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US-Künstlerin Barbara Kruger im Kunsthaus Bregenz

Kunst. US-Starkünstlerin Barbara Kruger collagiert politische Bilder und Botschaften

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Die Augen quellen über, der Mund verzerrt sich, schweißnasses Haar klebt im Gesicht. Es ist offensichtlich: Hier gerät gerade jemand aus der Fassung. Quer über das – theatralisch inszenierte – Foto zieht sich in schlichten Lettern der Schriftzug: „Our prices are insane.“ (Unsere Preise sind verrückt.)

Die Werke der US-Künstlerin Barbara Kruger, derzeit in Los Angeles ansässig, sprechen ihr Publikum unmittelbar, direkt und offensiv an; man braucht keine Gebrauchsanweisungen, um ihren Inhalt nachvollziehen zu können. Der Witz jener Werbeslogan-Persiflage, die Kruger 1987 anfertigte, bleibt kaum jemandem verborgen.

„Du willst es. Du kaufst es. Du vergisst es“
Die Auswüchse und Mechanismen des Kapitalismus zählen seit jeher zu den Themen, die Kruger gern künstlerisch anpackt. 2002 hängte sie an die Fassade eines Frankfurter Einkaufszentrums überdimensionale Plakate, von denen jeweils ein großes Auge herunter auf die Passanten starrte – darüber die Aufschrift „Du willst es. Du kaufst es. Du vergisst es“. Und zu einer wahren Ikone der Konsumkritik wurde ihre Montage, auf der sie das Foto einer geöffneten Hand mit der Schriftzeile „I shop therefore I am“ (Ich kaufe, also bin ich) kombinierte – in Anlehnung an das kartesianische „Ich denke, also bin ich“. Wobei die Künstlerin mit der ersten Person Singular tatsächlich sich selbst meinte. Schließlich widerstehe sie keineswegs den Verlockungen des Konsums, wie sie freimütig bekennt: „Ich besitze zwar nicht viel, aber ich mag schöne Dinge. Und es ist nett, sich etwas zu leisten“, erklärt sie: „Einen Markt gab es schon immer. Aber manche Leute kaufen, kaufen, kaufen, nur um die Leere in sich zu füllen.“

Die 68-Jährige sitzt in einem Café gegenüber dem Kunsthaus Bregenz (KUB), wo sie ihre Einzelausstellung – die erste in einer großen österreichischen Institution – vorbereitet. In der Vorarlberger Landeshauptstadt kennt man ihre Kunst bereits; Kruger beteiligte sich hier vor Jahren an einer Gruppenausstellung sowie an einer Solidaritätsaktion für den chinesischen Künstler und Dissidenten Ai Weiwei. In Wien sah man Installationen von ihr 2012 in der Arbeiterkammer; ebenso designte sie eine Bühne für das Thomas-Bernhard-Festival in der Kunsthalle. Eine weitere Österreich-Premiere Krugers steht demnächst an: Die renommierte Künstlerin wird in wenigen Wochen eine Reihe von Kunst-Inserts exklusiv für eine während der Ausstellungsdauer erscheinende profil-Ausgabe gestalten. Mit Printmedien arbeitet sie gern: In der Vergangenheit intervenierte sie mit ihren Collagen und Textarbeiten bereits in so bedeutenden Blättern wie der „New York Times“, dem „New York Magazine“, „Newsweek“ oder dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“.

Krugers Affinität zur Gestaltung von Magazinen und Zeitungen geht auf ihren ersten Job zurück: Im Alter von 19 Jahren – damals studierte sie noch an der Parsons School of Design in New York – begann sie für den Condé Nast Verlag zu arbeiten. Frauenzeitschriften wie „Mademoiselle“ oder „House and Garden“ gestaltete sie zunächst als Grafikerin, dann als Bildredakteurin. So lernte sie den kreativen Umgang mit Wörtern und Fotos von der Pike auf – und setzte ihn später nicht nur in Sachen Konsumkritik ein. Ein anderes ihrer frühen Anliegen teilt sie mit zahlreichen Künstlerinnen ihrer Generation, etwa Jenny Holzer oder Cindy Sherman: den Feminismus. Ihre Montage „Your Body is a Battleground“ (Dein Körper ist ein Schlachtfeld) wurde zum Kultbild der US-Frauenbewegung: Plakate davon wurden neben Anti-Abtreibungswerbungen aufgehängt, entfalteten so besondere Wirkung. Andere Affichen riefen zum Widerstand gegen häusliche Gewalt auf. Krugers weitere Themen: Überwachungsstaat, Gesundheitsversorgung, Bildungsmisere. Bisweilen stellt sie auch sehr grundsätzliche Fragen („Wohin gehst du?“) – oder zitiert Personen von Karl Kraus bis Courtney Love, etwa auf Bussen des öffentlichen Nahverkehrs in New York oder Siena. In nicht-anglophonen Ländern übersetzt sie die Texte ihrer Installationen – zwecks besserer Zugänglichkeit – lieber in die jeweilige Landessprache, statt sie im Englischen zu belassen.

