Die Sportskanone

Kein Medaillenanwärter: Sportminister Norbert Darabos

SPÖ. Warum Sportminister Norbert Darabos in seiner Disziplin kein Medaillenanwärter ist

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Geraten die Staatsfinanzen inklusive Triple-A-Rating ins Kippen, darf man dem Finanzminister - oder der Finanzministerin - Schuld zuweisen. Belasten Justizskandale das Land, kann man den Justizminister - oder die Justizministerin - öffentlich anklagen. Stagniert die Wirtschaft, ist es angebracht, das Wirken des Wirtschaftsministers zu hinterfragen. Bleiben Erfolge im Sport aus, dann hat einer freilich sicher nichts damit zu tun: Norbert Darabos. So sieht zumindest der Sportminister die Welt.

Als zur Olympia-Halbzeit die rot-weiß-rote Medaillenbilanz ohne goldene, silberne oder wenigstens bronzene Aktiva war - und es bis zum Schluss auch bleiben sollte -, packte der Sport- und Verteidigungsminister in London den Hammer aus. Er sei "ernüchtert und enttäuscht“. Denn: "Nur zu Olympia zu fahren und die gute Atmosphäre zu genießen, das ist zu wenig. Olympiatourismus, das ist nicht das Ziel.“ Nun müssten Reformen in der Sportförderung umgesetzt werden. Darabos: "Alles muss leistungsorientiert werden. Im Sommer sind wir von der Weltspitze zu weit weg.“ Nicht jedoch, was Nörgeln und Gegennörgeln betrifft: Der Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC), Karl Stoss, warnte davor, "mit Pauschalverurteilungen der Sportler Unruhe zu stiften“. Und der SPÖ-Abgeordnete und ASKÖ-Chef Peter Wittmann, als Präsident der Bundessportorganisation Österreich (BSO) oberster Sportfunktionär im Land, erinnerte seinen Parteigenossen an dessen Ressortportfolio: "Die Förderung des Spitzensports und damit indirekt auch die verpassten Olympiamedaillen liegen in der alleinigen Verantwortung des Ministeriums.“

Wenn schon nicht bei den Athleten, kam so zumindest im österreichischen Sportfunktionärswesen richtige Wettkampfstimmung auf. Dass roter Sportminister und roter Sportfunktionär öffentlich aufeinander schießen, liefert drei Erkenntnisse. Erstens: Der Sport wird hierzulande auch im Jahr 2012 parteipolitisch reguliert. Zweitens: Im Grundsätzlichen steht dabei die Loyalität zum andersfarbigen Funktionärskollegen vor jener zum eigenen Parteifreund. Drittens: Norbert Darabos dürfte nicht der Mann sein, der das grundlegend ändert. Eher glückt ihm als Verteidigungsminister die Bundesheerreform.

Ein Sportminister, der Athleten öffentlich anpöbelt, ist noch uneleganter als ein hypertropher Schwimmer, der die Wende verpatzt. "Das war extrem unprofessionell“, sagt ein hochrangiger Genosse. Im Büro des Sportministers ist man nun bestrebt, die unangenehme Causa zu planieren. Der Minister sehe sich selbstverständlich als "oberster Anwalt der Sportler“, so ein Sprecher. Und auch mehrere Olympiateilnehmer wie Schwimmer Dinko Jukic, Sportschütze Thomas Farnik und Tischtennisspieler Werner Schlager hätten noch während der Spiele Kritik an Funktionären und Verbänden geübt.

Darabos’ Auftritt in London als zorniger Unbeteiligter war reine Schmäheinlage. Reichlich Gelegenheit, sich gegen das olympische Tourismusprinzip "Dabei sein ist alles“ auszusprechen, bot sich schon früher. Der Sportminister ist kooptiertes Mitglied im ÖOC und hätte die Möglichkeit gehabt, schärfere Olympialimits für die Athleten zu fordern. Und zu Amtsantritt hatte Darabos höchstpersönlich in einem APA-Interview im November 2008 den Spitzensport zur Kommandoaktion erklärt: "Was vielleicht für einen Sozialdemokraten überraschend ist, ist, dass ich sehr Spitzensport-affin bin.“ Olympia in Peking habe gezeigt, dass es "sehr viele Verbesserungspotenziale“ gebe. Bisher schöpfte Darabos diese nicht aus, trotz hoher Ansprüche. So startete er das Spitzenprogramm "Team Rot-Weiß-Rot“, das die besten 500 österreichischen Athleten fördert. Trotz Aufwendungen von jährlich vier Millionen Euro offenbar nicht intensiv genug: Für olympische Medaillen sorgten nur Winterathleten, die zuvor auch ohne Sonderbehandlung siegreich waren, wie Skispringer Gregor Schlierenzauer. Auch der Rechnungshof kritisierte jüngst das "System der Spitzensportförderung“.

