Brücke an Captain

Team Stronachs erster Einsatz im Parlament

Parlament. Die erste Woche der neuen Partei Team Stronach

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Der Chef kam doch noch auf einen Sprung vorbei. Am Donnerstagnachmittag, als die meisten Journalisten und Besucher das Parlament bereits verlassen hatten, spazierte Frank Stronach durch die Gänge des Hohen Hauses, inspizierte ein paar Büros und plauderte mit seinen Leuten. Ob ihn der Tempel der Demokratie nachhaltig beeindruckte, ist nicht überliefert. Robert Lugar, Klubobmann von Team Stronach, erklärte hinterher, der Boss sei insgesamt sehr zufrieden gewesen und habe sogar noch eine Anregung hinterlassen: Man möge doch, so Stronachs Wunsch, demnächst einen Antrag auf Zusammenlegung der Krankenkassen einbringen.

Wenn es weiter nichts ist. Das sollte sich einrichten lassen.
Erst am 8. November erhielt Frank Stronachs kleine Truppe den Klubstatus im Parlament. In der vergangenen Woche hatten die fünf BZÖ-Flüchtlinge bereits ihren ersten Großeinsatz. Eine mit vier Sitzungstagen besonders lange Plenarwoche stand auf dem Programm – mehr als genug Gelegenheit, sich den Abgeordnetenkollegen und der Öffentlichkeit als Polit-Kraft der Zukunft zu präsentieren.

Gar so oft kommt es nicht vor, dass eine neue Partei im Hohen Haus ihr Debüt gibt. Mit etwas Fantasie kann man also durchaus den Atem der Geschichte spüren, als am Dienstag um neun Uhr der erste Plenartag eröffnet wird. Könnte ja sein, dass hier und jetzt etwas Großes seinen Anfang nimmt.

Doch zunächst einmal ist es gar nicht leicht, Stronachs Truppe im Plenarsaal ausfindig zu machen. In der vorläufigen Sitzordnung sitzen die fünf Abgeordneten nämlich dort, wo sie auch in ihren BZÖ-Zeiten saßen: ganz hinten. Die Parlamentsdirektion ließ bereits im Vorfeld durchklingen, dass es dabei wohl bleiben wird. Die Organisation des neuen Klubs verursacht auch ohne Sesselrücken genug Scherereien.
Dafür zeigt ein Blick auf die Rednerliste, dass sich die Newcomer ordentlich austoben dürfen. An jedem vollen Sitzungstag sind mehr als 64 Minuten eingeplant – für eine kleine Fraktion ist das eine Herausforderung. So viel Meinung muss man als einfacher Mandatar erst einmal zusammenkratzen. Den Anfang macht Christoph Hagen, gelernter Polizist und seit 2008 im Nationalrat. Thema ist das Bundesheer, also etwas Leichtes zum Aufwärmen. Die Volksbefragung sei eine Entscheidung „zwischen Pest und Cholera“, findet Hagen. Rot und Schwarz lassen seiner Meinung nach das Bundesheer „verlumpen“. Was nach der Befragung passieren soll, sei völlig unklar. „Sprechen Sie endlich einmal Klartext.“

Eine halbe Stunde später versucht Robert Lugar sein Glück. Aufgeräumt und adrett steht er da und bemüht sich erkennbar, nur ja nichts falsch zu machen. Vor drei Jahren hatte er, damals noch als Mandatar des BZÖ, einmal den falschen Zettel eingesteckt und über die Erhöhung des Kilometergelds referiert anstatt über das Bankenpaket, das gerade zur Debatte stand. So etwas passiert ihm sicher nicht noch einmal. „Wir brauchen keine Zwangsverpflichteten“, erklärt er mit sanfter Stimme. Stattdessen solle man lieber versuchen, Langzeitarbeitslose für den freiwilligen Sozialdienst anzuwerben. Lugar: „Warum bieten wir diesen Menschen nicht eine Perspektive?“ Wer sich beim Zuhören ein wenig anstrengt, findet schließlich doch noch heraus, dass Lugar für ein Berufsheer und einen freiwilligen Sozialdienst eintritt – also ziemlich genau für die Lösung, die auch der SPÖ vorschwebt.

Der Atem der Geschichte hat seine Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt. Eine historisch bedeutsame Woche wird das nicht mehr.

Es wäre unfair, die neue Partei nur an den rhetorischen Fertigkeiten ihrer Mandatare zu messen. Versierte Redner sind in allen Fraktionen Mangelware. Ein Vormittag im Plenarsaal genügt, um herauszufinden, warum sich viele Migranten mit der Sprache so schwertun: Die Regeln der deutschen Satzbildung sind wirklich verflixt kompliziert. Robert Lugar und Kollegen kämpfen mit diesem Rohmaterial nicht wesentlich verzweifelter als die meisten anderen Abgeordneten.

