Eskaliert die Inseratenaffäre?

Schadensfalle

U-Ausschuss. Eine Anklageerhebung gegen Kanzler Faymann oder Staats­sekretär Ostermayer ist nicht mehr auszuschließen

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Als Staatsanwalt in Eisenstadt lernte Gregor Adamovic das Böse in seiner Bandbreite kennen: vom Feuermord an einer Pensionistin in Nickelsdorf über einen korrupten Sportfunktionär in Mattersburg bis zum Raufhandel zweier Türken vor einem Kebab-Stand in der Landeshauptstadt. Mittlerweile ist Adamovic von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ins Justizministerium in Wien übersiedelt. Dort bearbeitet er in der Strafrechtssektion als einer von sieben Staatsanwälten der Abteilung 5 („Großverfahren und berichtspflichtige Strafsachen“) Fälle, die laut Geschäftseinteilung „wegen der besonderen Sensibilität über das normale Maß hinausgehen“.

Im Mai war Adamovic’ Expertise in einem besonders sensiblen Fall gefragt. Auf seinem Schreibtisch landete der Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Wien mit der Empfehlung, die Untreue-Ermittlungen gegen Kanzler Werner Faymann und Medienstaatssekretär Josef Ostermayer in der Inseratenaffäre einzustellen. Zwar hätten beide in Faymanns Amtszeit als Verkehrsminister (Jänner 2007 bis Dezember 2008) staatliche Betriebe wie Asfinag und Bundesbahn ohne Wissen der betroffenen Geschäftsführungen dazu vergattert, Inserate in Boulevardmedien zu schalten. ÖBB und Asfinag sei dadurch aber kein Vermögensnachteil entstanden. Und wo kein Schaden, da keine Untreue.
Sachbearbeiter Adamovic, sein Abteilungsleiter Robert Jirovsky und der Leiter der Strafrechtssektion, Christian Pilnacek, beurteilten den Sachverhalt etwas anders. Per Weisung an die Staatsanwaltschaft Wien wurden die Ermittlungen prolongiert (siehe profil 37/2012). In einer Dienstbesprechung der involvierten Staatsanwälte am 11. Juli vertrat Pilnacek laut Protokoll die Ansicht, „dass ein Schadenseintritt bei beiden AGs (Asfinag und ÖBB, Anm.) keinesfalls auszuschließen sei“.
Also doch ein Vermögensnachteil und damit der Straftatbestand Untreue? Die ministerielle Weisung sowie weitere profil vorliegende Informationen aus der Justiz deuten auf eine mögliche Eskalation der Inseratenaffäre hin. Eine Anklageerhebung gegen Faymann oder Ostermayer ist nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. Die SPÖ zeigt sich nervös und attackierte ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl wegen angeblicher politischer Einflussnahme.

Aufgrund der Weisung muss die zuständige Staatsanwältin Ursula Kropiunig ehemalige Asfinag-Manager laden, was sie zuvor unterlassen hatte. Doch bisher konnten – aus Termingründen – weder der frühere Vorstand Franz Lückler noch dessen Direktoriumskollege, Ex-Verkehrsminister Mathias Reichhold, einvernommen werden. Umso dramatischer dürften die Ergebnisse der Befragung des Dritten im früheren Asfinag-Vorstandsbunde, Christian Trattner, ausgefallen sein. Laut profil-Informationen leitete die Staatsanwaltschaft dessen Einvernahmeprotokoll aus ermittlungstaktischen Überlegungen nicht wie üblich an den U-Ausschuss weiter.

Einer der Nachfolger der früheren ­Asfinag-Chefs sagte dagegen am 17. September vor Staatsanwältin Kropiunig aus: Alois Schedl, langjähriger Manager in der Asfinag, Oktober 2007 zum Vorstandsdirektor befördert. Im Gegensatz zu seinen eher renitenten Chefs galt Schedl als Vertrauensmann von Ostermayer und Faymann. In seiner Aussage gab Schedl laut Protokoll an, die Asfinag habe die inkriminierten Inserate selbst beauftragt. Dass zumindest die Anregung dazu vom damaligen Verkehrsminister kam, bestätigt auch Schedl: „Bedingt durch meine Tätigkeit hatte ich sehr viel Kontakt mit dem Kabinett, wobei sowohl Faymann als auch Ostermayer angesprochen haben, warum wir nicht verstärkt unsere Bauprojekte bewerben, zumal diese mit Bundesgeldern finanziert werden, die Projekte allerdings von den Ländern als ihre Leistungen dargestellt wurden.“
Ex-ÖBB-Chef Martin Huber muss sich ebenfalls auf eine – in seinem Fall neuerliche – Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vorbereiten. Vor dem U-Auschuss Donnerstag vergangener Woche bestätigte Huber indirekt eine brisante Aussage bei einer früheren Vernehmung. Demnach hätte ihm Ostermayer bei einem Essen im Wiener Gasthaus „Stadtwirt“ im Februar 2008 erklärt, Minister Faymann erwarte sich bis zu sieben Millionen Euro aus dem ÖBB-Inseratenbudget „zur eigenen Disposition“. SPÖ-Vertreter entgegneten, dass die Einstellung der Ermittlungen zu diesem Punkt auch von Justizministerium und Oberstaatsanwaltschaft gebilligt wurde – was zutrifft. Laut Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft erfolgte die Einstellung, „da ein Schuldnachweis gegen Dr. Josef Ostermayer im Sinne der Vorwürfe des Magister Martin Huber im Zweifel nicht zu erzielen ist“. Hubers Vorwürfe könnten allerdings „im Hinblick auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse keineswegs als völlig fern jeder Realität betrachtet werden“.

Zur Verteidigung ihres Chefs rückte vergangene Woche dessen Nachfolgerin im Verkehrsministerium aus: Faymanns Inseratenschaltungen „zu kriminalisieren“, so Doris Bures, sei „menschenverachtend und demokratiegefährdend“. Es gehe bloß „um haltlose Anschüttungen und nicht um Aufklärung“. Einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung könnte Bures selbst liefern: Trotz mehrmaliger Urgenzen weigert sich das Verkehrsministerium standhaft, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsausschuss angeforderte Unterlagen aus der Ära Faymann zu übergeben.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.