Physik: Albert Einstein hatte Recht

Physik: Einstein hatte Recht! Seine Thesen konnten nun erstmals bewiesen werden

Seine Thesen konnten nun bewiesen werden

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Im Auditorium des Hyatt Regency Hotel in Jacksonville, Florida, verstummt das Gemurmel. Francis Everitt, Physikprofessor an der renommierten Stanford-Universität im kalifornischen Palo Alto, tritt am Samstag, dem 14. April, ans Rednerpult, um bei der Jahrestagung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft (APS) erstmals öffentlich Messdaten der Weltraumsonde Gravity Probe B zu präsentieren. 16 Monate lang hat die NASA-Sonde in einer polaren Erdumlaufbahn ein Phänomen gemessen, das Albert Einstein in seiner 1916 veröffentlichten allgemeinen Relativitätstheorie formuliert hatte.

Darin hatte Einstein unter anderem den so genannten geodätischen Effekt beschrieben, wonach die Schwerkraft nicht als Kraft, sondern als Krümmung des Raums zu verstehen sei. Demnach hinterlässt jeder Körper, etwa ein Planet, eine Art Delle im Raum, die umso größer ausfällt, je dichter der Körper ist. Und umgekehrt: Je stärker die Krümmung, desto stärker ist die Gravitation. Weil auch die Erde aufgrund ihrer Masse eine Delle im Raum hinterlässt, muss sich diese in einem irdischen Gravitationsfeld manifestieren.

Gravity Probe B sollte nachprüfen, ob die Vorhersagen über das Ausmaß der Verschiebung auch in der Realität zutreffen. Die Abweichung ist jedoch so gering, dass sie sich lange Zeit jeder Messung entzog. Laut Einsteins Berechnungen beträgt sie bei der Erde 6,6 Bogensekunden pro Jahr (eine Bogensekunde entspricht einem Dreitausendsechshundertstel eines Winkelgrades). Doch auch eine einmal präzise gemessene geringe Abweichung ist wissenschaftlich von großem Wert, weil sie ein Prinzip bestätigt, das auch auf viel größere Massen, wie etwa eine Galaxie, anwendbar ist.

Ein zweites Experiment bewegt sich in noch viel kleineren Maßstäben. Zwei Jahre nach der Publikation der allgemeinen Relativitätstheorie errechneten die österreichischen Physiker Hans Thirring (1888–1976) und Josef Lense (1890–1985) ein weiteres Phänomen, nämlich dass ein rotierender Körper wie etwa ein Planet den Raum noch zusätzlich deformiert, indem er ihn an seinen Rändern gewissermaßen mitschleift. Am besten vorstellbar sind die von Einstein und Thirring und Lense beschriebenen Phänomene an einem Beispiel aus der Alltagswelt:

Eine schwere Metallscheibe, die auf einer Schaumstoffmatte ruht, drückt eine Delle in die Matte – das entspricht dem von Einstein beschriebenen geodätischen Effekt. Wenn sich die Metallscheibe dreht, zieht sie an ihren Rändern den Schaumstoff leicht mit. Das entspricht dem Frame-dragging- oder Thirring-Lense-Effekt.

Gyroskope. Zur Messung dieser Abweichungen im Gravitationsfeld wurden in die Gravity-Sonde vier Gyroskope eingebaut – vier Quarzkugeln von der Größe eines Tennisballs, die, abgeschirmt von äußeren Einflüssen und eingeschlossen in einem Vakuum bei minus 271,4 Grad Celsius, um ihre Achsen rotieren. Die Apparatur ist laut NASA 30 Millionen Mal präziser konstruiert als alle bisher gebauten derartigen Geräte.