Dennoch drängt sich schon recht bald die Frage auf, ob es ein kluger Schachzug war, den Klubstatus im Nationalrat zu beantragen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Team Stronach eine One-Man-Show. Die skurrilen Auftritte des Magna-Gründers und Milliardärs haben jenen Gesprächsstoff geliefert, der sich in anhaltend guten Umfragedaten niederschlägt. Der Parteigründer ist zugleich das Programm, ohne Stronach hat das Team Stronach keinen erkennbaren Daseinszweck. Die von ihm erbeuteten Mandatare stecken noch dazu in einer Zwickmühle: Je mehr sie sich plagen, umso mehr wirken sie wie ganz normale Politiker – vor denen ihr Chef die Allgemeinheit bekanntlich bei jeder Gelegenheit warnt.

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger etwa, ehemals Heurigenwirtin, forscht am Mittwoch in den Tiefen des Budgetentwurfs durchaus wacker nach ein paar kritikwürdigen Details. Sie findet aber auch nicht mehr als die Kollegen von der Opposition. Stefan Markowitz, im normalen Leben unter anderem Organisator von „Fêtes blanches“, fordert am Donnerstag die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass heimische Betriebe wieder mehr Lehrlinge anstellen. Das ist lobenswert, geht aber nicht als eigene Idee durch. Robert Lugar bringt am Dienstag einen Antrag ein, die Politikergehälter tunlichst nicht zu erhöhen. Derselben Ansicht sind auch FPÖ und BZÖ, und zwar schon deutlich länger. Immerhin schafft es Lugar, das Budgetdefizit mit der Gesamtverschuldung zu verwechseln. Wenigstens das machen nicht alle so.

Parlamentspräsidentin Barbara Prammer soll etwas erstaunt gewesen sein, als Lugar ihr bei einem Gespräch vor ein paar Tagen erklärte, er empfinde sich als gänzlich „unpolitisch“. Gemeint hat er damit wohl, dass es ihm nicht so darauf ankommt, wofür oder wogegen er gerade stimmt. Hauptsache, es ernährt den Mann. Die Parteifreunde dürften das ähnlich sehen. Der Großteil hat bereits eine politische Odyssee von der FPÖ zum BZÖ und jetzt zu Stronach hinter sich. Felsenfeste Überzeugungen würden dabei nur stören, der Milliardär hat gerne das letzte Wort.

Er stimme sich natürlich bei jedem Thema mit Frank Stronach ab, erzählt Lugar bereitwillig. „Andere Parteien sind in sich vielleicht demokratischer organisiert“, vermutet er, „aber das hat auch Nachteile. Bei uns gibt Frank die Linie vor. Wer dafür ist, kann beitreten, wer nicht, soll es lassen.“ Dass das Mastermind aus steuerlichen Gründen mindestens die Hälfte des Jahres nicht in Österreich verbringen darf, erschwere die Meinungsbildung nur unerheblich. Lugar: „Man kann ja auch eine Telefonkonferenz machen.“ In diesem Moment blinkt das Handy des Klubobmanns. Dazu hört man eine Stimme: „Brücke an Captain. Es kommt eine Nachricht herein.“ Lugar grinst versonnen. Wenigstens für sein Mobiltelefon ist er der Boss.
Wer bei der Nationalratswahl als Spitzenkandidat antreten wird, ist noch immer nicht klar. An sich sollte Stronach den Part übernehmen. Im Magazin „News“ brachte Lugar letzte Woche plötzlich Rechnungshof-Präsident Josef Moser ins Gespräch – der davon allerdings nichts wusste und eilig dementierte. So macht man das eigentlich nicht, finden sogar die eigenen Parteifreunde. „Ich hätte vorher mit Moser geredet“, meint etwa der Salzburger Mandatar Erich Tadler.

Verwirrung stiftet auch die Personalie Gerhard Köfer. Der langjährige Bürgermeister von Spittal an der Drau und Nationalratsabgeordnete war von der SPÖ zu Stronach gewechselt, hält aber Abstand zu den neuen Kollegen. Mitglied des Klubs werde er nicht, erklärt Köfer in der Parlamentscafeteria. „Das war nicht Teil meiner Vereinbarung mit Frank. Ich war immer ein Einzelkämpfer.“ Also sitzt er im Plenum weit weg von den anderen, beteiligt sich nach Möglichkeit nicht an deren Sitzungen und will bei der bevorstehenden Büroübersiedelung in die Bartensteingasse auch nicht mitkommen. Dennoch wird Köfer bei der Landtagswahl in Kärnten für Stronach antreten und rechnet auch fix mit einem Platz auf der Nationalratsliste. Die erste Einsatzwoche von Klubobmann Lugar kommentiert Köfer vielsagend: „Ich glaube, er bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten.“

Das Team Stronach beginnt seine parlamentarische Karriere also bereits mit einem wilden Abgeordneten. Das ist, immerhin, etwas ganz Neues.

Rosemarie Schwaiger