Scherbengericht

Scherbengericht: In Wiens Jüdischem Museum schlagen die Wellen hoch

Eklat. In Wiens Jüdischem Museum schlagen die Wellen hoch

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Mitte der Vorwoche machte sich Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, zu einer Reise nach Polen auf. Der SS-Spruch, mit dem Museumsprokurist Peter Menasse den Ruf ihres Hauses endgültig zerstört hatte, begleitete sie nach Auschwitz. Nachdem sich Dutzende Museumsleute aus halb Europa kritisch über das Vorgehen der neuen Wiener Museumschefin in der Hologrammaffäre geäußert hatten, hatte Menasse auf Facebook polemisch erklärt, die Museumswelt folge offenbar dem Schwur der SS: "Unsere Ehre heißt Treue.“

Noch ehe Spera in der Gedenkstätte des ehemaligen NS-Vernichtungslagers angekommen war, informierte der Museumsprokurist sie von seinem Rücktritt. Entlastet ist die Museumsdirektorin dadurch keineswegs. Sie hatte öffentlich dazu geschwiegen, dass Menasse ("Ich stamme selbst aus einer Familie, die viele Opfer in der Shoah zu beklagen hatte“) Fachkollegen, deren Familien von der SS ermordet worden waren, in die Nähe der NS-Verbrecherorganisation gerückt hatte.

Bernhard Purin
, Direktor des Jüdischen Museums der Stadt München, will sich zu dem auch an ihn adressierten SS-Vergleich nicht äußern. Er hatte sich im Vorjahr selbst um die Direktion in Wien beworben und sagt nun: "Wiens Politiker haben das Jüdische Museum in die Hände eines Laienduos gelegt. Was dabei herausgekommen ist, schmerzt. Besonders irritiert, dass die Politik dabei feige zuschaut.“

Schweigend hatte Wiens rot-grüne Stadtregierung hingenommen, was im Jüdischen Museum unter der seit Juli 2010 amtierenden Direktorin, der ehemaligen TV-Moderatorin Spera, in den vergangenen Monaten vor sich gegangen war und im Tabubruch des SS-Anwurfs geendet hatte. Der Ausgangspunkt des Konflikts war die für Museen selbstverständliche Angelegenheit des Abbaus einer Dauerausstellung. Es wäre ein Einfaches gewesen, die Fachwelt beim Umgang mit jenen Hologramm-Glasobjekten einzubinden, deren avantgardistischer Ansatz die Gebrochenheit jüdischer Geschichte zum Thema gemacht hatte: Anstelle von Artefakten waren nur deren Schemen sichtbar gewesen. Ende Jänner war davon nichts geblieben als Scherbenhaufen. Fachleute reagierten entsetzt, fragten, wieso nicht Alternativen gesucht worden waren. Im Museum selbst berief man sich auf ein "Gutachten“ der Glaswerkstatt, die den Abbau nur mit dem Vorschlaghammer bewerkstelligt hatte.

"Das Volk“.
Während Museumsprokurist Menasse das SS-Zitat von seiner Facebook-Seite mit Bedauern zurückzog, ließ er seine an Stammtischunterhaltung völkischer Kreise erinnernde Verteidigungslinie stehen. Auszüge: "Merke: Wer das Wort führt, weiß besser Bescheid als das Volk. Ach, kotzen mich diese Besserwisser an. … Museumsleute wissen es besser als der Glasermeister.“

Zu seinem Rücktritt sagte Menasse gegenüber profil, sein SS-Vergleich sei unangemessen, "ein Blödsinn“ gewesen, der Rückzug sein eigener Entschluss. Weder Wiens Bürgermeister Michael Häupl noch die für das Museum zuständige Finanzstadträtin Renate Brauner, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny oder Spera hätten ihm den Abgang nahegelegt. Menasse: "Im Gegenteil. Es hat in den vergangenen Tagen freundliche Kontakte gegeben, man war mir zugewandt.“

Weil sie den Kurs nicht mehr mittragen wollten, haben noch vor Menasses Abgang zwei weitere Kuratoren das Jüdische Museum Wien verlassen. Mit ihnen verlor das Haus innerhalb eines halben Jahrs vier seiner acht Ausstellungsgestalter. Die Tätigkeit von Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek ist ungewiss, nach Weitergabe der Zerstörungsbilder war ihr die Neukonzeption des in Totalumbau befindlichen Hauses entzogen worden. Inzwischen fordert das renommierte Glastechnik-Unternehmen Frisch und Stiassny Spera bereits zum zweiten Mal auf, "die Falschinformationen“ über die Konstruktion der von ihm gestalteten Glasobjekte "öffentlich zu widerrufen“. Unternehmensinhaber Heinz Haring ist zugleich Gerichtssachverständiger für Glastechnik. Seinen Angaben zufolge waren die Objekte demontierbar konstruiert. Für den sachgerechten Abbau hatte der Errichter nach Aufforderung der Museumsdirektorin ein Anbot erstellt, ein Auftrag blieb aus. Über die Bruchstücke ließ die Wien Holding als Träger des Museums nachträglich eilends das Gutachten eines Sachverständigen für Haus- und Sportstättenbau erstellen, das laut Holding beweist, die Glasobjekte seien "nicht demontierbar“ gewesen. In diesem Gutachten ist laut Haring "nicht einmal die Glasstärke richtig angegeben - ein Hinweis auf seine Oberflächlichkeit“.

Was die Zukunft des Wiener Museums betrifft, verlangt Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, "dass man sich nun ernsthaft mit der Führung des Hauses befasst“. Bernhard Purin vom Museum in München sieht die einzige Chance in völliger Neukonzeptionierung: "Wenn Wien sein Jüdisches Museum ernst nimmt, kann man es nicht weiter wie das Hundertwasser-Haus unter den Wirtschaftsbetrieben der Wien-Holding laufen lassen.“