„Ich kann mich nicht beschweren“
Kruger zählt mittlerweile zu den bekanntesten US-Künstlerinnen: Sie kann auf Schauen in bedeutenden Museen ihres Landes verweisen und nahm jeweils zwei Mal an der Kasseler documenta sowie der Biennale Venedig teil – wo sie 2005 den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk erhielt. Dennoch scheint sie sich bis heute darüber zu wundern, dass sie von ihrer Kunst überhaupt leben kann. Es amüsiert sie sogar, dass eine ihrer eigenen Arbeiten jüngst um rund 900.000 Dollar versteigert wurde: „Ich selbst erhalte nichts von der Summe. Als ich das Werk gemacht habe, wurde es um 700 Dollar verkauft“, erinnert sie sich. Trotzdem: „Ich kann mich nicht beschweren, ich hab’s gut getroffen. Allerdings glaube ich nicht, dass das Künstlerdasein etwas Besonderes ist.“ Die Huldigung, die manchen Künstlern heute zuteil wird, findet sie absurd.

Gegen Kameras hegt sie daher eine dezidierte Aversion – weil sie stets ihr Werk im Vordergrund wissen will; sogar gegen das Verteilen von Autogrammen verwahrt sie sich. Eine KUB-Mitarbeiterin muss dies während des Ausstellungsaufbaus erfahren: Als sie Kruger etwas schüchtern bittet, eine Karte für sie zu signieren, weist diese das Ansinnen überaus freundlich zurück und fordert die junge Frau auf, doch einfach selbst darauf zu unterschreiben. Fast entschuldigend meint Kruger später, als die erfolglose Unterschriftenjägerin weg ist: „Diese Autogramme haben einerseits etwas mit dem Vergänglichen zu tun – sie werden ja auch ,Ephemera’ genannt –, andererseits sind sie Fetische.“ Nachsatz: „Aber ich fühle mich schlecht dabei, wenn ich so einen Wunsch zurückweisen muss. Das wirkt so divenhaft.“

Aber mit einer Diva hat Kruger ungefähr so viel gemeinsam wie Sarah Palin mit Florence Nightingale: wild gelockte Haare, graue Steppjacke, leicht verwaschene Jeans, bequemes Schuhwerk, schlichter Silberschmuck – Glamour sieht anders aus. Die zurückhaltende Erscheinung hindert Kruger freilich nicht daran, ihren Aussagen Nachdruck zu verleihen; politische Missstände können sie in Rage bringen, etwa wenn sie sich über den Regierungs-Shutdown in ihrer Heimat ärgert: „An all dem tragen jene republikanischen Politiker die Schuld, die Barack Obama hassen! Sie wollen schlicht und einfach keinen Schwarzen im Weißen Haus – und tun alles, um ihn zu behindern! Sie sind ignorant, dumm und zornig!“ Das allgegenwärtige, von ihr bereits in den 1980er-Jahren künstlerisch thematisierte Motiv der Überwachung lässt sie ebenfalls nicht kalt. „Damals machten sich die Menschen darüber noch Sorgen. Heute präsentieren sie sich selbst online, statt wie früher private Tagebücher zu führen – Narzissmus, Voyeurismus, Exhibitionismus sind leider längst gesellschaftsfähig geworden!“

Bei aller Kritik am Überwachungsstaat verweigert sie sich selbst keinesfalls den – von der NSA flächendeckend zur Ausspio-nierung der Bürger angezapften – digitalen Medien: Stets hat sie ihren Blackberry dabei, von ihrem neuem iPad Mini schwärmt sie. Damit informiert sie sich, als bekennender „News-Junkie“, rund um die Uhr über Aktuelles. Sie muss wissen, was auf der Welt los ist. Die Diagnose der Politikmüdigkeit, die der Kunst derzeit so gerne gestellt wird, widerlegt Barbara ­Kruger eindrücklich.

Infobox

Tränen­­geschichten
Schrift, Bild, Video: Barbara Krugers ­Ausstellung im Kunsthaus Bregenz

Das Plakat ist schon vom Bodensee aus weithin sichtbar, es bedeckt fast die gesamte Fassade des Kunsthauses. Kruger stellt darauf die Frage: „Wer wird die Geschichte der Tränen aufschreiben?“ Darunter überlagert ein Smiley ein weinendes Gesicht (Foto re.). Ebenfalls für den Außenraum gestaltete die Künstlerin für die KUB-Billboards Poster mit Texten, die halb ernst, halb ironisch das Wesen der Kunst reflektieren – oder danach fragen, ob es ein Leben ohne Schmerz gebe. Zwei eindrückliche Installationen im KUB selbst bestehen ebenfalls ausschließlich aus Schrift: So ziehen sich über die Wände eines Stockwerks die Worte „Der Sinn des Lebens besteht darin, dass es endet“, eine weitere Etage legte Kruger mit weißen Buchstaben auf schwarzem Grund aus, ergänzt durch kleinformatige Collagen aus den 1980er-Jahren, in denen ihre beißende Ironie spür- und sichtbar wird. Zudem zeigt sie eine Videoinstallation – ein Medium, das Kruger nicht sehr häufig einsetzt –, in der einzelne Protagonisten aneinander vorbei sprechen, in Soap-Opera-ähnlichen Dialogen über alles und nichts reden. Die Schau gibt Aufschluss über die sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen der ehemaligen Magazindesignerin; eine Retrospektive, die einen Überblick über ihr inzwischen stattliches Werk erlaubt, steht allerdings hierzulande weiterhin aus.

Kunsthaus Bregenz: Barbara Kruger. Believe + Doubt. Bis 14.1.2014.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer