur von Japan.

Womit bezahlen die Parteien den Wahlkampf?
Bei ÖVP, SPÖ und Grünen ist klar, woher das Geld kommt: aus dem Steuertopf. Akademie-, Partei- und Klubförderung machen in Summe 147,2 Millionen Euro aus. Außerdem wird nach geschlagener Wahl noch ein Wahlkostenbeitrag ausgezahlt, der sich nach den errungenen Sitzen im Parlament errechnet. Die FPÖ finanziert ihren Wahlkampf großteils aus den Kassen der Landesparteien, wobei sie vor allem von der üppigen Parteienförderung in Wien lebt.

Das BZÖ finanziert seinen Wahlkampf nach Angaben von Finanzreferent Harald Fischl aus „Spenden und Ersparnissen“. Wie man nach etwas mehr als einem Jahr Parteigeschichte Ersparnisse in Millionenhöhe kumuliert haben will, konnte Fischl nicht beantworten. Spendenanfragen von BZÖ-Ministern oder Landeshauptmann Jörg Haider bei Unternehmen dementiert Fischl heftig. „Das Geld stammt von Menschen, die ein Interesse daran haben, dass das BZÖ eine treibende Kraft in Österreich bleibt.“

Wer verdient am Wahlkampf?
Die größten Nutznießer einer Wahl sind die Papierindustrie und die Verlagshäuser. 2002, bei der letzten Nationalratswahl, gaben die Parteien laut dem Marktforschungsinstitut Focus insgesamt 20 Millionen Euro für klassische Werbung – also Plakate (8 Millionen), Inserate in Tageszeitungen (6,3 Millionen) und Magazinen (4,5 Millionen) – aus, Rundfunk- und Kinospots machten gemeinsam knapp 900.000 Euro aus. Nicht in diesen 20 Millionen enthalten sind jedoch die Kosten für Give-aways, Events der Parteien und Personalkosten. Diese können nur schwer erfasst werden, da es dafür oft „sehr kreative Arten der Bezahlung“ gibt, wie Werner Keltscha vom Werbeartikelhersteller Multi Gate sagt. Recht gut verdienen übrigens auch die Werbeagenturen: Für die Wahlkampagnen kassieren sie jeweils von 200.000 Euro aufwärts.

Müssen sich die Kandidaten ihre Mandate „erkaufen“?
Dass die Parteien von ihren Mandataren rund fünf Prozent des Politikerbezugs als Parteisteuer einheben, ist bekannt – ebenso der mittlerweile verworfene Plan der FPÖ, ihren künftigen Mandataren eine Haftung für Wahlkampfkredite anzuhängen. Weniger gern wird über finanzielle Aufwendungen gesprochen, welche die Kandidaten selbst im Wahlkampf zu tragen haben. Abgesehen von der ÖVP bekennt sich keine Partei dazu. „Wir sagen Danke, wenn es Spenden gibt, aber wir verpflichten niemanden“, heißt es etwa beim BZÖ. Dort zahlen, abhängig davon, wie viel die Landesgruppen beisteuern, die Kandidaten bis zu 4000 Euro für den Wahlkampf und bekommen dafür Gegenleistungen wie ein Wahlkampfauto mit Chauffeur und Folder für ihren persönlichen Wahlkampf.

Wie viele Wahlkämpfer sind für die Parteien unterwegs?
Für die ÖVP und die SPÖ werden je 40.000 Parteifunktionäre unbezahlt in die Kampagne ziehen. Bei der FPÖ und den Grünen ist der Kreis der Wahlkämpfer überschaubarer: Rund 2000 Aktivisten werden für ihren jeweiligen Spitzenkandidaten Werbung machen. Beim BZÖ hofft man, übertrieben optimistisch, auf 850 Wahlkämpfer.

