Schwarzfischer-Prozess

Schwarzfischer-Prozess: Eine Forelle und sechs Monate Haft

Tirol. Es geht um eine Forelle und sechs Monate Haft

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Alexander und Stefanie Donninger leben mit ihren Kindern in Kiefersfelden, einer Ortschaft an der deutsch-österreichischen Grenze. Ihr Einfamilienhaus mit Garten wird von einem kalbshohen Hund bewacht. Hinter dem Anwesen rauscht ein wildromantischer Gebirgsbach vorbei, der auf seinem Weg von Tirol nach Bayern mehrmals den Namen wechselt.

Die Gegend ist ein von der Freizeitindustrie vergessenes Paradies. Zwei Kilometer sind es von den Donningers zu einem aufgelassenen Steinbruch. Hier picknicken und radeln die Einheimischen, und an heißen Tagen plantschen ihre Kinder im eisigen Bach.

Vergangenen Sommer erspähten Herr und Frau Donninger an einer lauschigen Stelle ein paar Fischer. Sie hatten ihren siebenjährigen Zwillingen Enya und Arthur schon allerlei Abenteuer in der freien Natur geboten. Angeln waren sie noch nie. "Das wäre doch etwas“, sagten ihre Eltern.

Vor zwei Wochen mussten sie sich wegen Schwarzfischerei vor dem Bezirksgericht Kufstein verantworten. "Eingriff in fremdes Jagd- und Fischrecht“ heißt das Delikt im Strafgesetzbuch. Ein ortsansässiger Anwalt hatte sie angezeigt. Mit unbewegter Miene verlas die Staatsanwältin die Anklage, als ginge es um illegale Großwildjägerei der übelsten Sorte - und nicht um eine Forelle, die sie aus der Thiersee Ache gestohlen haben sollen. Streitwert: drei Euro.

Vergangene Woche auf dem Weg zum Tatort zieht Stefanie Donninger die Kinder auf die Seite. "Sie wissen bis heute nicht, dass wir ihnen etwas vorgespielt haben“, raunt ihr Mann. Die Forelle, die er im vergangenen Sommer vor den Augen der Zwillinge mit "Oh!“ und "Ah!“ aus dem Wasser gezogen habe, will seine Frau zuvor tiefgefroren im örtlichen Lidl-Markt gekauft haben. In einem unbeobachteten Moment habe er sie an der Angelschnur befestigt und in den Bach getaucht.

Ein paar Monate später flatterte dem Ehepaar ein Schreiben der Polizei ins Haus. Ein Radfahrer hatte ihren Angelausflug beobachtet und dem Inhaber des Fischereirechts davon berichtet. Alexander Donninger fiel aus allen Wolken, sagt er: "Zu uns war der Mann sehr freundlich. Er hat erzählt, dass ein Fischereiaufseher gesucht wird. Ich war sehr interessiert, und er hat versprochen, mich anzurufen.“ Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, dass er sie in Wirklichkeit für Schwarzfischer gehalten habe: "Sonst hätte ich gleich an Ort und Stelle alles aufgeklärt.“

Nun brauchen sie dafür juristischen Beistand. Der Innsbrucker Anwalt Taddäus Schäfer hat die Verteidigung übernommen, weil es "da um etwas Grundsätzliches geht“, sagt er. Er, Schäfer, habe vor Gericht schon viele David-gegen-Goliath-Causen ausgetragen: "Aber ein wohlhabender, angesehener Anwalt, der wegen ein paar Euro mit dem ganzen Justizapparat über eine Familie aus bescheidenen Verhältnissen drüberfährt, das schlägt alles.“

Der Richter habe seinen Mandanten angeboten, die Causa außergerichtlich - mit Diversion - aus der Welt zu schaffen. Das lehnten die Angeklagten allerdings ab. "Ich weigere mich, etwas zuzugeben, was ich nicht getan habe“, sagt Alexander Donninger. Der Radfahrer, der einzige Zeuge des mutmaßlichen Forellendiebstahls, weilte auf Urlaub. Der Prozess wurde bis nach seiner Rückkehr vertagt. Dem angeklagten Ehepaar aus Kiefersfelden drohen bis zu sechs Monaten Haft.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges