Verhinderungstaktik

Verhinderungstaktik: Noever und Matt waren zu lang im Amt

Kulturpolitik. Die museumspolitische Mängelliste

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Vergangenen Donnerstag wurde jener Kontrollamtsbericht veröffentlicht, der die Geschäftsgebarung des einstigen Kunsthalle-Direktors Gerald Matt beleuchtet. Die Ergebnisse der Überprüfung durch die Stadt Wien dürften – ebenso wie die jüngst publik gewordene Studie der Wirtschaftsprüfungskanzlei HLB Intercontrol – Matt und Freunde im Grunde nicht zu voreiligem Triumphgeheul verleiten. Die Tatsache, dass das Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Matt eingestellt wurde, drängt freilich auch dessen ­Kritiker in die Defensive.

Bewilligte Eskapaden
Aber nur auf den ersten Blick: Kontrollamtsbericht und HLB-Studie bestätigen, wofür der flamboyante Kulturmanager in zahllosen Zeitungs- und Zeitschriftenberichten kritisiert wurde: überhöhte Handyrechnungen (2008 vertelefonierte Matt 16.176,40 Euro) und Reisespesen (das Kontrollamt empfiehlt folgerichtig, Reisen auf das „unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken und dabei auf eine sparsame Gebarung zu achten“), dazu die Nutzung personeller Ressourcen der Kunsthalle für eigene kuratorische Nebentätigkeiten wie für private Wohnungsrenovierungen. Eine Mitarbeiterin der Kunsthalle gab im Kontrollamtsbericht den Zeitaufwand für Matts Kurzzeitausstellung im Parlament mit vier Monaten an, eine andere mit 80 Stunden; im Rahmen einer privaten Buchpublikation Matts waren wiederum ­Zusatzstunden im Ausmaß gleich mehrerer Monate ange­fallen.

Matts Eskapaden wurden ihm vom Vorstand des Vereins Kunsthalle Wien stets bewilligt, was mit ein Grund sein dürfte, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Intervention und Untreue gegen den bekennenden Dandy eingestellt hat.

Nun gilt er den einen als Mann mit Hang zur Unredlichkeit und den anderen als eine Art Märtyrer. Beide Darstellungen sind überzogen – und prägen dennoch das Bild, das man sich hierzulande von Matt macht. Dabei hätte der gebürtige Vorarlberger als rühriger Kunstmanager, der in großem Maßstab internationale Größen der Kunst nach Österreich brachte, in guter Erinnerung bleiben können – ebenso wie Peter Noever, der ehemalige Leiter des Museums für angewandte Kunst (MAK), dem ebenfalls der allzu lockere Umgang mit hauseigenen Ressourcen vorgeworfen wird (der entsprechende Rechnungshofbericht soll im kommenden Monat publiziert werden; die Rohversion, wie der „Kurier“ jüngst meldete, bestätige viele Vorwürfe).

Matt und Noever mögen, jeder auf seine Weise, den ihnen anvertrauten Ausstellungshäusern nachhaltige Image- und möglicherweise auch wirtschaftliche Schäden zugefügt haben. Dabei wurden die Direktoren zusätzlich von einer Kulturpolitik allein gelassen, die dem Treiben lange tatenlos zusah und deren Eingreifen am Ende den strauchelnden Managern wohl zugute gekommen wäre.

Zu lange im Amt
Denn so unvermutet wie zuletzt von den zuständigen Kulturpolitikern dargestellt kamen die Probleme mit den Direktoren keineswegs daher. Es gab zudem einen Paradefall: Wilfried Seipel, bis 2008 Direktor des Kunsthistorischen Museums (KHM), erwarb kostensparend Kunst für die eigene private Sammlung, ließ sich Aufsätze für Publikationen des Hauses extra honorieren und verhökerte seinen Pkw an das Museum, das dafür freilich keinerlei Bedarf hatte. Matt, Noever und Seipel erwiesen sich als Virtuosen eines Doppelspiels: Die regelmäßig wiederkehrende Forderung nach höheren Dotierungen ihrer Häuser mit Steuergeld konterkarierten die Museumsleiter mit fragwürdiger monetärer Moral. Die Kulturpolitik scheint sich der Probleme nach wie vor nicht annehmen zu wollen, obwohl viele davon offen zutage liegen.