Wie genau sind die Umfragen vor der Wahl?
Die Sonntagsfrage („Wem würden Sie Ihre Stimme geben, wenn am kommenden Sonntag Nationalratswahlen wären?“) spiegelt Trends und Stimmungen, aber nicht immer das zu erwartende Ergebnis wider. Werden etwa, wie bei den meisten Umfragen üblich, 500 Wähler befragt, liegt allein die statistische Schwankungsbreite im Bereich zwischen null und vier Prozentpunkten. Außerdem deklarieren sich nicht alle Wähler, die Demografen müssen also ihre „Rohdaten“ hochschätzen. Überdies gibt es bei manchen Parteien, etwa den Grünen, eine „Überdeklarierung“, bei anderen, zu denen man sich nicht so gern öffentlich bekennt, wie etwa der FPÖ, eine „Unterdeklarierung“. Auch dies ist in Hochschätzungen zu berücksichtigen. Je näher der Wahltermin rückt, desto genauer fallen die Umfragen der verschiedenen Institute aus.

Was bringen Fairnessabkommen?
Relativ wenig, wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen. Im Bundespräsidentschaftswahlkampf warf die SPÖ der ÖVP Ideendiebstahl vor, weil diese den Spruch „Politik braucht ein Gewissen“ entwendet hatte. Die ÖVP sah im Verteilen von Mannerschnitten und Bonbons seitens der SPÖ einen Bruch des Fairnessabkommens. Sanktionen gab es nicht, beide Vorwürfe konnten durch das Abkommen nicht geahndet werden. Auch bei den oberösterreichischen und steirischen Landtagswahlen blieben diverse Verstöße gegen das Fairnessabkommen ohne nennenswerte Konsequenzen.

Als Alternative zu einem neuen Abkommen schlägt der Politologe Anton Pelinka vor, Wahlkampfmethoden durch gesetzlich verankerte Sanktionen zu regeln.

Wie viele Wechselwähler wird es diesmal geben?
Die Zeit der strengen Parteibindung ist Geschichte. 53 bis 57 Prozent der Österreicher lassen sich laut Fessel-GfK als Wechselwähler definieren. Nach jüngsten Studien bleiben nur zehn (bei der ÖVP) bis 15 Prozent (bei der SPÖ) ihrer Stammpartei bei Landtags-, EU- und Nationalratswahlen immer treu – Tendenz fallend. Die Multiwähler kombinieren dagegen alles Mögliche: Schwarz und Blau auch gern mit Rot; Rot und Grün auch mal mit Schwarz (jeweils sieben Prozent) – oder schlicht abwechselnd SPÖ und ÖVP (zehn Prozent).

Wie viele Wahlkampfauftritte absolviert ein Spitzenkandidat?
SP-Chef Alfred Gusenbauer will es wie bereits in seiner „Startklar“-Tour halten: zwölf Auftritte mit dem Ziel von 1000 persönlichen Kontakten pro Tag. Die Grünen werden wieder mit dem Spitzenduo Alexander Van der Bellen und Eva Glawischnig wahlkämpfen – bis zu fünf Auftritte stehen für beide täglich am Programm. „Unsere Bundesländertage werden von den Funktionären vor Ort organisiert“, erklärt VP-Generalsekretär Reinhold Lopatka, der, abgesehen von der Auftaktveranstaltung am 2. September und der Schlusskundgebung am 30. September, noch keine Wahlkampfauftritte für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fixiert hat. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will fünfmal am Tag in einem „Speakers Corner“ auftreten, sein oranges Gegenüber Peter Westenthaler spricht von insgesamt 300 Auftritten, also etwa zehn pro Tag.

