Schicksalsmonate für Eva Glawischnig

Schicksalsmonate für Eva Glawischnig:

Ihre Abwesenheit war fast unbemerkt geblieben

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Ein Comeback wird nur richtig interessant, wenn man eigentlich nicht damit gerechnet hat; oder wenn es unter dramatischen Umständen erfolgt; oder wenn es schiefgeht. Eva Glawischnigs Comeback war das erwartbarste seit „Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin“. Dagegen hatte Jörg Haiders „Bin schon weg, bin wieder da“-Serie fast eine dramatische Note. Dass die Grünen-Chefin nur mal kurz weg sein würde, wusste man. Und der Grund ihrer Auszeit, die Geburt ihres zweiten Sohnes, blieb zu Recht Privatangelegenheit und folglich weitgehend unvermarktbar. Glawischnigs zweimonatige Abwesenheit glich daher mehr einer Sommerpause und dürfte zwischen Strandbad und Biergarten kaum hitzige politische Debatten unter Bürgern ausgelöst haben. Den Schülern gehen die Lehrer in den Ferien ja auch nicht ab.

Eva Glawischnig freut sich dennoch, dass sie wieder in der Tagespolitik ist: „Die Rückkehr ist lustvoll. Es ist eine spannende Zeit.“ Auch wenn es das Publikum vielleicht nach all den Jahren und Fernsehauftritten nicht ganz glaubt: Die Grünen-Chefin zählt eher zu den unprätentiöseren politischen Spitzenkräften im Land. Dennoch konnte sie vergangene Woche der Versuchung nicht widerstehen, ihre Rückkehr mit einem inszenierten Auftritt beim Bundesparteivorstand in Dornbirn und einem Medien-Event in der Wiener Kunsthalle am Karlsplatz zumindest ein wenig zu zelebrieren. Was man vermarktet, wertet man ja auf, obwohl gerade für grüne Politikerinnen die schnelle Rückkehr in den Beruf die normalste Sache der Welt sein sollte.

Vor knapp einem Jahr hatten die Grünen bei den Wahlen 10,4 Prozent erreicht und waren damit nur mehr fünftstärkste Partei im Land. Glawischnig verlor ihr Amt als Dritte Nationalratspräsidentin. Innnerparteilich stieg sie auf. In einem Interview nach ihrer Designierung zur Grünen-Chefin wurde sie von „ZiB 2“-Moderator Armin Wolf gefragt, ob sie sich den Job denn zutraue. Glawischnig reagierte mit einem überrascht-defensiven „Ja“ und echauffierte sich später über Frage und Antwort. Denn die hätte in Glawischnigs retro­spektiver Schlagfertigkeit lauten sollen: „So etwas erlaubt man sich nur bei einer Frau. Einen Josef Pröll würden Sie so etwas nicht fragen.“ Das mag stimmen. Umgekehrt wurde Josef Pröll im ORF etwa schon nach seinem bemerkenswert volatilen Körpergewicht gefragt, eine Politikerin dagegen noch nie.

Die größte Leistung Glawischnigs als Grünen-Chefin war bisher die politische Liquidierung von Johannes Voggenhuber. Der langjährige Europa-Abgeordnete war zunächst nicht als Spitzenkandidat für die EU-Wahlen nominiert worden und durfte schließlich nicht einmal auf dem letzten Listenplatz kandidieren. Übernimmt man die grüne Gender-Klassifikation, war es eine typisch männliche Tat: Ein unliebsamer Kontrahent wurde erst weichgeklopft und nach weiterem Widerstand einfach entsorgt. Aus realpolitischer Sicht war es keine männliche, sondern eine profes­sionell notwendige Tat. ­Keine Partei wird auf Dauer einen teamunfähigen Querulanten dulden. Das könnte man auch Josef Pröll fragen.

Dem ÖVP-Chef wird eine gewisse Neigung zu Schwarz-Grün nachgesagt. Aus den entsprechenden Verhandlungen nach den Wahlen 2002, die Glawischnig links inner- und außerhalb der Partei teils bis heute nicht verziehen worden sind, wurde bekanntlich nichts. Daueropposition ist freilich Mist, und daher zog sich Alexander Van der Bellen nach der Wahlniederlage 2008 in die zweite Reihe zurück. Eva Glawischnig will es nun, im Herbst 2009, endlich wissen. Die Grünen, lautete ihre Comeback-Botschaft vergangene Woche, wollen „stärker in das Machtspiel einsteigen“. Die wirtschaftliche Lage zwinge die große Koalition zu großen Reformen, die mangels Zweidrittelmehrheit ohne Grüne nicht möglich seien. So wird die Krise zumindest theoretisch zur Chance, die in fünf Jahren zur Regierungsbeteiligung verwertet werden soll.

Eva Glawischnig versteht es, das grüne Problem in hübsche Worte mit Soziologenklang zu packen, wie etwa „Bildungsschichtlastigkeit“. Es bedeutet: Grünwähler wissen mehr, dafür sind sie weniger und überdies leicht beleidigbar und wankelmütig. Wer wie Glawischnig bei Wahlen 15 Prozent erringen will, muss daher auch die Zielgruppe ohne Geiwi-/Sowi-Diplom ansprechen. Gnadenloser als Grünwähler sind nur noch grüne Funktionäre. Kritiksucht ist an der Basis weiter verbreitet als das Binnen-I im Parteiprogramm. Darum machte es wahrscheinlich Sinn, dass Glawischnig in ihrer Antrittsrede im Jänner von ihren Funktionären „Fehlerverträglichkeit“ forderte. Was auch immer das genau bedeuten mag: Es gilt sicherlich auch nach ihrem Comeback.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.