Mehr als 40 Jahre lang hatte der heute 72-jährige Physiker Francis Everitt an der Realisierung dieses gut 700 Millionen Dollar teuren Großprojekts gearbeitet, an dem rund 400 Physiker beteiligt waren. Dementsprechend groß waren die in das Experiment gesetzten Erwartungen. Die Mission besitze „das Potenzial, fundamentale Eigenschaften des unsichtbaren Universums aufzudecken“, schwärmte die NASA-Forscherin Anne Kinney anlässlich des Starts der Sonde im April 2004. Die Ergebnisse, meinte der US-Physiker Robert Raesenberg, „könnten enorme Auswirkungen auf unsere Beschreibung des Kosmos“ haben und womöglich „unser Verständnis des gesamten Universums beeinflussen“.

Tatsächlich hat die Sonde die von Einstein errechnete Verformung des Raums durch die Erdmasse mit bisher unerreichter Präzision gemessen. Der 170-fach schwächere Thirring-Lense-Effekt ist in den Daten zwar sichtbar, aber er wird von zwei Störfaktoren überlagert, deren Herkunft bisher nicht völlig geklärt werden konnte. Ihre Ursache wollen die Forscher bis Dezember rechnerisch herausfinden. Martin Tajmar, Physiker im Forschungszentrum Seibersdorf, warnt jedoch davor, diese Effekte einfach nur herauszurechnen. Es könnte sich nämlich, so Tajmar, auch um ein bisher unbekanntes Phänomen handeln.

Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass mit den Ergebnissen der Gravity-Mission Einsteins Berechnungen mit einer Verlässlichkeit und Präzision bestätigt wurden, die auch den leisesten Zweifel nicht mehr zulassen. Gut 100 Jahre nach der Veröffentlichung seiner speziellen und gut 90 Jahre nach Publikation seiner allgemeinen Relativitätstheorie steht nun wohl endgültig fest: Das Genie hatte Recht.

Mit seiner Relativitätstheorie hat Einstein eine fundamental neue Vorstellung von Raum und Zeit geschaffen und damit die Physik revolutioniert. So konnte er beispielsweise mathematisch belegen, dass für einen Beobachter, der sich sehr rasch fortbewegt, die Zeit weniger rasch vergeht als für einen, der an einem Ort zurückbleibt. Dieses von Einstein als Zeitdilatation bezeichnete Phänomen wurde 1971 experimentell bestätigt. Ein Flugzeug mit hochpräzisen Atomuhren an Bord flog rund um die Welt. Die im Flieger gemessenen Zeiten wurden mit ebenso präzise gemessenen Erdzeiten verglichen. Tatsächlich wichen die im Flugzeug gemessenen Zeiten von jenen auf der Erde ab.

Mittlerweile ist auch die Verlangsamung des Alterns durch hohe Fortbewegungsgeschwindigkeit bewiesen. Aus den Weiten des Universums heranrasende Partikel erzeugen bei der Kollision mit Luftmolekülen in der Hochatmosphäre spezielle Teilchen, so genannte Myonen. Da diese äußerst instabil sind, müssten sie längst zerfallen sein, bevor sie die Erde erreichen. Nachdem sie jedoch fast mit Lichtgeschwindigkeit herabflitzen, wird ihre „Lebensuhr“ derart verlangsamt, dass sie es tatsächlich bis zur Erde schaffen (siehe Kasten auf Seite 132).

Verformter Raum. Auch der Raum gilt seit Einstein als nicht mehr stabil und unveränderbar. Große Massen im Universum wie etwa Galaxienhaufen können durch ihre gewaltige Anziehungskraft den Raum erheblich verformen und damit auch Lichtstrahlen ablenken, die durch diesen Raum jagen. Dahinter liegende, entfernte Objekte können dadurch vergrößert oder doppelt erscheinen. Das Hubble-Weltraumteleskop hat solche so genannten „Gravitationslinsen“ mehrfach nachgewiesen (siehe Kasten).

Doch nicht allein eine Masse, auch eine Sternenexplosion kann den Raum erheblich verformen, weil dieser durch so genannte Gravitationswellen gestaucht und gedehnt werden kann. Astrophysiker hoffen, dieses von Einstein postulierte Phänomen in den kommenden Jahren experimentell nachweisen zu können.

