„Schutzbehauptungen“

Inseratenaffäre: Wie sich Faymann in Widersprüche verstrickt

Inseratenaffäre. Wie sich Kanzler Faymann in Widersprüche verstrickt

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Wenn vier sich streiten, wird es unangenehm, vor allem wenn der Kampf nicht auf Augenhöhe stattfindet. Im Jahr 2007 soll es laut Zeugenberichten zwischen den Geschäftsführern der Asfinag Franz Lückler und Christian Trattner sowie dem damaligen Verkehrsminister Werner Faymann und dessen Kabinettschef Josef Ostermayer zu „lautstarken ­Auseinandersetzungen“ gekommen sein. Anlass war ein Fall von Kompetenzüberschreitung – durch den Minister und seinen wichtigsten Helfer. Faymann und Ostermayer hatten genehmen Medien wie „Kronen Zeitung“ und „Österreich“ Inserate der Asfinag versprochen, ohne dies mit
der Autobahnen- und Schnellstraßen­finanzierungsgesellschaft abzuchecken. Die Zwangsbeglückung durch den Verkehrsminister war laut einem internen Protokoll vom August 2007 auch Thema einer Asfinag-Vorstandssitzung: „Vom Eigentümer (BM Faymann) und seinem Kabinett wurden in letzter Zeit mehrere Aufträge für die Schaltung von Inseraten beziehungsweise gekauften Beilagen bei Printmedien beauftragt, ohne dass der Vorstand der Asfinag in den Entscheidungsprozess eingebunden war“ (siehe profil 34/2012).

Die offensive Medienarbeit des von 2007 bis 2008 für ÖBB und Asfinag zuständigen Verkehrsministers Faymann ist mittlerweile als „Inseratenaffäre“ in die jüngste Zeitgeschichte eingegangen. Im laufenden Korruptions-U-Ausschuss des Parlaments wird die Causa als vierter Untersuchungsgegenstand ab Herbst behandelt. Parallel dazu ermitteln nach wie vor die Behörden. Ein profil nunmehr vorliegender Bericht der Staatsanwaltschaft Wien erschüttert die bisherige Argumentation des Bundeskanzlers schwer: Nach Ansicht der österreichischen Justiz hat Werner ­Faymann in der Inseratenaffäre die Unwahrheit gesagt.

Die Ironie: Strafrechtlich betrachtet ist das belastende Schriftstück ein glatter Freispruch. Am 12. März schickte die Staatsanwaltschaft Wien einen so genannten „Bericht über die beabsichtigte Enderledigung“ an die Oberstaatsanwaltschaft. Der Bericht trägt die Unterschrift der zuständigen Staatsanwältin Ursula Kropiunig und der Behördenleiterin Maria-Luise Nittel. Die Empfehlung: Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Werner Faymann und andere wegen der Paragrafen 12 und 153 des Strafgesetzbuchs: Anstiftung zur Untreue. Begründung der Einstellungsempfehlung: „Der Eintritt eines konkreten Vermögenschadens“ bei den betroffenen Unternehmen sei nicht „erweislich“. Und wo kein Schaden, da keine Untreue. Amtsmissbrauch im strafrechtlichen Sinn lag ohnehin nicht vor.

Knapp ein halbes Jahr hatte die Staatsanwältin geprüft, ob Kanzler und Medien-Staatssekretär angeklagt werden könnten. Josef Ostermayer schloss in seiner Beschuldigtenvernehmung durch Kropiunig am 29. November 2011 „hundertprozentig“ aus, dass ÖBB oder Asfinag „ohne vorherige Abstimmung“ ein vom Ministerium beauftragtes Inserat bezahlen mussten. Und Kanzler Faymann gab in seiner Aussage am 20. Februar 2012 zu Protokoll, „dass es meines Wissens nach keine Fälle gegeben hat, in denen der Auftrag an das Medium vom BMVIT gekommen ist“.

Politisch ist der Bericht allerdings kein Frei-, sondern ein krachender Schuldspruch, wie die Detailanalyse zeigt. Laut den Ausführungen der Staatsanwaltschaft unter dem Punkt „Beweislage“ „kann jedenfalls als erwiesen angenommen werden, dass Artikel vom BMVIT, mithin den Beschuldigten Faymann und Ostermayer, in Auftrag gegeben, von ihnen die Fakturierung an die Asfinag AG beziehungsweise ÖBB-Holding AG angeordnet und schlussendlich die Bezahlung für die beiden Artikel tatsächlich von den genannten Unternehmen vor­genommen wurden“. In Zusammenhang mit Schaltungen im Wirtschaftsmagazin „Gewinn“, der Gratiszeitung „Heute“ und dem indirekt im Eigentum der Wiener SPÖ stehenden „VorMagazin“ liegt ebenfalls „der dringende Verdacht einer solchen Vorgangsweise nahe, zumal hinsichtlich dieser Medien­einschaltungen im Zuge des Ermittlungsverfahrens trotz der teilweise hohen Auftragssummen weder ein schriftlicher Antrag der betroffenen Unternehmen noch ein an diese adressierter Kostenvoranschlag der jeweiligen Zeitungsverlage vorgefunden werden konnten“.

