Online-Auktionen auf Expansionskurs

Online-Auktionen: Steigerungsfähig

Wachsende Beliebtheit, vermehrte Betrügereien

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Es geht zu wie im richtigen Leben“, meint Eugen G., dank der Auktionsplattform eBay.at Besitzer günstig ersteigerter Briefmarken, Hemden und T-Shirts. „Wenn du nicht aufpasst, bist du der Angeschmierte.“ Der Wiener Pensionist surft nach eigenen Angaben täglich rund eine halbe Stunde durchs Netz, stets auf der Suche nach begehrten Briefmarken zur Ergänzung seiner Sammlung und nach anderen Schnäppchen. „Wenn mir etwas nicht geheuer vorkommt, lass ich die Finger davon“, erklärt er seine Methode. „Ich schaue mir die Bewertungen der anderen Käufer und Verkäufer sehr genau an. Und ich glaube nicht, dass ein normaler Mensch hochwertige Geräte oder Sammlerstücke zu Schleuderpreisen loswerden will. Wenn so etwas angeboten wird, liegt doch nahe, dass etwas nicht stimmt.“

Schief gegangen sei nur einmal etwas. „Zwischen St. Veit an der Glan und Wien sind meine ersteigerten Briefmarken verschwunden“, berichtet G. „Auf dem Postweg, da kann aber eBay nichts dafür.“ Auch ein Nachforschungsauftrag habe nichts gebracht. „Pech kann man überall haben.“
Auf der Suche nach Schnäppchen aller Art nehmen mittlerweile angeblich bis zu 500.000 Österreicher an Online-Auktionen teil, tausende Produkte wechseln dabei den Besitzer – von alten Comic-Heft-Sammlungen über Bücher und Platten bis hin zum Studioequipment für Musiker. Das Prinzip ist einfach: Nach der kostenlosen Registrierung kann jeder Kunde als Käufer oder Verkäufer agieren, Waren ins Netz stellen und zum Verkauf anbieten oder selbst welche ersteigern. Der Verkäufer legt den Ausrufungspreis und die Dauer der Auktion fest. Interessierte tragen ihr Gebot ein, definieren die Höchstgrenze der Kaufsumme und können die Versteigerung online mitverfolgen.

Die Kosten für die Einstellpreise der Waren sind je nach Auktionshaus und Art der Ware unterschiedlich, ebenso die Prämien, die nach erfolgreichem Verkauf dem Auktionshaus zufallen (maximal fünf Prozent). Bezahlt wird üblicherweise auf elektronischem Weg.

Wachsender Markt. Die meisten Transaktionen finden in Österreich auf den Homepages der Anbieter OneTwoSold und eBay Austria statt. Die Österreich-Seite des amerikanischen Unternehmens ging im November 2001 an den Start, seit vergangenem Jänner unterhält eBay ein eigenes Büro in Wien. Das Wiener Auktionshaus OneTwoSold ging 2000 online, gegründet von einem zwölfköpfigen Team um Erwin Soravia und Michael Fried. Beide Unternehmen bezeichnen sich selbst als österreichischen Marktführer auf dem Gebiet der Online-Auktionshäuser.
Freilich lassen sich die veröffentlichten Kennzahlen der Unternehmen nur schwer miteinander vergleichen. OneTwoSold verbuchte eigenen Angaben zufolge 2003 einen Transaktionsumsatz von 55 Millionen Euro und hat derzeit rund 300.000 registrierte Kundenkennungen – allerdings haben zahlreiche Kunden mehrere Kennungen registriert. „Mit 150.000 Besuchern täglich haben wir eine Frequenz wie ein mittleres Shopping-Center“, sagt Geschäftsführer Franz Karner. „Wir verkaufen täglich 3500 bis 4000 Produkte, 120.000 Artikel sind ständig online.“

eBay Austria misst mit anderen Parametern. „Die aktuellen Daten des Marktforschungsinstituts Comscore Networks bescheinigen uns eine Internet-Reichweite von 21 Prozent und 459.000 individuelle Besucher monatlich“, erklärt eBay-Austria-Sprecher Joachim Guentert. Als Beispiel für den eigenen Erfolg gibt eBay Austria an, dass auf der Plattform alle zwei Minuten ein Sammlerstück, alle fünf Minuten eine Antiquität oder ein Kleidungsstück und alle zehn Minuten ein Handy den Besitzer wechselt.