Mit seiner neuen Sicht der Welt wurde Einstein zur Ikone der Physik und schließlich zum ersten Popstar der Wissenschaft. Sein Porträt, auf dem er die Zunge herausstreckt, hängt als Poster in aller Welt. Das Publikum ist von seinem Genie ebenso fasziniert wie von seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit, die es frühzeitig schaffte, Dinge, die alle sehen, ganz anders zu sehen.

Der vor wenigen Tagen 80 Jahre alt gewordene Wiener Physiker Walter Thirring, Sohn des Hans Thirring, brachte soeben zusammen mit der Wiener Astronomiestudentin Cornelia Faustmann ein populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel „Einstein entformelt“ heraus (siehe Kasten auf Seite 134). Wie sein Vater hatte auch Walter Thirring mit Einstein persönlichen Kontakt. Bei einer dieser Begegnungen erzählte Einstein von einem Besuch des „Bärengrabens“ in Bern, der ihm in jungen Jahren zu einem bleibenden Denkprinzip verholfen hatte.

Höherer Gesichtspunkt. Die meisten Bären im Gehege, einer auch heute noch existierenden Sehenswürdigkeit der Stadt, hielten ihre Nase in Bodennähe, um dort nach Essbarem zu schnüffeln. Doch einige stellten sich auf die Hinterbeine und konnten mit hochgerecktem Kopf besondere Leckerbissen erspähen. Einstein formulierte gegenüber Walter Thirring, was er aus dieser Szene gelernt hatte: „Nur wenn man das Ganze von einem höheren Gesichtspunkt aus betrachtet, kann man die wirklich wesentlichen Dinge finden.“

Der 1879 als Sohn eines Elektrohändlers und nicht praktizierenden Juden in Ulm geborene Einstein hatte schon als Kind ganz andere Dinge als wesentlich erachtet als seine Altersgenossen, die ihn als Langweiler betrachteten, weil er sich nicht an Straßenspielen und Raufereien beteiligte. Stattdessen beschäftigte er sich mit Puzzles, Bauklötzen und Dampfmaschinen. Als Kleinkind hatte er nur langsam, aber sorgfältig sprechen gelernt. Er überlegte die Wörter, die Sätze, die er sprach, auch die Aussagen über Gott und die Welt. Aufgrund seiner Begabung übersprang er die erste Klasse Volksschule. Er brachte sich selbst Physik und das Violinspiel bei. Er liebte Bach und Mozart und ging in seiner Freizeit oft segeln, weniger aus sportlichen Gründen denn als Betätigung, bei der er ungestört seinen Gedanken nachgehen konnte. Mit zwölf arbeitete er selbstständig ein Lehrbuch der Geometrie durch, mit 13 las er Immanuel Kant.

Einstein war von außergewöhnlicher Neugierde getrieben, entdeckte seine Liebe zu naturwissenschaftlichen Büchern und seine Abneigung gegen den Glauben und die Religionslehre, weil vieles in der Bibel „nicht wahr“ sein konnte. Er hatte glänzende Noten auch im Gymnasium, vernachlässigte aber bald Gegenstände, die ihn weniger interessierten, und verließ mit 15 schließlich die Schule, weil er die „Kasernenatmosphäre“ widerlich fand. Ihm schwebte eine Schule ohne Zwang vor, in der all die interessanten Dinge wie Geschenke weitergegeben werden.

In Mailand, wo seine Eltern mittlerweile hingezogen waren, bereitete er sich als Autodidakt für die Aufnahmsprüfung in die Eidgenössische Polytechnische Schule, die heutige Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich, vor, scheiterte aber in einigen Fächern aufgrund seiner Wissenslücken. Auf Anraten des Rektors der Polytechnischen Schule ging er an die Kantonsschule Aarau, wo er als bester von neun Kandidaten maturierte. Erst jetzt nahm er sein Mathematik- und Physikstudium am Polytechnikum auf, das er im Jahr 1900 mit der Diplomprüfung abschloss. Eine Zeit lang verdingte er sich als Lehrer an verschiedenen Schulen oder auch als Privatlehrer, bis er schließlich aus Mangel an anderen Jobangeboten eine Stelle als technischer Experte am Berner Patentamt annahm. Dort arbeitete er von Montag bis Samstag acht Stunden täglich als „Patentierknecht“ in einem „weltlichen Kloster“ und als „ehrwürdiger eidgenössischer Tintenscheißer“, wie er selbst sagte.

