Wer regiert uns 2030?

Politnachwuchs. Wer Österreich 2030 regieren könnte

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Das blöde Alugestell steht völlig nutzlos herum. Einmal stößt sich Robert Palfrader das Knie daran, dann läuft Florian Scheuba dagegen, Thomas Maurer kollidiert ohnehin ständig mit dem Requisit: Die neue „Büroleiter“ braucht niemand in der Villa der „Staatskünstler“, die im Wiener Rabenhof Theater für volles Haus und im „Donnerstag Nacht“-Fernsehen für schöne Einschaltquoten sorgen. Und im Theater wie zu Hause vor den Fernsehschirmen wartet das Publikum auf die Zuschaltung von Staatsschauspieler Nicholas Ofczarek, der seinen Fast-Vornamensvetter Nikolaus Pelinka gibt – angeleint von einer übellaunigen Laura Rudas (überzeugend: Claudia Kottal). Witz vom Feinsten.

Gerade drei Jahre ist es her, dass die beiden durchaus sympathischen Junghoffnungen über die Wahlkampftruppe Junge Rote in die oberen Etagen der Politik eingestiegen sind – und dennoch gelten sie Kabarettisten, Karikaturisten und Journalisten schon als Lachnummern. Selbst Andreas Koller, der stets besonnene Innenpolitik-Chef der „Salzburger Nachrichten“, schreibt grantig von „unerfahrenen Jungspunden und ideologiefreien Glücksrittern, deren jüngstes Mitglied nun als roter Politkommissar in den ORF entsandt werden soll“. Da ist etwas ganz schiefgelaufen.

Dabei scheinen sowohl die 30-jährige Parteigeschäftsführerin Rudas wie auch der fünf Jahre jüngere Büroleiter in spe Pelinka den Erfordernissen einer illusionslosen Zeit zu entsprechen: keine großen intellektuellen Abenteuer abseits der Aufstiegsroute, rein in die Partei – dann kann die Post früh abgehen. Rudas war schon mit 23 Landtagsabgeordnete, Pelinka mit 19 Pressesprecher der Bildungsministerin. Andere haben in diesem Alter noch nicht einmal die Matura.

Der „Marsch durch die ­Institutionen“, der die Post-68er viele Jahre gekostet hatte – er war in der „Generation Laura“ ein kurzer Spaziergang. Mit Grübeln und Kritisieren hielt man sich nicht auf: Als Werner Faymann im Frühsommer 2008 den Unterwerfungsbrief an „Krone“-Chef Hans Dichand abschickte, wurde dies von den Jungen Roten wortreich verteidigt.

Der Öffentlichkeit ist ein derart entschlossener Durchmarsch an Machtpositionen nicht geheuer. Mit 23 – so alt war Pelinka, als er Chef des SPÖ-Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat wurde – ist man für den Job eines angepassten Parteiaufpassers einfach noch zu jung.

Während die SPÖ auf diese Weise zwei durchaus begabte Nachwuchshoffnungen vorschnell verheizte, reifen andernorts Talente langsamer, dafür aber nachhaltiger heran. Und erstmals seit Langem könnte wieder eine Funktionärsgeneration aus den klassischen Jugendorganisationen zum Zug kommen – so wie das früher in der SPÖ die Regel war: Leopold Gratz, Hannes Androsch, Karl Blecha, Peter Schieder, Rudolf Edlinger, Josef Ackerl, Michael Häupl, Josef Cap, Alfred Gusenbauer und natürlich Werner Faymann – sie alle waren einmal Vorsitzende einer SP-Jugend-oder Studentenorganisation gewesen. Das änderte sich: Keiner der sechs nach 1990 auf Gusenbauer folgenden Bundesvorsitzenden der Sozialistischen Jugend machte große Karriere in der SPÖ, übrigens auch niemand aus dem VSStÖ. Man bediente sich eher bei informellen Gruppen wie den Jungen Roten, außerdem war die Zahl der zu vergebenden Funktionen wegen der Mandatsverluste bei den Wahlen stark zurückgegangen.

Jetzt kommt mancherorts wieder der Personaleigenbau zum Zug. Der SJ-Bundesvorsitzende Wolfgang Moitzi sitzt im steirischen Parteivorstand, der steirische SJ-Chef Max Lercher im Landtag. Auch der Tiroler SJ-Vorsitzende Marko Miloradovic, 23, Sohn serbischer Zuwanderer, gilt als Mann von morgen: Er war 2010 österreichweit mit einem glänzenden Text gegen Barbara Rosenkranz aufgefallen („Ihr seid nicht jene, die die Heimat gepachtet haben“), damals veröffentlicht in profil.

Anders als bei den Sozialdemokraten gibt es für die Obleute der Jungen ÖVP praktisch eine Karrieregarantie: Fritz König und Josef Höchtl saßen lange im Nationalrat, Othmar Karas ist ÖVP-Fraktionschef im Europaparlament, Werner Amon vertritt die Volkspartei gerade im Korruptions-Untersuchungsausschuss des Nationalrats, im Parlament sitzt auch Silvia Fuhrmann. Deren Nachfolger Sebastian Kurz gilt überhaupt als die größte Nachwuchshoffnung seit Langem.