Nischenanbieter. In Österreich bieten weiters die Plattformen zuschlag.at, auktionsprofi.at und kaerntenauktion.com die Möglichkeit zum regionalen Online-Handel. Um gegen die großen Konkurrenten zu bestehen und Stammkunden zu akquirieren, setzen die kleinen Anbieter vermehrt auf lokale Nischen, spezialisieren sich auf bestimmte Branchen oder versuchen, Kunden durch gebührenfreies Er- und Versteigern für sich zu begeistern.
Im gesamten deutschsprachigen Raum gibt es zurzeit rund 120 Internet-Aktionsplattformen. Die bekanntesten sind hood.de, mit rund 200.000 täglichen Besuchern nach eBay Deutschland (rund 400.000 tägliche Besucher) die zweitgrößte deutsche Schnäppchenbörse, sowie echtwahr.de, die sich als zweitgrößte Auktionsplattform in Europa sieht und eigene Seiten für Deutschland, Österreich und die Schweiz betreibt. Auch OneTwoSold hat kürzlich bekannt gegeben, gemeinsam mit dem Holtzbrink-Verlag in Deutschland starten zu wollen. Bis 2005 wird ein Marktanteil von 20 bis 25 Prozent angepeilt.

Ein anderes Konzept verfolgt azubo.de: Waren werden hier nach dem Countdown-Prinzip versteigert. Das Gebot beginnt beim Höchstpreis und fällt nach berechneten Intervallen um jeweils einen Cent. Der Nervenkitzel besteht darin, möglichst lange zuzuwarten. 100.000 registrierte Kunden hat das erst im November 2003 gegründete Auktionshaus nach eigenen Angaben bereits, und die Idee hat auch weitere Neugründungen wie tibidu.de angeregt, die sowohl konventionelle Versteigerungen wie auch Countdown-Auktionen anbieten.

Auch OneTwoSold-Geschäftsführer Karner kann sich Countdown-Auktionen vorstellen. „Als netten Gag und befristete Aktion“, schränkt Karner ein. „Für eine ernsthafte Nutzung braucht es Millionen von Usern. Das geht vielleicht in Deutschland, aber nicht bei uns.“

Datencheck. Das Wiener Auktionshaus will dagegen mit Services wie persönlicher Kundenbetreuung und größtmöglicher Sicherheit punkten. Karner: „Wir betreuen die Kunden direkt, antworten auf jedes Mail individuell und immer innerhalb von vier Stunden.“ Zur Sicherheit müssen die Kunden bei der Registrierung ihre Meldedaten sowie einen Breitbandanschluss angeben, beides werde geprüft. Mit Bewertungen können die Käufer zudem ihr Urteil über die jeweiligen Geschäftspartner abgeben. Seriöse Anbieter sollen durch diese Berücksichtigung von Erfahrungswerten ein gutes Image bekommen, fragwürdige Verkäufer sollen leichter erkennbar sein.

