Linksruck

Wahlen: Linksruck in Tschechien

Tschechien. Die Wahlen zum Staats­präsidenten könnten den Trend zu Linksparteien fortsetzen

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Am 11. und 12. Jänner wählen die Tschechen erstmals direkt das neue Staatsoberhaupt der Tschechischen Republik, das bisher vom Parlament ernannt wurde. Eine Beschwerde, die eine Verschiebung der Wahl zur Folge ­haben hätte können, wies der Verfassungsgerichtshof vergangenen Freitag ab.

Zu den aussichtsreichsten Bewerbern für das höchste Amt zählen laut Umfragen der parteilose ehemalige Regierungschef Jan ­Fischer und Ex-Premier Milos Zeman, der frühere Chef der tschechischen Sozialdemokraten, der heute eine kleine Linkspartei anführt. Auf Platz drei in den Umfragen liegt SP-Chef Jiri Dienstbier, Sohn des früheren Außenministers und Senators. Auf den hinteren Rängen finden sich auch skurrile Kandidaten wie der am ganzen Körper tätowierte Musikprofessor Vladimir Franz.

Karl Schwarzenberg, Außenminister und Chef der von ihm gegründeten rechtsliberalen Partei Top09, liegt je nach Umfragen auf Platz drei oder vier und ist als 75-Jähriger besonders bei Jugendlichen sehr beliebt. Über 100 Künstler und Intellektuelle unterschrieben einen Wahlaufruf für Schwarzenberg, darunter der Filmregisseur Milos Forman („Ama­deus“, „Larry Flynt“). Schwarzenberg sei „der einzige Kandidat, der in die Fußstapfen von Vaclav Havel treten kann“, heißt es in der Peti­tion.
Die Entscheidung über die Nachfolge von Vaclav Klaus gilt auch als Weichenstellung für die Stellung der Tschechischen Republik in Europa. Klaus, seit 2003 Staatspräsident, hatte sich mit scharfer Kritik an der EU und vor allem am Euro zwar im Inneren viele Anhänger gesichert. Aber in der EU, wo Tschechien zuletzt auch gegen den Fiskalpakt stimmte, ­geriet das Land zusehends in Isolation.

Dass Klaus zuletzt seinen langjährigen Widersacher Milos Zeman in Interviews unterstützte, sorgte für Verwunderung. Zeman gilt als Politik-Saurier, der 2003 gegen Klaus unterlag. Zeman hatte als Premierminister im Jahr 2002 mit einem profil-Interview auch in Deutschland für politische Kontroversen gesorgt. Die Sudetendeutschen seien „Hitlers fünfte Kolonne“ gewesen. Da auf Landesverrat damals die Todesstrafe stand, sei deren Abschiebung ohnedies human gewesen, so Zeman. Der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte darauf seinen geplanten Besuch in Prag ab.

Die seit 2010 amtierende Mitte-rechts-Regierung unter Premier und ODS-Politiker Petr Necas litt unter Korruptionsskandalen, die gleich mehrere Minister zum Rücktritt zwangen. Schon kommende Woche droht ihr das Ende. Grund ist die Ablösung von Verteidigungsministerin Karolina Peake von der kleinen Partei Lidem durch den Premierminister, weil sie einen hohen Beamten und ODS-Vertrauten abgesetzt hatte. Die Tschechen müssten in diesem Fall nach dem Staatspräsidenten auch das Parlament neu wählen.

Ein Linksruck zeichnet sich ab. Bei den Regionalwahlen im Herbst konnten die Kommunisten deutlich zulegen und stehen nun bei 20 Prozent. Die Sozialdemokratische Partei CSSD, 2010 stimmenstärks­te Partei, hat sich bereits für eine Koalition mit den Kommunisten ausgesprochen.