Eigenbrötler. Dabei blieb Einstein immer widersprüchlich. Er konnte äußerste Hochachtung vor anderen Schöpfern großer Gedanken zeigen, aber auch Menschen grob beleidigen. Er habe ein „böses Maul“, behauptete seine erste Ehefrau Mileva Maric. Er selbst bezeichnete sich als „Vagabund und Eigenbrötler“, der Misstrauen gegen jede Art von Autorität hegte. Er hasste Uniformen und Militarismus und sagte von jedem im Gleichschritt Marschierenden, man habe ihm „das Großhirn amputiert“. Er selbst, der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft zurückgelegt und das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte, wurde wegen „Krampfadern, Plattfüßen und Fußschweiߓ vom Militärdienst befreit.

Einstein wollte sich in keinerlei Schablone pressen lassen. Auch als Beamter leistete er sich den Luxus gewisser Nachlässigkeiten, vor allem, was sein Äußeres betraf. Er trug Schnauzbart und langes Haar und bezeichnete sich als „unverbesserlichen Mistfink“. Hygiene war ihm unwichtig, eine Zahnbürste hielt er für gesundheitsgefährdend. Seine Geliebten und Ehefrauen störte das nicht. Erst vor wenigen Jahren wurde bekannt, dass der Frauenfreund neben seinen drei ehelichen Kindern auch ein uneheliches hatte.

Im Jahr 1905, in dem er seine Dissertation an der Züricher Universität einreichte, veröffentlichte Einstein in der Fachzeitschrift „Annalen der Physik“ vier bahnbrechende Arbeiten, welche die Grundfesten der Physik erschüttern sollten. In dem Artikel „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“ stellte der Außenseiter der Physik unter anderem den zu dieser Zeit gewagten Satz auf, dass elektromagnetische Strahlung aus Lichtquanten oder Fotonen bestehen müsse. Obwohl diese Theorie unter anderem den fotoelektrischen Effekt erklärte, wurde sie von Physikerkollegen, allen voran vom Pionier der modernen Physik, Max Planck, zunächst abgelehnt, später aber bestätigt. Für diese Arbeit, welche die Grundlage einer Quantentheorie der Strahlung schuf, erhielt Einstein 1921 den Nobelpreis.

Relativität. Der Artikel „Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energiegehalt abhängig?“ enthält Einsteins berühmteste Formel über die Äquivalenz von Masse und Energie E = m.c2 (Energie ist gleich Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat). Und der ebenfalls 1915 in den „Annalen der Physik“ publizierte Artikel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ legte jene Prinzipien dar, die später unter dem Begriff spezielle Relativitätstheorie bekannt geworden sind. Diese postulieren die Unmöglichkeit der Bestimmung einer absoluten Bewegung sowie die Konstante der Lichtgeschwindigkeit – Phänomene, die das Bild von der Beschaffenheit des Universums für immer verändern sollten.

Das Prinzip der Relativität hatte schon bei Newton und Galilei eine zentrale Rolle gespielt, allerdings in Bezugssystemen, die sich relativ zueinander gleichförmig bewegen. Solche Bezugssysteme ergeben sich, wenn sich beispielsweise auf einer Autobahn zwei Lastwagen mit jeweils 50 Kilometern pro Stunde in die gleiche Fahrtrichtung bewegen und ihnen in der anderen Fahrtrichtung ein mit 100 Stundenkilometern fahrender Pkw entgegenkommt. Nachdem die beiden Lkws mit der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Fahrtrichtung fahren, bewegen sie sich relativ zueinander gar nicht. Im Gegenverkehr der beiden Lkws und des Pkws summieren sich, von der Warte der jeweiligen Chauffeure aus gesehen, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf 150 Kilometer pro Stunde.

