Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Der Sitzriese

Der Sitzriese

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profil: Herr Neugebauer, bekommen Sie für dieses Interview eigentlich eine Zulage?
Neugebauer: An sich stünde mir natürlich eine zu, aber in meinem steten Bemühen um Privilegienabbau nehme ich sie nicht in Anspruch.

profil: Welche wäre es denn?
Neugebauer: Nun, da käme sowohl die Vor-dem-Reden-denken-Pauschale in Höhe von € 87,44 in Betracht als auch die Vokalzu-
lage von € 21,17 pro 100 gesprochenen Selbstlauten.

profil: Ganz ehrlich – finden Sie so was noch irgendwie zeitgemäß?
Neugebauer: Ggnfrg: Httn S s s lbr?

profil: Äh … Nicht unbedingt.
Neugebauer: Da sehen Sie wieder einmal, wie ungeheuer kurzsichtig dieses böswillige Her­umreiten auf den Zulagen ist. Die Allgemeinheit hat ein Recht auf unsere Selbstlaute.

profil: Wundert es Sie, dass beim Image des öffentlichen Dienstes in der nicht beamteten Restbevölkerung, nun ja, noch ein wenig Platz nach oben ist?
Neugebauer: Gestatten Sie, dass ich kurz jovial werde?

profil: Ich bitte darum.
Neugebauer: Hätten s’ halt was Gscheites glernt.

profil: Aber es können ja schlecht alle Beamte werden.
Neugebauer: Das wohl nicht. Obwohl die Welt dann sicher hervorragend verwaltet wäre.

profil: Sie haben im Streit um die beiden zusätzlichen Unterrichtsstunden für Lehrer wie auch schon in unzähligen Verhandlungsmarathons davor wieder einmal den Sieg davongetragen. Haben Sie das gefeiert?
Neugebauer: Na ja, ein bisschen schon. Ein paar Kollegen aus der Gewerkschaft und ich haben das eine oder andere Bier getrunken und uns dann gegenseitig die berührendsten Passagen aus dem Amtskalender vorgelesen.

profil: Was ist eigentlich das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Neugebauer: Nun, teilweise bin ich sicherlich von Mutter Natur begünstigt – aber den Rest habe ich mir hart erarbeitet.

profil: Wie darf ich das verstehen?
Neugebauer: Mein Hintern ist seit einem Bandscheibenvorfall im Jahr 1982 gefühllos, und ich muss nur alle zwei Tage einmal aufs Klo. Ich kann ewig sitzen. Mir ist es egal, wie lang eine Verhandlung dauert.

profil: Beeindruckend. Und wie Sie mit dem Wort „Reform“ umgehen, das weiß man ja inzwischen.
Neugebauer: Nun ja, es gibt schon verschiedene Möglichkeiten. Aber meine liebste ist zweifellos, ihm einmal die Vokale wegzunehmen. Rfrm – das nimmt dann diesem hässlichen Wort schon sehr viel seines Schreckens.

profil: Warum sind Sie eigentlich so vehement gegen jede Reform?
Neugebauer: Guter Mann, fragen Sie mich das im Ernst? Es ist kein Wunder, dass wir es so schwer haben, wenn in der Bevölkerung so wenig Wille vorhanden ist, uns zu verstehen. Weil sich dann was ändert! Das ist ja wohl sonnenklar.

profil: Es könnte sich ja auch zum Guten ändern.
Neugebauer: Das ist mittlerweile leider ausgeschlossen. Die letzte neue Zulage wurde im Jahr 1991 eingeführt.

profil: Aber eine Bildungsreform scheint unum…
Neugebauer: Kmmn S mr blß ncht s! ch knn ch ndrs!

profil: Entschuldigung. Ich will jetzt wirklich nicht der sein, der einen völlig berechtigten Generalstreik des öffentlichen Dienstes verursacht.
Neugebauer: Sehen Sie! Wenn Sie eine Vor-dem-Reden-denken-Pauschale bekämen, wäre Ihnen das sicher nicht passiert.

profil: Bei der vorletzten Bildungsdebatte haben Sie mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, einen Bildungstest für Dreijährige einzuführen. Halten Sie das immer noch für eine gute Idee?
Neugebauer: Selbstverständlich. Man kann die Spreu nicht früh genug vom Weizen trennen.

profil: Alle Bildungsexperten sagen genau das Gegenteil.
Neugebauer: Mir fehlen leider die adäquaten Ausdrucksmöglichkeiten, um Ihnen zu verdeutlichen, wie fundamental wurscht mir das ist.

profil: Sie werden demnächst den Vorsitz des ÖAAB abgeben – nicht ganz freiwillig. Es gibt Widerstand gegen Sie, weil Ihr vehementer Einsatz für die Beamten bei nicht pragmatisierten Arbeitnehmern nicht so glänzend ankommt.
Neugebauer: Daran können Sie erkennen, dass ich keineswegs überall unkündbar bin. Ungerechterweise, wie ich anfügen möchte.

profil: Dabei wäre es doch eigentlich praktischer, Sie würden auch offiziell Bundeskanzler sein – und nicht nur heimlich.
Neugebauer: Gehen S’! Ich hab so viele Gschaftln – da hätt ich für noch eins doch gar keine Zeit.

profil: Und ein bissl Privatleben sollte sich doch auch ausgehen, nicht wahr?
Neugebauer: Sie sagen es! Die 11. Novelle der Bekleidungsverordnung für städtische Bestatter ist seit drei Monaten her­außen – glauben Sie, ich hätt schon die Zeit gefunden, mich auf die Couch zu hauen und darin zu schmökern?

profil: Herr Neugebauer, ich danke für das Gespräch.
Neugebauer: Gern. Das macht dann € 114,80 an Verwaltungsabgaben. Aber beeilen Sie sich, die Amtskassa schließt um zwölf.

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