Hochgradige Unzufriedenheit von Museumsmitarbeitern stellt beispielsweise einen wichtigen Indikator dar. Im MAK unter Noever flüchteten zahlreiche Kustoden in die innere Emigration, andere – wie der ausgewiesene Kunsthandwerksexperte Christian Witt-Dörring – kündigten, weil sie mit des Direktors herrischem Naturell schwer klarkamen. Die Kunsthalle Wien verzeichnete einen veritablen brain drain: Hochkarätige Kuratorinnen wie Sabine Folie und Doris Krystof verabschiedeten sich aus eigenen Stücken, Gabriele Mackert wurde mit fadenscheinigen Argumenten gekündigt. Bereits 2007 hatte die Wiener Stadtzeitung „Falter“ Gerald Matts friktionsbehaftetes Verhältnis zu seinem Personal thematisiert, Peter Noevers MAK-Regentschaft charakterisierte profil 2002 wie folgt: „Wenn es darum geht, Teamstrukturen aufzubauen oder Mitarbeitern seines Betriebs konzeptionelle Eigenständigkeit zu gewähren, versagen Noevers Visionen.“

Kulturpolitiker sollten in der Lage sein, Kleinkrämerei von wahren Schwierigkeiten zu unterscheiden: Nicht Fernreisen sind das Problem – Kunstinstitutionen leiten sich nicht allein vom Schreibtisch aus, sind auf Internationalität angewiesen –, eher maßlos überhöhte Spesen- und Handyrechnungen. Direktorale Nebentätigkeiten an sich sind schwerlich infrage zu stellen – wenn dafür nicht Mittel des Hauses in ­Anspruch genommen werden. Die Hoffnung bestand zumindest, dass die Ära Seipel in dieser Hinsicht negatives Lehrbeispiel war.

Stopp den automatisierten Vertragsverlängerungen! Noever und Matt waren schlechterdings zu lang im Amt. Bereits ein genauer Blick auf deren Ausstellungspolitik – das MAK ignorierte konsequent seine Kernaufgaben; die Kunsthalle bespielte zuletzt ihre Räumlichkeiten mit Belanglosem – legte die routinemäßige Verlängerung der Amtszeiten von Matt und Co keineswegs nahe. Im Fall von Matt hatte der – von ihm selbst einst eingesetzte – Vorstand des Vereins Kunsthalle Wien ohnehin die Zügel so fest in der Hand, dass selbst dem ressortzuständigen Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny faktisch die Hände gebunden waren. Im Kontrollamtsbericht hält das Kulturamt fest: „Ein permanenter Austausch zwischen dem Vorstand der Kunsthalle bzw. deren Generalsekretär und dem Kulturstadtrat in Fragen der Verlängerung der Funktionsperiode fand nicht statt.“ Wäre es nach dem Vereinsvorstand gegangen, hätte dieser Matts Vertrag sogar bis 2019 verlängert, wie der Bericht offenlegt. Weshalb unterliegen Vertragsverlängerungen nach wie vor keiner kritischen Beurteilung, die nach sachlichen Kriterien – und nicht per Federstrich en passant – erfolgt? Kulturministerin Claudia Schmied zeigte sich „persönlich enttäuscht“, als die MAK-Misswirtschaft öffentlich ruchbar wurde. Entsprechende Initiativen des Ministerbüros sind bislang nicht bekannt geworden.

Kulturpolitiker sollten sich nicht blenden lassen
Das finanzielle Controlling muss ebenfalls strenger gehandhabt werden. Der Verein Kunsthalle Wien wurde einst gegründet, um dem Haus künstlerische Freiheit zu garantieren. Weshalb ließ der Vereinsvorstand zudem zu, dass der Direktor des Hauses sich weitere, von der Staatsanwaltschaft untersuchte Freiheiten nahm? Das Kontrollamt hatte bereits 2003 empfohlen, den Verein Kunsthalle Wien in eine GmbH umzuwandeln, wofür Mailath-Pokorny damals „keine Veranlassung“ sah; inzwischen ist die Kunsthalle in eine GmbH umgewandelt worden. Einzig das Wechselspiel von finanzieller Kontrolle und künstlerischer Freiheit garantiert, dass Ausstellungshäuser wie die Kunsthalle politisch und gesellschaftlich unangenehme Schauen zu lancieren in der Lage sind. Das Vieraugenprinzip – der künstlerischen Leitung ist eine kaufmännische Geschäftsführung beigestellt – hat als Kontrollmechanismus offenbar ausgespielt – siehe Matt und Noever, die vor der rechnerischen Strenge ihrer jeweiligen Geschäftsführerinnen offenbar alles andere als Angst haben mussten.

Kulturpolitiker sollten sich schließlich von Glamour und eitler Inszenierung nicht blenden lassen. Noever, der den kompromisslosen Kunst-Berserker gab, und Matt als schillernder Paradiesvogel beherrschten die Kunst der Verführung, die auf die Mühen der Ebene verzichten zu können glaubt, perfekt. Die offenen Rechnungen zahlen nun andere.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer