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Hahn wehrt sich gegen Plagiatsvorwürfe

Affäre. Hahn wehrt sich gegen Plagiatsvorwürfe

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Gottfried Korn ist als Rechtsanwalt ausgewiesener Experte in Medien- und Urheberrecht. Seit einem Monat hat er einen prominenten Klienten: EU-Kommissar Johannes Hahn beauftragte ihn, seine 1987 eingereichte Dissertation „Die Perspektiven der Philosophie heute – dargestellt am Phänomen Stadt“ juridisch zu bewerten und das kürzlich von Plagiatsjäger Stefan Weber im Auftrag des grünen Abgeordneten Peter Pilz vorgelegte Gutachten zu prüfen. Weber warf darin dem früheren ÖVP-Politiker vor, er habe etwa ein Fünftel seiner Doktorarbeit bei mehreren Autoren wortwörtlich abgeschrieben, ohne die verwendeten Werke korrekt zu zitieren.

Korn dreht den Spieß um. „Das Gutachten von Weber enthält schwere Fehler“, behauptet er im Gespräch mit profil. „Es ist sicher nicht die 5000 Euro wert, die die Grünen dafür ausgelegt haben sollen.“ Korns Vorwürfe: Weber gehe von einem „unwissenschaftlichen Plagiatsbegriff“ aus und habe selber falsch zitiert. Die Auflistung von Dutzenden „Kennzeichnungsplagiaten“ im Gutachten sei ein Widerspruch in sich. Hahn habe bei den inkriminierten Zitaten jeweils eine Fußnote gesetzt, die genau auf die übernommene Textstelle aus der Sekundärliteratur verweise. „Damit kann man Hahn keinesfalls eine Täuschungsabsicht unterstellen, die Voraussetzung für ein Plagiat wäre“, so Korn.

Dass Hahn bei der Zitierung verschiedener Werke nicht fortlaufend Anführungszeichen oder andere Hervorhebungen verwendet habe, sei damals „durchaus übliche Praxis“ gewesen, meint Korn. „Wir haben uns mehrere Dissertationen aus dieser Zeit angesehen. Wenn man die heutigen strengeren Regeln zur Anwendung brächte, müsste man 90 Prozent der damals vorgelegten Dissertationen kübeln.“

In Korns Stellungnahme, die an die Universität Wien gesendet werden wird, bestätigt ein Gutachter, dass Hahns Doktorarbeit „den damaligen Usancen zur Kenntlichmachung übernommener Texte entspricht“ und daher „die ab 2006 von der Universität Wien kommunizierten Zitierregeln nicht auf Hahns Arbeit anwendbar“ seien.

Auch Hahns Doktorvater Peter Kampits, emeritierter Professor und Dekan der philosophischen Fakultät, betont im Gespräch mit profil, „dass es auf unserem Institut bis in die neunziger Jahre hinein keine verbindlichen Zitiervorschriften gegeben hat“. Die erste Vorlesung über wissenschaftliches Arbeiten sei erst im Wintersemester 2000/01 abgehalten worden. In Hahns Dissertation hätten außerdem über 450 Fußnoten auf die im Text verwendeten Bücher verwiesen. „Wenn er wirklich ein Plagiat vorgehabt hätte, dann hätte er die zitierten Werke doch gar nicht angegeben. Ich habe mich jedenfalls von Hahn niemals getäuscht gefühlt.“
Weber hält seine Vorwürfe aufrecht. „Es gab damals sehr wohl Vorschriften für korrekte Zitierung. Hahn hat obendrein seitenweise abgeschrieben und nicht immer eine Fußnote gesetzt.“ So sei bereits seit dem Jahr 1976 ein Fachbuch über wissenschaftliche Arbeit in der Bibliothek des Instituts für Philosophie erhältlich gewesen. Weber: „Darin gibt es ­keinen einzigen Hinweis auf Zitierung nur durch Fuß­noten.“

Im Auftrag der Universität Wien prüfen nun drei Gut­achter der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität die Dissertation des ehemaligen Wissenschaftsministers und werden dabei auch die Stellungnahmen Webers und Korns berücksichtigen. Das Ergebnis wird für Herbst erwartet.

Seit Kurzem liegt der Agentur eine weitere Stellungnahme Webers vor. Diese richtet sich gegen seinen Auftraggeber Peter Pilz. Weber kritisiert, dass Pilz seine eigene Dissertation über die „Ökonomische Bedeutung der Einführung neuer Medien in Österreich“ 1983 „wort- und satzspiegelidentisch“ mit der Studie, die Pilz ein Jahr zuvor im Auftrag des Wissenschaftsministeriums verfasste, eingereicht habe. „Da fängt für mich die Trickserei an. Außerdem hätte er die Leistung des Co-Autors der Studie genauer erwähnen müssen. Meiner Meinung nach liegt also ein Selbstplagiat und mutmaßlich auch eine unethische Autorenschaft vor.“ Pilz reagierte ähnlich wie Johannes Hahn: Er habe korrekt gehandelt und sei sich keiner Schuld bewusst.