Einstein ging beim Aufbau seiner Theorie von jenen Gedankengebäuden aus, die für die Physik dieser Zeit bestimmend waren: von der Mechanik Isaac Newtons und vom Elektromagnetismus des James Clerk Maxwell. Er löste deren Widersprüche auf, indem er die Geschwindigkeit des Lichts zur Naturkonstanten erhob. Licht ist demnach immer gleich schnell. Anders als bei den Fahrzeugen auf der Autobahn dürfen dabei Geschwindigkeiten weder summiert noch subtrahiert werden.

Aber erst ein Jahrzehnt später publizierte Einstein mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie jene Vollendung seines Gedankengebäudes, die ihn endgültig in den Status der Unsterblichkeit erhob. Immerhin enthält dieses Werk eine Art Bauplan des gesamten Universums mit all seinen bis heute nicht restlos verstandenen Phänomenen wie schwarzen Löchern, dunkler Materie, Antimaterie, Gravitationswellen und Zeitreisen.

Die Verformung des Raums durch Gravitation, wie sie jetzt von der Gravity Probe B am Beispiel Erde endgültig bestätigt wurde, ist im Fall besonders massereicher Objekte wie etwa schwarze Löcher um ein Vielfaches größer. Diese entstehen nach der Explosion großer Sterne. Wie unsere Sonne leuchten diese Sterne Milliarden Jahre lang, indem sie durch Kernfusion Wasserstoff zu Helium verbrennen. Sobald der Nuklearbrennstoff erschöpft ist, kommt es zu einer Supernova, einer gewaltigen Explosion, in welcher der Stern in sich zusammenstürzt. Durch die eigene Schwerkraft verdichtet sich die Materie derart, dass nichts, nicht einmal Licht, aus seiner Umgebung entweichen kann – ein Effekt, der letztlich aus Einsteins Theorien gefolgert werden kann. Es ist ein für uns unsichtbares Monster, das alles, was in seine Nähe kommt, verschluckt.

Teilchengeburt. Möglicherweise kann aus solchen kosmischen Monstern aber doch Materie beziehungsweise Energie entweichen. So hatte Walter Thirring bereits in den fünfziger Jahren berechnet, dass Materie unter bestimmten Bedingungen quasi aus dem Nichts entstehen kann, indem sich Energie in Materie verwandelt. Thirring hat das damals nicht publiziert, offenbar aus Respekt vor Einstein, der seine Arbeiten eher kritisch bewertete. Heute gilt es als sehr wahrscheinlich, dass die gewaltige Verformung des Raums in der Umgebung von schwarzen Löchern tatsächlich dazu führen kann, dass im Bereich von deren „Oberfläche“ reine Energie in ein Teilchenpaar (Materie und Antimaterie) verwandelt wird.

Wenn eines der Teilchen in das schwarze Loch stürzt, könnte das andere in den Weltraum entweichen. Dieses Phänomen, nach dem britischen Astrophysiker Stephen Hawking als Hawking-Strahlung bezeichnet, lässt sich allerdings mit heutigen Methoden nicht messen. Laut dem Wiener Physiker Franz Embacher, der einst bei Walter Thirring dissertierte, wäre es denkbar, dass schwarze Löcher auf diese Weise im Lauf von Jahrmilliarden allmählich an Masse verlieren und irgendwann wieder ganz verschwinden.

Wenn die komprimierte Masse eines solchen schwarzen Lochs den Raum derart stark verformt, dann gilt dies umso mehr für jene gewaltigen kosmischen Monster, die im Zentrum vieler Galaxien, so auch in unserer Milchstraße, vermutet werden. Anscheinend existieren dort so genannte supermassive schwarze Löcher, die über eine milliardenfach größere Masse verfügen als unsere Sonne. Erst langsam beginnen Astrophysiker zu verstehen, welch extreme Bedingungen im Umfeld solcher Objekte herrschen. So konnten Astronomen vor Kurzem sternähnliche Objekte beobachten, die auf elliptischen Bahnen im Zentrum unserer Milchstraße mit unvorstellbarer Geschwindigkeit um einen unsichtbaren Mittelpunkt kreisen. Aus diesen Umlaufbahnen ließ sich erstmals die ungeheure Masse jenes unsichtbaren Objekts im Zentrum berechnen, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um ein solches supermassives schwarzes Loch handelt.

