Felix Baumgartner: Springschuld
Man kann es wie der langjährige Seelsorger des österreichischen Olympia-Teams, Pater Bernhard Maier von den Salesianern Don Boscos, einordnen: „Ich habe das zufällig gesehen, weil ich meinen Ordensbrüdern beim Abendessen Gesellschaft leisten wollte, und die haben alle wie gebannt auf den Fernseher geschaut. Natürlich war es gschwind einmal ein bisserl aufregend. Aber ich kann dieser Leistung nichts Besonderes abgewinnen. Ich frage mich: Was hat das gebracht? Aber das frage ich mich auch bei Bergsteigern, die auf alle Achttausender wollen. Wahrscheinlich muss kein Sinn dahinterstecken.“
George Mallory, der 1924 bei der versuchten Erstbesteigung des Mount Everest ums Leben kam, antwortete 1923 auf die Frage der „New York Times„“, warum er auf den höchsten Berg der Erde wolle, mit dem legendär gewordenen Satz: „Because it’s there.“ Felix Baumgartner, 43, beantwortete in einem „Standard“-Interview im Juli die Sinnfrage seines „Stratos“-Projekts mit einem Everest-Verweis: „Der Everest ist schon zigmal bestiegen. Und früher ging es darum, wer als erster Mensch auf dem Everest steht. Das ist natürlich ein Wettbewerb. Es gibt nur einen Ersten auf dem Everest. Wenn man das erreicht, ist es für die Ewigkeit. Jeder kennt den Hillary. Und jetzt will ich der Erste sein, der diesen Everest besteigt.“
Baumgartners Everest war die Schallgeschwindigkeit. Bei seinem Flug am 14. Oktober in New Mexico erreichte er 1343 km/h. Das Ziel, sich mit einer Pionierleistung zu verewigen, hat der Salzburger damit erreicht: Die anderen Rekorde - höchster Absprung (39.045 Meter), längster freier Fall (36.529 Meter) - sind fürs Guinness-, eher nicht fürs Geschichtsbuch.
Rekorde bescherte auch die mediale Vermarktung. Das Red-Bull-eigene Servus-TV und der ORF verzeichneten Höchstquoten. Rund 200 Fernsehstationen übertrugen live. Stratos hat „seinen Sinn als Marketinginstrument voll erfüllt“ (so Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz in den „Salzburger Nachrichten“). Auch die Nachbearbeitung des Stunts in Form von Interviewserien funktionierte weltweit - mit einer Ausnahme: Gegenüber der „Kleinen Zeitung“ geriet Baumgartner auf die Frage nach der Politik in einen inhaltlichen Red-out-flat-spin: „Du kannst in einer Demokratie nichts bewegen. Wir würden eine gemäßigte Diktatur brauchen, wo es ein paar Leute aus der Privatwirtschaft gibt, die sich wirklich auskennen.“ Dabei weiß Baumgartner, dass Schweigen auch Gold bedeuten kann. So kamen Red-Bull-Kapazunder lange vor dem Sprung auf die Idee, er solle beim Aufstieg in der Kapsel die Worte „Willkommen in meiner Welt - der Welt von Red Bull“ sprechen. Baumgartner lehnte ab: „Lächerlich, so eine Idee. Bei mir gibt es kein Kasperltheater.“