Kurz selbst führt das quasiautomatische Hineinwachsen der JVP-Vorsitzenden in die „große Politik“ auf das für die Parteijugend günstige Parteistatut zurück: Die JVP ist keine Vorfeldorganisation wie die Sozialistische Jugend, sondern ein Bund – formal gleichrangig mit ÖAAB, Wirtschafts- und Bauernbund. Die JVP-Vorsitzenden dürfen deshalb auch bei den fraktionellen Ministerrats-Vorbesprechungen dabeisitzen. Davon können die SJ-Chefs nur träumen: Sie müssen schon froh sein, wenn man sie ohne Stimmrecht in den Parteivorstand kooptiert.

Eine mindestens ebenso wichtige ÖVP-Karriereschiene ist das arbeitsintensive Hochdienen im Vorzimmer eines Ministers: Die drei ÖVP-Obmänner der Nach-Schüssel-Zeit – Wilhelm Molterer, Josef Pröll und Michael Spindelegger – verbrachten ihre politischen Lehrjahre durchwegs in Ministerbüros. Auch eines der aktuellen Großtalente, der niederösterreichische Agrar- und Umweltlandesrat Stephan Pernkopf, hat eine solche Vergangenheit: Der studierte Jurist profilierte sich als einer der engsten Mitarbeiter des damaligen Landwirtschaftsministers Josef Pröll. Im Finanzministerium diente er Pröll als Kabinettschef.

Eine andere Eintrittskarte in die hohe Politik hatte ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl, 32, ebenfalls eine der schwarzen Nachwuchshoffnungen: Er hat das begehrte Trainee-Programm der Industriellenvereinigung durchlaufen, eine zweieinhalb Jahre dauernde Post-Graduate-Ausbildung, die zum Teil im Ausland absolviert wird – mit Stationen in Unternehmen und internationalen Institutionen. Nur zehn Kandidaten pro Jahr können an diesem Programm teilnehmen. Einer, der vor Jahren das Glück hatte, für einen solchen Kurs ausgewählt zu werden, war der damals junge Jurist Michael Spindelegger.

Fundamental geändert hat sich die Personalrekrutierung bei der FPÖ. Jörg Haider war vor dem Problem gestanden, dass er nicht genügend Funktionäre zum Besetzen der stark wachsenden Zahl von Mandaten hatte. Also klaubte Haider bei Veranstaltungen oder Wirtshausbesuchen junge Männer auf, die ihm einigermaßen begabt erschienen (Frauen wie Susanne Riess waren die Ausnahme). Gernot Rumpold, Peter Westenthaler, Walter Meischberger, Karl-Heinz Grasser – die berühmte „Buberlpartie“ kam auf diese Weise zustande. Das Problem dabei: Es fehlten die Moralfilter, die Parteiorganisationen – bei all ihren Schwächen – immer noch darstellen. Heute ermittelt der Staatsanwalt gegen viele der inzwischen in die Jahre gekommenen „Buberln“.

Die Strache-FPÖ bedient sich daher wieder in den Institutionen: Ein Teil der FPÖ-Mandatare kommt aus den rechten Burschenschaften, die Mehrzahl der freiheitlichen Nationalratsabgeordneten saß vorher einige Jahre in den Gemeinderäten ab. Als „Leute, die sich an der Basis bewährt und lange genug beobachtet wurden“, beschreibt sie der Wiener FPÖ-Obmann Johann Gudenus. „Wir machen keine großen Experimente mit Quereinsteigern.“

Eine der Nachwuchshoffnungen der FPÖ, die Lustenauerin Nicole Hosp (nicht identisch mit der gleichnamigen Skirennläuferin), sitzt im Gemeinderat ihrer Heimatstadt. Die FPÖ ist dort mit 31 Prozent zweitstärkste Partei. Vergangenes Jahr rückte Nicole Hosp in den Landesvorstand der FPÖ auf.

Aus ganz anderen Ecken kommt der Nachwuchs bei den Grünen, die üblicherweise zwei Rekrutierungsstränge verfolgen: Der eine sind NGOs, wie etwa Global 2000, wo der ehemalige Bundesgeschäftsführer Lothar Lockl und die amtierende Bundessprecherin Eva Glawischnig ihre ersten politischen Schritte getan hatten. Auf regionaler und lokaler Ebene finden die Grünen ihr Personal meist bei Bürgerinitiativen.

Der zweite Karrierezugang ist auch bei den Grünen die Arbeit in den Jugendorganisationen, die freilich traditionell parteikritisch agieren. Die Grünen & Alternativen StudentInnen (GRAS) sind denn auch bei ÖH-Wahlen hinter der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) stets zweitstärkste Fraktion, aber nur in geringem Maß ein Personalreservoir für die Grünen. Es könnte freilich sein, dass ein Erfolgsmodell dies ändert: Immerhin kommt die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou aus der GRAS.

Anders als bei den anderen Parteien begrenzen Grüne ihre Verweildauer in der Politik oft freiwillig selbst: So verloren die Wiener Grünen mit dem Abgang von Maria Ringler und Sabine Gretner und der früheren ÖH-Vorsitzenden Sigrid Maurer in jüngerer Zeit drei hoffnungsvolle Jungpolitikerinnen.

Das werde in Zukunft öfter vorkommen, meint Staatssekretär Sebastian Kurz: „Die Wege in die Politik werden bunter, viel­fältiger und internationaler werden, und die Verweildauer wird kürzer sein.“ Er selbst schließt sich da durchaus ein: „Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mein Leben lang Politik mache, liegt bei genau null Prozent.“