Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Wenn Banker wanken

Wenn Banker wanken

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Wissen Sie, ich bin ja nun an sich wirklich nicht empfindlich. Aber wenn schon alle ständig erklären, dass man diejenigen, die von der Krise am härtesten getroffen werden, mit ihren Problemen nicht allein lassen darf, dann finde ich, dass man endlich erkennen muss, wer denn hier die ärmste Sau ist. Das bin nämlich eindeutig ich. Der CEO von UBS. Der Bruder von Lehman. Der ­Estatesman von der Hypo.

Schauen Sie: Ein Arbeiter im General-Motors-Werk in Wien-Aspern. Was verdient dieser Bremsklotz des Turbokapitalismus, der Default Swaps für eine Sexualpraktik hält, bei der seine Frau nie mitmachen würde? Sagen wir einmal 1500 Euro netto. Das ist im Hinblick auf die Lohnstückkosten natürlich ein Wahnsinn, kein Wunder, dass die Autoindustrie so dasteht, wie sie dasteht, ich hätte da durchaus ein paar Ideen, wie man das ändern könnte, aber während sie in dieser kaputten Branche den Fließbandabstaubern das Geld tonnenweise in den Rachen hauen, zahlen sie auf der anderen Seite Boni, angesichts derer bei uns schon den 24-jährigen Kreativen aus der Derivaterfindungsabteilung die Tränen waagrecht aus den Augen spritzen würden, so lächerlich sind sie, also werd ich einen Teufel tun und denen auch quasi gratis erklären, wie Wirtschaft funktioniert – und außerdem ist das ja jetzt überhaupt nicht mein Thema.

Weil, was ich eigentlich sagen wollte: Wenn also der gute Mann bei General Motors rausgeschmissen wird, finden das alle ganz furchtbar und kriegen sich überhaupt nicht mehr ein vor lauter Sorgenumwölkung der Denkerstirn. Aber: Was bitte verliert der denn schon groß? 1500 Euro im Monat.

Und deshalb dieses ganze Geheul? Wissen Sie, was ich allein dadurch, dass man mir die Hälfte meines Bonus für 2008 in Aktien meiner eigenen Bank ausbezahlt hat, deren Kurs wegen dieser hirnverbrannten Kleinanleger, die alle panisch verkauft haben, weil sie sich um die lächerlichen paar Cents, die ihre Altersversorgung sein sollten, ihre verabscheuungswürdigen Spießersorgen gemacht haben, verloren habe? 48 Mille!

Und wer ersetzt mir die bitte? Wo ist das Konjunktur­paket, in dem ich drinstehe? Schließlich hängen ja auch jede Menge Zulieferbetriebe von mir ab. Allein das Mahagoni, das ich jetzt für die Täfelung der Zweitküche meiner Drittyacht möglicherweise nicht brauchen kann, bedeckt auf Borneo eine Fläche, die nur wenig kleiner als das benachbarte Sultanat ­Brunei ist. Und dann diese quälende Unsicherheit – was kommt da noch auf mich zu? Kommt es zur Kernschmelze des Finanzsystems? Wovon zahle ich dann die Miete für meine Inselgruppe im Indischen Ozean? Kommt es zur globalen Depression, gehen die Industriestaaten bankrott (was mich nicht groß wundern würde, ich habe immer schon gesagt, dass der Staat an sich einfach sauschlecht wirtschaftet). Das wiederum würde bedeuten, dass die Hyperinflation ausbricht und mein ganzes sauer verdientes Erspartes einfach weg ist.

Gut, ich habe natürlich für diesen Fall schon auch eine kleine Vorsorge getroffen, das gebe ich zu. Meine Großmutter hat schon immer gesagt: „Ein paar Vorräte im Keller und ein bisschen Gold im Garten – das kann nie schaden.“ Nun ist mein Garten gerade einmal 27.000 Quadratmeter groß, und ich wollte ihn nicht völlig umgraben, nur um ein wenig Gold zu verstecken. Also hab ich mir gedacht – lass es gleich dort, wo es eh schon vergraben ist, und schau, dass du eine gute Mine in diesem bösen Spiel bekommst. Sie ist in Papua-Neuguinea und war nicht billig. Seit jeder Depp Gold kauft, ist ja der Preis ins Astronomische gestiegen. Diese lästigen Hosenscheißer von Kleininvestoren hauen einfach jeden Markt zusammen. Aber wenigstens habe ich den Stamm, auf dessen Gebiet die Mine liegt, gratis dazubekommen. Ja und was die Vorräte betrifft – wer hat schon so viel Platz im Keller?

Also habe ich 50.000 Hektar bestes Ackerland in Äthio­pien gekauft. Man glaubt ja immer nur, dort wächst nichts, weil man halt diese schiachen Fotos von den Kindern mit den aufgeblähten Bäuchen … Na ja. Ich sag immer: Ich kann nun einmal nicht alle Probleme der Welt alleine lösen.

Jedenfalls, das mit dem Ackerland: Dort wächst ungeheuer viel – man muss nur die Schwarzen davon fernhalten. Das macht jetzt die Armee für mich. Die ist ungeheuer kooperativ. Und einmal abgesehen von der Sicherstellung meiner persönlichen Nahrungsmittelversorgung ist es im Moment total angesagt, in Ackerland in der Dritten Welt zu investieren. Wenn die ganze Krise einmal vorbei ist, wird Ackerland abgehen wie die Hölle, sag ich Ihnen. Das wird der dot.com-Boom der Zehnerjahre. Da muss man rechtzeitig einsteigen!

Aber was erzähl ich Ihnen. Sie werden ja wegen der Sparpakete, die kommen werden, und wegen der ­Steuererhöhungen und der exorbitanten Kreditzinsen wieder einmal andere Sorgen … Äh, jedenfalls, worauf ich zumindest dieses eine kurze Mal Ihre Aufmerksamkeit lenken wollte: Mir geht es im Moment ganz schön dreckig. Aber ich bin halt nicht der Fabriksarbeiter von General Motors. Ich habe eben leider keine Lobby.

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