Schafft Hans-Peter Martin eine Kandidatur?
Auch wenn „News“ und „Kronen Zeitung“ das Gegenteil schreiben: Realistisch ist eine bundesweite Kandidatur von HPM nicht. Im Zeitraum zwischen dem 1. und 25. August müssten sich 2600 Österreicher – aufgeteilt nach einem Bevölkerungsschlüssel von je 500 in Wien und Niederösterreich bis je 100 in Vorarlberg und im Burgenland – auf der Homepage des Innenministeriums die Unterstützungserklärung ausdrucken, damit zu ihrem Gemeindeamt gehen und sich dort mit ihrer Unterschrift als Martin-Unterstützer deklarieren. Sollte dies wider Erwarten eintreten, müsste Martin bis zum 10. September noch 43 Kandidaten auftreiben, um alle Regionalwahllisten zu besetzen. Wenn ihm auch das gelingt, muss er seinen potenziellen Wählern nur noch klar machen, weshalb er seinen Platz im EU-Parlament schon nach zwei Jahren aufgibt, denn ein Mandat in beiden Parlamenten ist laut Verfassung nicht erlaubt.

Wann entscheiden sich die Wähler wirklich?
Ein Viertel der Wähler, die so genannten Late- und Last-Minute-Deciders, wird sich erst in den letzten beiden Wochen vor der Wahl entscheiden. Laut einer aktuellen OGM-Umfrage für profil sind mindestens 22 Prozent der Wähler noch unentschlossen (siehe Grafik). „Aber rund zwei Drittel davon haben zumindest eine Ahnung, wen sie wählen könnten“, sagt OGM-Demoskop Peter Hajek. Es kommt ganz auf die Stimmungslage an: So hatten sich vergangenes Jahr beim verschlafenen Landtagswahlkampf im Burgenland 90 Prozent der Wähler schon lange vor dem Wahltermin entschieden, beim Kopf-an-Kopf-Rennen in der Steiermark dagegen waren in den letzten drei Tagen vor dem Urnengang noch 14 Prozent der Wählerstimmen auf dem Markt.

Welche Rolle spielen die TV-Konfrontationen?
Es änderte nichts, dass Wolfgang Schüssel schon demonstrativ seine Tasche packte, als Alfred Gusenbauer noch am Wort war: Das Fernsehduell des VP-Kanzlers mit seinem SPÖ-Herausforderer vor der Nationalratswahl 2002 brachte einen „Punktesieg Gusenbauers gegen Schüssel“, wie nicht nur die „Neue Zürcher Zeitung“ urteilte. Gusenbauers angriffiges „Schauen Sie mir in die Augen, Herr Bundeskanzler“ und „Erzählen S’ kan Lavendl“ wurden zu geflügelten Worten. Aber wenn Wahlen auch nicht im Fernsehstudio entschieden werden – Bedeutung haben TV-Debatten dennoch: Bei einer Wahltagsbefragung von Fessel-GfK sagte 2002 jeder Vierte, die TV-Konfrontationen hätten seine Entscheidung in der Wahlzelle stark beeinflusst, und zwölf Prozent gaben sogar an, sie hätten aufgrund der Fernsehkonfrontationen eine andere Partei gewählt, als sie ursprünglich vorhatten.

Was plant der ORF für diesen Wahlkampf?
Zwischen 5. und 21. September wird es dienstags und donnerstags nach der „ZiB 2“ sechs einstündige Zweierkonfrontationen der Spitzenkandidaten von ÖVP, SPÖ, Grünen und BZÖ geben. FPÖ-Obmann Strache kommt nicht zum Zug, weil seine Partei im Nationalrat keinen Klubstatus genießt. Die Spitzenkandidaten können sich laut ORF „hochrangig“ vertreten lassen. Diese Möglichkeit wird Bundeskanzler Schüssel nutzen, der dem Vernehmen nach nur gegen SPÖ-Chef Gusenbauer in einem „Kanzlerduell“ antreten will. Dieses wird daher auch schon um 21.10 Uhr stattfinden. Am 28. September, also am Donnerstag vor der Wahl, diskutiert die „Elefantenrunde“ der Spitzenkandidaten – wieder ohne FPÖ. Zwei Tage vorher sollen alle anderen bundesweit antretenden Parteien – also die „Elefanterln“ – debattieren dürfen, wobei kurioserweise nur Strache und der KPÖ-Spitzenkandidat aufeinander treffen könnten, wenn Martin keine Kandidatur schafft. Moderiert werden alle Konfrontationen von Ingrid Thurnher. Dazu kommen vier „Pressestunden“ mit den Klubobleuten und vier „Offen gesagt“-Termine zu Sachthemen des Wahlkampfs.

