Ausgebürgert

Innenministerium plant Neuregelung gegen Ausbürgerungen

Ausbürgerungen. Österreicher, denen nach Jahrzehnten die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde

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Amtliche Bescheide sind oft folgenschwer, aber für einen jungen Steirer bedeutete das drei Seiten lange Schreiben nicht weniger als das Ende eines normalen Lebens.

1987 wurde dem gebürtigen Grazer Marijan Babic (Name von der Red. geändert) von der Steiermärkischen Landesregierung mitgeteilt, er habe nie die österreichische Staatsbürgerschaft besessen. Babic war damals 22 Jahre alt, hatte österreichische Schulen und eine Kochlehre absolviert. Wäre er nicht als untauglich eingestuft worden, hätte er auch seinen Präsenzdienst beim Bundesheer geleistet. "Ich habe mich immer als Österreicher gefühlt“, erzählt der heute 47-Jährige. "Und plötzlich musst du deinen Reisepass und den Staatsbürgerschaftsnachweis abgeben. Ich bin in ein schwarzes Loch gefallen.“

Seine Mutter war Österreicherin, sein Vater Kroate aus dem früheren Jugoslawien. Im Alter von drei Jahren erhielt der Bub vom Magistrat Graz den Nachweis über die österreichische Staatsbürgerschaft ausgestellt. Doch dies sei "fälschlicherweise“ erfolgt, lautete fast zwei Jahrzehnte später der Bescheid. Babic sei nach dem Vater jugoslawischer Staatsangehöriger, kein Österreicher. In Österreich gilt das "ius sanguinis“: Wer hier geboren wird, ist nur dann Österreicher, wenn es auch die Eltern sind. Und damals war dafür bei ehelichen Kindern nur die Herkunft des Vaters maßgeblich.

Dass sein Vater 1977 die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt, half dem Sohn nichts. Der frühere Fehler des Grazer Magistrats war folgenschwer: Denn so hatte der Vater darauf verzichtet, gleichzeitig mit sich selbst auch seinen Sohn einbürgern zu lassen. Denn dieser war doch schon Österreicher, dachten die Eltern.

Eine Vorstrafe als Jugendlicher verhinderte nun ein Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Und Jugoslawe konnte und wollte der Grazer nicht werden. Der Heimatstaat seines Vaters zerfiel gerade im Bürgerkrieg. Und Babic sprach nur Deutsch. Doch das hinderte die Grazer Fremdenpolizei nicht daran, ihm Schubhaft anzudrohen.

Babic durfte in Österreich nicht mehr legal arbeiten und tauchte unter. Dass er daraufhin auf die schiefe Bahn geriet, sieht er heute als direkte Folge des Vorgehens der Behörden. Inzwischen sind seine Vorstrafen getilgt, aber das änderte nichts an seiner prekären Lage.

Alle Eingaben, alle Briefe an den Bundespräsidenten, die Regierung und das Parlament waren bisher vergeblich. Babic darf zwar inzwischen in Österreich leben, aber keinen legalen Job annehmen. Er ist nicht krankenversichert und lebt von der Unterstützung seiner Partnerin. Da er keinen Fremdenpass bekommt, sind auch Reisen ins Ausland unmöglich. "Ich fühle mich als Gefangener im eigenen Land. Und rechtlich hat alles seine Ordnung. Fehler der Behörden wurden immer nur gegen mich verwendet“, klagt Babic.

Er ist einer von so genannten "Putativ-Österreichern“, für die sich die grüne Volksanwältin Terezija Stoisits einsetzt. 30 Fälle sind ihr bekannt. Schon seit 1984 fordert die Volksanwaltschaft vergeblich eine Änderung im Staatsbürgerschaftsgesetz. "Wenn Behörden jemanden, der in Österreich lebt und hier auch geboren wurde, irrtümlich als Staatsbürger anerkannt haben, dann muss es doch eine Möglichkeit für eine humane Sanierung dieses Fehlers geben“, so Stoisits. "Die Betroffenen haben sich die Staatsbürgerschaft ja nicht erschlichen.“ In Deutschland oder in der Schweiz gibt es längst Regelungen, dass solche Personen leicht wieder eingebürgert werden können.