Dabei hatte Darabos schon vor knapp vier Jahren angekündigt, 10 bis 15 "Prime-Sportarten“ definieren und fördern zu wollen, "in denen wir in acht oder zwölf Jahren Olympiasieger hervorbringen wollen“. Olympia 2016 in Rio de Janeiro dürfte sich aufgrund der Verspätungen in Darabos’ Masterplan nicht mehr ausgehen. Sollte ein Österreicher 2020 in Istanbul, Madrid, Rom oder Tokio eine Medaille gewinnen, müsste er diese einem reformatorischen Meisterstück widmen, das 2010 erstmals angekündigt und nunmehr für nächstes Jahr terminisiert wurde: das Bundes-Sportförderungsgesetz 2013.

Für die Verzögerungen bei der Reform der Sportförderung macht das Ministerium die Dachverbände ASKÖ (rot), Sportunion (schwarz) und ASVÖ (unabhängig) sowie die BSO verantwortlich. Im "Kurier“ nannte sie Darabos "die letzten Blockierer und Verhinderer“. Peter Wittmann kontert: "Der Entwurf zum Gesetz hat drei, vier Jahre gedauert. Und wir sollen die Blockierer sein? Das ist nicht an uns gelegen.“

Zur einer angedachten Verschmelzung der drei Dachverbände wird es nicht kommen. Den Präsidenten einer privatrechtlichen Sportorganisation kann Darabos nicht so leicht per Dekret seines Amtes entheben wie einen Generalstabschef. Überdies stellen die drei Verbände mit insgesamt 750.000 Freiwilligen die unersetzbare Basis des heimischen Breitensports.

Doch zumindest die Macht der BSO, der Dachverbände und der - abgesehen vom individualistischen ÖSV - einflussreichsten Fachverbände (ÖFB, Schwimmer, Tennis, Volleyball, Rodler, Radsport) will Darabos brechen. Das Mittel: Steuergeld in Form von allgemeiner und besonderer Sportförderung. Derzeit schüttet das Ministerium jährlich 100 Millionen Euro - 80 Millionen davon kommen von den Österreichischen Lotterien - an die BSO, die drei Dach- und 60 Fachverbände aus, die das Geld an die 14.000 Vereine weiterleiten - nach Abzug ihrer Kosten.

Darabos’ Plänen zufolge soll in Zukunft ein Bundes-Sportförderungsfonds die Verteilung abwickeln, dessen Geschäftsführung vom Ministerium bestimmt wird. Die Dach- und Fachverbände würden zu Bittstellern degradiert - "Staatssport“ nennen das BSO-Präsident Wittmann und Sportunion-Präsident Peter Haubner, sein wichtigster Verbündeter im Kampf gegen Darabos’ Zentralisierungsstrategie. Haubner ist im Hauptberuf Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbunds und stellvertretender Klubobmann der ÖVP im Parlament. Sportfunktionäre als Koalitionsabgeordnete - eine bessere Ausgangssituation für Lobbying in eigener Sache ist kaum denkbar. Haubner: "Wir sperren uns nicht gegen Reformen. Die Autonomie des Sports muss aber erhalten bleiben.“

Organisatorische Reformen sind aufgrund Darabos’ limitierter Durchsetzungskraft so wahrscheinlich wie ein Goldregen in Rio 2016. Dass ÖOC und BSO - nach deutschem Vorbild - zu einer Organisation verschmelzen, wird in beiden Gremien offiziell nicht verteufelt, hinter den Kulissen allerdings hintertrieben. Das klingt bei Peter Wittmann so: "Die Synergien wären gering. Das ÖOC steht für Spitzensport. Bei einer Fusionierung mit der BSO würde kein Funktionär mehr daran denken, den Breitensport zu fördern.“

Norbert Darabos will dennoch ab sofort "mit offenem Visier“ für eine Totalreform kämpfen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.