Wer wird den schmutzigsten Wahlkampf führen?
Für wirklich dreckiges Campaigning ist Österreich zu klein. In den USA kommen perfide Unterstellungen – bis hin zu Sodomie und Verbrechertum – nie aus dem Lager des Gegenkandidaten, sondern von vermeintlich unabhängiger dritter Seite. Drahtzieher solcher „spins“ ließen sich hierzulande schnell zuordnen, was dem eigenen Kandidaten schaden würde. Am ehesten verdächtigen die Österreicher laut market-Umfrage im Auftrag von profil von vergangener Woche noch die FPÖ, tief in den Schmutzkübel zu fassen. Ein gutes Fünftel erwartet laut dieser Erhebung eine Reprise des derben Strache-Stils aus dem Wiener Wahlkampf im Vorjahr (siehe Grafik). „So was hilft bestenfalls, um Aufmerksamkeit zu erregen, also nur Kleinparteien“, sagt Politologe Peter Filzmaier. Die Großen beflegeln sich eine Ebene höher: Statt allzu untergriffig zu attackieren, halten ÖVP- und SPÖ-Granden einander gegenseitig Schlammschlachtmethoden vor. Der schwarze Chef-Stratege Reinhold Lopatka, vor dessen „Giftküche“ die SPÖ gern warnt, ließ sogar eine Website einrichten, auf der er vermeintliche Gemeinheiten des Gegners veröffentlicht. Die Opferrolle macht eben sympathischer.

Welche Wahlkampf-Themen werden entscheidend sein?
Elf Wochen vor dem Wahltermin spielt der Spitzenkandidat einer Partei bei der Entscheidung der Österreicher laut einer profil-Umfrage noch eine untergeordnete Rolle (siehe Grafik). Im Laufe des Wahlkampfs wird sich die Frage nach dem Kanzlerkandidaten jedoch zuspitzen. Als wichtigstes Motiv für ihre Wahlentscheidung nennen die Wähler momentan die Verhinderung von Missständen, gefolgt von der Tradition, fast immer für die gleiche Partei zu stimmen. Die Zufriedenheit mit der Entwicklung des Landes ist für die Wahlentscheidung ebenso relevant wie die Debatte um die Bawag-Affäre, je nach Couleur allerdings mit unterschiedlicher Tendenz: Wer mit Österreichs Weg derzeit glücklich ist, wählt eher ÖVP, wer sich vor allem über die ÖGB-Bank ärgert, stimmt aus Protest eher für die FPÖ. Bisher hat es die SPÖ nicht geschafft, eine Wendestimmung im Land zu schaffen. Der Protest gegen die Bundesregierung spielt sogar in ihrer Kernklientel nur eine untergeordnete Rolle.

Welche Rolle wird das Internet in diesem Wahlkampf spielen?
Alle Parteien sind sich einig darüber, dass die Bedeutung des Internets vor allem bei der jungen Wählerschaft zunimmt. Die SPÖ wird eine neue Wahlkampf-Website präsentieren, an der derzeit zehn Techniker und redaktionelle Mitarbeiter feilen. Geplant sind ein Internet-Tagebuch und Fun-Spiele als Download.

FPÖ und Grüne präsentieren ihre Internet-Überraschungen in den nächsten Wochen, das BZÖ kündigt eine Peter-Westenthaler-Homepage an. Der Internet-Wahlkampf soll auch im Fairnessabkommen geregelt werden.