Neben den Privatkunden setzt One-TwoSold auch auf Unternehmen, die auf der Homepage des Auktionshauses virtuelle Ausstellungsflächen mieten können, um ihre Waren anzubieten. Arcotel, Kika, Fluglinien wie KLM oder Niki Laudas neue Airline Niki und Elektronikgeschäfte sind ebenso vertreten wie der Fußballklub Rapid, der Fanartikel anbietet. „Der Firmenanteil liegt bei rund 20 Prozent“, berichtet Karner. „Es könnte auch noch mehr werden, denn die Unternehmen wissen es zu schätzen, dass sie auf einen Schlag 300.000 potenzielle Kunden haben. In erster Linie soll die Plattform aber auch in Zukunft für die Privatkunden da sein.“

Auf Professionalisierung setzt in gewisser Hinsicht auch eBay. In Kursen und Schulungen können Kunden die Grundlagen des Handelns erlernen. eBay-Austria-Sprecher Guentert: „Viele Menschen haben bei eBay mit privatem Handel angefangen und leben inzwischen davon.“ In den USA würden derart mehr als 150.000 Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen, in Deutschland seien es mehr als 10.000. Und auch in Österreich gebe es inzwischen entsprechende Beispiele. „Wir wissen von einer jungen Mutter“, berichtet Guentert, „die erfolgreich Designer-Strumpfhosen von Vorarlberg aus in die ganze Welt verkauft.“ Ein anderer eBay-Händler aus Österreich habe sich selbstständig gemacht und beschäftige mittlerweile mehr als 30 Mitarbeiter.

Ehrenkodizes. Damit weder derartige Selfmademen noch Hobbykäufer bei ihren Online-Geschäften böse Überraschungen erleben, versuchen die Auktionshäuser unter anderem Ehrenkodizes für Web-Versteigerungen zu etablieren. eBay etwa hat neun Grundsätze aufgestellt, die beispielsweise „Wir glauben, dass die Menschen gut sind“ oder „Wir sehen im Vertrauen der Mitglieder untereinander das wertvollste Gut“ lauten.

Eine steigende Anzahl an Beschwerden und Problemfällen zeigt allerdings gerade in jüngster Zeit, dass offensichtlich nicht alle Marktteilnehmer willens sind, sich an derartige Vorgaben zu halten. Vor allem im Zusammenhang mit eBay wurden zuletzt auffallend oft mutmaßliche Betrügereien publik. Die jüngsten Kritikpunkte betreffen häufig bezahlte, aber nicht gelieferte Waren sowie minderwertige oder nicht den ursprünglichen Angaben entsprechende Güter. Auch die Praxis der Vorauskasse – der Kunde bezahlt zuerst und erhält erst dann die Ware – birgt die Gefahr, Betrügern aufzusitzen. Im Rahmen so genannter Treuhandservices bieten die Plattformen eine – freilich kostenpflichtige – Garantie, dass erst bei Einlangen der Ware bezahlt wird.

Auch das Annehmen von zwei Identitäten im Netz ist gängige Praxis. Unter einer bietet der Betrüger ein unscheinbares Produkt an, mit der anderen Identität kauft er bei sich selbst ein. Nach einigen Wiederholungen erscheint der Anbieter aufgrund dieser simulierten Verkaufsfrequenz als seriöser Händler. Dieses künstlich erzeugte Image nutzt der Gauner schließlich aus, um ein wertvolles Objekt anzubieten – und kassiert dann ab, ohne die Ware je auszuliefern.

Nach diesem Prinzip waren im Jänner 2003 zwei Anbieter bei eBay in Deutschland vorgegangen: Nachdem sie mit dem Verkauf von allerlei Billigprodukten eine solide Reputation erworben hatten, initiierten sie insgesamt 1245 Auktionen mit angeblich hochwertigen technischen Geräten – und lizitierten die Gebote auf insgesamt fast 300.000 Euro. Als die Staatsanwaltschaft die Konten sperren ließ, waren diese bereits abgeräumt und die Betrüger untergetaucht.

In Deutschland nimmt die Zahl der polizeilichen Anzeigen wegen mutmaßlicher Betrugsfälle bei Auktionsplattformen deutlich zu. Laut einer Statistik des sächsischen Kriminalamtes stieg die regionale Rate um fast 133 Prozent – von 990 Fällen im Jahr 2002 auf 2305 Fälle im Vorjahr. Der geschätzte Schaden in dem Zeitraum beläuft sich auf 474.000 Euro.