Die Härte der rein rechtlich besehen korrekten Bescheide wirkt unverständlich. "Warum verlieren Personen, die oft jahrzehntelang österreichische Pässe besaßen, mit einem Schlag ihre Staatsbürgerschaft? Österreich hat doch keinen Vorteil daraus“, erklärt Stoisits.

Durch eine Verschärfung im Staatsbürgerschaftsgesetz im Jahr 2006 sind Betroffene oft gar nicht in der Lage, wieder Österreicher zu werden. Mindestrentner oder Bewerber ohne entsprechendes Einkommen sowie vorbestrafte Personen sind von vornherein ausgeschlossen.

Der Fall des Oberösterreichers Eugen Nerger, der im Vorjahr im Alter von 65 Jahren seine Staatsbürgerschaft verlor, obwohl er seit seiner Geburt in Österreich lebt und auch Präsenzdienst beim Bundesheer ableistete, sorgte vor zwei Wochen für Schlagzeilen. Auch bei Nerger wurde erst 2007 festgestellt, dass seine Eltern bei seiner Geburt nicht Österreicher waren und daher der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft ungültig sei. Die Aufforderung, er könne ja um Einbürgerung ansuchen, will Nerger wegen der Gebühren in der Höhe von rund 1000 Euro nicht befolgen. Außerdem erfüllt er als Mindestrentner gar nicht die finanziellen Voraussetzungen.

Ähnlich wie Nerger erging es auch dem als Kind einer Österreicherin und eines Deutschen in Kärnten geborenen Fred B. Der heute 63-jährige Pensionist musste vor einem Jahr seinen österreichischen Reisepass dem Konsulat in Berlin zurückgeben.

Die Behörden hatten herausgefunden, dass B. eigentlich schon seit 1958 nicht Österreicher ist. Sein Vater, der aus beruflichen Gründen für eine Arbeit als Arzt auf Sri Lanka Österreicher wurde, hatte dort später um die deutsche Staatsbürgerschaft angesucht und auch einen Antrag für seinen damals 13-jährigen Sohn abgegeben. Doch das Gesuch blieb irgendwo hängen.

B. war jahrzehntelang offiziell Österreicher und erfuhr erst vor einem Jahr, dass er eigentlich keiner ist. "Der Mann ist alleinstehend und Pensionist“, wundert sich seine Berliner Anwältin Cäcilia Rennert. "Welches Interesse hat Österreich, diesen Mann auszubürgern?“

In der Volksanwaltschaft landeten weitere Härtefälle. Bei Adoptionen von Kindern, deren Mütter aus Drittstaaten kommen, erleben österreichische Eltern oft mühsame Prozeduren. Stoisits fordert daher eine Gesetzesänderung. Bei Adoption von Minderjährigen durch österreichische Eltern sollte automatisch auch den Adoptivkindern die Staatsbürgerschaft der neuen Eltern verliehen werden. Doch das Innenministerium lehnte im Jahr 2010 die Anregung der Volksanwältin ohne Begründung ab. "Diese rechtlich gedeckte, aber sinnlose Härte unserer Behörden verstört mich immer aufs Neue“, klagt Stoisits. "Politiker verwenden gern den Begriff vom ‚hohen Gut‘ der Staatsbürgerschaft. Als ob es von vornherein etwas Besseres ist, Österreicher zu sein.“

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner versprach vor zwei Wochen im Nationalrat, von Experten eine Gesetzesänderung prüfen zu lassen. Und zwar für jene "Einzelfälle“, bei denen die Behörden für Fehler verantwortlich sind. "Wir fordern das schon seit 1984“, klagt Stoisits. "Eigentlich könnte die Prüfphase endlich vorbei sein.“