Wem hilft eine geringe Wahlbeteiligung?
Die Bundes-ÖVP muss Acht geben, nicht das Schicksal der Wiener SPÖ zu erleiden: Bei der Landtagswahl im Vorjahr waren viele von deren Anhängern zu Hause geblieben, weil ein triumphaler Wahlsieg ohnehin festzustehen schien. Auch viele Wähler der Sozialdemokraten, die über die Bawag-Affäre empört sind und trotzdem keine andere Partei wählen wollen, könnten sich diesmal der Stimme enthalten. Je geringer die Wahlbeteiligung ausfällt, desto stärker profitieren Kleinparteien wie Grüne, Blaue und Orange, da ihre Wählerstimmen mehr Gewicht bekommen. Die Wahlbeteiligung liegt bei Nationalratswahlen in Österreich traditionell hoch. 2002 betrug sie 80,5 Prozent.

Werden die Frauen anders wählen als die Männer?
Frauen wählen seit Beginn der neunziger Jahre verstärkt Mitte-links-Parteien, Männer tendieren zu Mitte-rechts. Den bisherigen Höhepunkt der geschlechterspezifischen Polarisierung brachte die Nationalratswahl 2002. Damals entfielen 50 Prozent der Stimmen von Frauen auf SPÖ und Grüne, während nur 39 Prozent der Männer eine dieser beiden Parteien wählten. ÖVP und FPÖ dagegen wurden insgesamt von 56 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen gewählt. Auffallend war, dass die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ bei den Wählerinnen mit je 40 Prozent gleichauf lagen, dass für Männer die ÖVP mit 44 Prozent dagegen wesentlich attraktiver als die SPÖ mit 32 Prozent war. Bei den Parlamentswahlen 1999 hielt die FPÖ bei Männern die Spitzenposition: Sie bekam von jedem dritten Mann, aber nur von jeder fünften Frau die Stimme. Auch bei der großen FPÖ-Abkehr nach Knittelfeld im Jahr 2002 gingen die Geschlechter getrennte Wege: 60 Prozent der enttäuschten FPÖ-Wähler wandten sich der ÖVP zu, die Mehrzahl der weiblichen FPÖ-Abwanderer wechselte zur SPÖ.

Wie viele Prozentpunkte können in einem Wahlkampf noch bewegt werden?
Einige, wie man 2002 gesehen hat“, sagt Peter Ulram vom Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK. Damals war die SPÖ fünf Wochen vor der Wahl in den Umfragen bis zu fünf Prozentpunkte vor der ÖVP gelegen. Am Wahlsonntag kam es jedoch ganz anders: Der Zerfall der FPÖ nach Knittelfeld hatte Wolfgang Schüssel zahllose ehemalige FPÖ-Wähler zugetrieben. Jetzt lag die ÖVP um fünf Prozentpunkte vor der SPÖ. Vor der Nationalratswahl 1999 waren die Umfragen für SPÖ und ÖVP im Sommer noch hervorragend gewesen, nach dem herbstlichen Wahlkampf räumte jedoch die FPÖ ab.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich nach der Wahl nur eine ÖVP-SPÖ-Koalition ausgeht?
Beträchtlich. Wäre der derzeitige Umfragestand (ÖVP 40 Prozent, SPÖ 36, Grüne 12, FPÖ 8, BZÖ 3) auch das Wahlergebnis, käme sowohl eine schwarz-rote als auch eine schwarz-grüne Koalition infrage. Tritt allerdings ein weiterer Mitbewerber auf den Plan oder bleiben die Grünen – wie es oft der Fall ist – bei der Wahl hinter den Umfragewerten zurück, gäbe es rein arithmetisch nur die Möglichkeit einer großen Koalition.

Von Josef Barth, Thomas Cik, Marianne Enigl, Herbert Lackner und Elisabeth Schwenter