Aber welchen praktischen Nutzen haben all die Einstein’schen Erkenntnisse?

Weder die moderne Hochenergie- und Teilchenphysik noch die heutigen Technologien der Navigation oder der Erdvermessung wären ohne die Relativitätstheorien denkbar. Bei der Positionsbestimmung mittels GPS-Satelliten beispielsweise müssen die von Einstein formulierten Naturgesetze berücksichtigt werden, weil ansonsten die Daten, wenn auch nur geringfügig, verfälscht würden. Denn die Ortung durch das GPS-System geschieht, indem die Entfernung zu drei präzise positionierten Satelliten gemessen wird. Da sich die Satelliten in Relation zur Erdoberfläche mit einer Geschwindigkeit von 3874 Metern pro Sekunde bewegen, vergeht die Zeit im Satelliten langsamer als beim Empfänger auf der Erde. Außerdem bewegen sich die Satelliten im Gravitationsfeld der Erde, was ebenfalls einen geringfügigen Einfluss auf die Datenübertragung hat, worauf bei der Eichung der Satellitenuhren Bedacht genommen wird.

Emigration. Der zunächst unbekannte Patentbeamte hatte also Physikgeschichte geschrieben. Dennoch dauerte es Jahre, bis er von der Fachwelt anerkannt war. Ein an der Universität Bern eingebrachter Antrag auf Habilitation wurde 1907 abgewiesen, bei seiner Bewerbung am Zürcher Gymnasium kam Einstein unter 21 Bewerbern nicht einmal in die engere Auswahl. Erst im Jahr 1909 wurde er als Extraordinarius an die Universität Zürich berufen. Bald folgten Angebote aus Berlin, Utrecht und Wien. 1911 genehmigte Kaiser Franz Joseph Einsteins Berufung an die deutsche Universität Prag. Und 1914 kehrte der geniale Denker und glühende Pazifist in jenes Land zurück, dessen autoritäre Grundhaltung ihm zuwider war und auf dessen Staatsbürgerschaft er freiwillig verzichtet hatte: Er nahm die Wahl in die Preußische Akademie der Wissenschaften an und übersiedelte nach Berlin, just zu Ausbruch des Ersten Weltkriegs, den selbst Intellektuelle als „gerechten Krieg“ begrüßten. Er stieß zwar im Kreise von Lise Meitner, Otto Hahn und seinem Mentor Max Planck auf ein höchst fruchtbares Forschungsklima, aber schon nach wenigen Jahren war Deutschland von antisemitischen Ausschreitungen geprägt, die auch Einstein zu spüren bekam. Die Relativitätstheorie wurde als „Massensuggestion“ und „wissenschaftlicher Dadaismus“ verunglimpft, Einsteins Wohnung und Konten von

Nazis geplündert. 1932 ging er in die USA, wo er an der Princeton University lehrte.

Walter Thirring, der auch noch nach dem Krieg mit Einstein Kontakt hatte, bezeichnet diesen als „größten Physiker des 20. Jahrhunderts“, der allerdings mit der Quantentheorie seine Probleme hatte und dem weiteren Fortschritt seines Fachs eher skeptisch gegenüberstand. Einsteins größter Wunsch, eine für alle Naturphänomene gültige „Weltformel“ zu finden, „um dem Alten auf die Schliche zu kommen“, wie er sagte, ging nie in Erfüllung. Einstein starb 1955 an einer geplatzten Bauchaorta. Freunde verstreuten seine Asche an einem unbekannten Ort.

Von Gerhard Hertenberger

Weitere Infos zur Gravity-Sonde und zum Thirring-Lense-Effekt:
http://einstein.stanford.edu/
http://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/Rel/Thirring-Lense/