Betrugsfall. In der deutschen Stadt Siegen wurde Ende des Vorjahres ein 56-jähriger Mann wegen Betruges in 148 Fällen mittels eBay zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er lieferte bereits bezahlte Mobiltelefone nicht und zahlte außerdem in 16 Fällen nicht für gelieferte Uhren und Handys. Schadenswert: rund 40.000 Euro. Noch beunruhigendere Nachrichten kommen aus den USA: Dort haben Hacker in mehreren Fällen Kundendaten geknackt und die Registrierungen benutzt, um zweifelhafte Auktionen zu inszenieren.

Doch auch im deutschsprachigen Raum wurden ähnliche Vorkommnisse bereits bekannt. So werden in inzwischen eigens eingerichteten Internet-Foren Fälle debattiert, in denen Betrüger unter Verwendung geklauter Namen, Adressen und Telefonnummern echter Verkäufer etwa fiktive Computer-Festplatten anboten – für die derart missbrauchten Verkäufer äußerst unangenehm, weil sie in der Folge von geprellten eBay-Kunden mit Anrufen und Klagsdrohungen überhäuft wurden. „eBay unternimmt faktisch keinerlei Maßnahmen, um einen weiteren Missbrauch meiner Identitätsdaten zu verhindern“, beklagte sich einer der Betroffenen im Juli des Vorjahres.

Die Betreiber der Internet-Auktionshäuser – die freilich keine Haftung für die über die Website getätigten Geschäfte übernehmen, sondern im Schadensfall allenfalls Kulanzangebote unterbreiten – sind naturgemäß um Kalmierung bemüht.

„Die überwältigende Mehrheit der bei eBay abgeschlossenen Transaktionen verläuft ohne jegliche Beanstandung“, sagt Guentert. „Alleine in den letzten Monaten haben wir mehr als zehn Millionen Dollar weltweit in die Sicherheit investiert.“ Zudem würden bei einem Verstoß gegen die eBay-Regeln Schritte gegen das fragliche Mitglied eingeleitet. „Diese können von einer Verwarnung bis hin zu einem Ausschluss des Mitglieds vom Handel bei eBay reichen“, so Guentert.

Frage der Sorgfalt. Doch „wie sicher der Handel letztlich abläuft“, meint Guentert, „hängt nicht nur von den Sicherheitsleistungen ab, sondern auch davon, inwieweit jeder eBay-Nutzer willens ist, diese Leistungen auch für sich selbst in Anspruch zu nehmen“. Praktisch alle Auktionsplattformen bieten auf ihren Internetseiten Tipps zum Schutz vor Betrügereien an.

Wie Guentert stuft auch Karner die Gefahr des Online-Betrugs in Österreich naturgemäß als eher gering ein. „In Deutschland passiert sicher um einiges mehr. Unser Geschäft ist dagegen sehr lokal, und das ist eine gute Voraussetzung. Aber man darf nicht vergessen: Wo viele Menschen sind, passiert auch viel. Missverständnisse gibt es auch bei uns jeden Tag, einen ernsthaften Betrugsversuch entdecken wir etwa alle drei Monate.“

Karner stieß jüngst selbst auf einen Fall von vermeintlichem Betrug. „Das Ganze entpuppte sich schließlich aber als Missverständnis aufgrund unterschiedlicher Internet-Nutzungsgewohnheiten“, so Karner. Ein Kunde habe jede halbe Stunde ins Netz geschaut, keine Antwort von seinem Geschäftspartner erhalten und diesen umgehend des Betrugs verdächtigt.

Karner: „Der Kunde ist davon ausgegangen, dass jeder seine Mails so oft überprüft wie er selbst. Das war aber nicht der Fall: Der Geschäftspartner hatte einfach nur alle zwei, drei Tage die Möglichkeit, online zu gehen.“