Zu den Aussagen der beschuldigten SPÖ-Politiker hielt die Staatsanwaltschaft fest: „Dr. Josef Ostermayer und Werner ­Faymann gaben unter Vorhalt der diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse an, nichts davon gewusst zu haben, dass vom BMVIT in Auftrag gegebene Medieneinschaltungen an die Asfinag AG und die ÖBB-Holding weiterfakturiert worden seien, sie hätten diese Vorgangsweise bei Kenntnis auch keineswegs toleriert, da sie sie für unvertretbar hielten.“ Massive Zweifel an diesen Angaben von Faymann und Ostermayer waren laut Staatsanwaltschaft angebracht: „Dass sich diese Verantwortungen als Schutzbehauptungen darstellen, ergibt sich nicht nur aus der Vielzahl der gleich gelagerten Fälle, sondern auch aus Zeugenaussagen.“

Wohl niemals zuvor in der Geschichte der Zweiten Republik musste sich ein amtierender Bundeskanzler von einer Staatsanwaltschaft derart direkt mangelnde Glaubwürdigkeit vorhalten lassen.

In der strafrechtlichen Beurteilung der Affäre schloss sich die Oberstaatsanwaltschaft Wien der Einstellungsempfehlung der Staatsanwaltschaft an. Mit zwei Ausnahmen: Zur umstrittenen Inseratenserie „Unsere Bahn“ wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben. Und in Zusammenhang mit der Asfinag wurden weitere Zeugeneinvernahmen angeordnet.

Am 14. August sagte etwa der langjährige Asfinag-Pressesprecher Harald Dirnbacher vor Staatsanwältin Kropiunig aus. Laut dessen Zeugeneinvernahme seien zwar auch vor der Faymann-Ära „mit dem BMVIT die groben Werbelinien abgestimmt“ worden. Wurden „Werbeaktionen durchgeführt, wurde der Auftrag aber immer von der Asfinag gegeben, solange Faymann nicht Verkehrsminister war“.

Wie seine Vorstände Lückler und Trattner fühlte sich auch Dirnbacher von Faymann und Ostermayer übergangen: „Als Faymann Verkehrsminister wurde, ist es im Gegensatz zu vorher dazu gekommen, dass zu meinen Themenbereichen Inserate erschienen sind, in deren inhaltliche Gestaltung ich nicht eingebunden war und von denen ich nichts gewusst habe. Das war vorher nie der Fall.“

Als Dirnbacher mit dem dritten Asfinag-Vorstand, Ex-FPÖ-Minister Mathias Reichhold, diese „ungewöhnliche Vorkommensweise“ besprach, wurde ihm „mitgeteilt, dass deshalb keine Stellungnahme vorliege, weil die Inserate vom BMVIT in Auftrag gegeben wurden und noch mehr ­solche erscheinen würden“. Dirnbacher zufolge hätte in der Asfinag „Verwirrung“ geherrscht, „weil wir nicht damit gerechnet haben, dass so etwas eintreten würde, zumal es ja klar war, dass die Asfinag trotz mangelnder Auftragserteilung die Inserate bezahlt“. Die Anzeigenabwicklung via Faymann-Kabinett lief aus Dirnbachers Sicht nicht unbedingt zum Wohle der Asfinag. Originalzitat aus der Zeugeneinvernahme: „Meiner Meinung nach ist die Asfinag durch diese Vorgangsweise sehr wohl geschädigt worden, weil Inserate geschaltet wurden, die meiner Meinung nach nicht notwendig waren.“

Montag vergangener Woche wurde auch der frühere Leiter der Asfinag-Unternehmenskommunikation, Marc Zimmermann, einvernommen. Dieser hatte in – von profil in der Vorwoche veröffentlichten – Aktenvermerken wiederholt von Inseraten-Auftragsvergaben durch das Faymann-Kabinett geschrieben. Gegenüber der Staatsanwaltschaft wollte er davon nichts mehr wissen: „Wenn ich heute diese Aktenvermerke unter dem Blickwinkel des gegenständlichen Verfahrens neuerlich verfassen würde, würde ich den Begriff ,Beauftragung‘ sicher nicht mehr wählen.“ Es lag, so Zimmermann, vielmehr „eine Initiierung“ durch das Verkehrsministerium vor.

Donnerstag der Vorwoche erschütterte auch ein aktueller Bericht des Rechnungshofs die Verteidigungslinie von Faymann und Ostermayer. Laut RH-Prüfer hätten Inserate der Bahn „den Eindruck einer Imagekampagne des BMVIT und des Bundesministers“ erweckt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die ÖBB-Holding die Kosten für solche Schaltungen zur Gänze übernommen habe. Inserate seien „vom BMVIT initiiert“ worden und wären „im Interesse des BMVIT bzw. des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie“ gelegen.

Vielleicht auch unter dem Eindruck des Rechnungshofberichts machte Ende vergangener Woche in politischen Zirkeln ein wildes Gerücht die Runde. Die Staatsanwaltschaft Wien sei dabei, ihren nächsten Bericht fertigzustellen, und würde darin diesmal sogar eine Anklageerhebung gegen Staatssekretär Ostermayer empfehlen. Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium dementieren. Laut profil vorliegenden Informationen ist die Staatsanwaltschaft noch mit weiteren Einvernahmen beschäftigt. Bemerkenswerterweise ordnete Staatsanwältin Kropiunig am 16. August beim Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) auch weitere Vernehmungen von ÖBB-Managern an, obwohl dieser Komplex schon als abgeschlossen galt.

Und per Anordnung vom 17. August forderte Kropiunig vom BAK ultimativ die „Herbeischaffung“ der Kabinettsakten des BMVIT aus der Ära Faymann, die sie schon einmal erfolglos urgiert hatte. Auch im parlamentarischen U-Ausschuss sind bisher keine Akten des Verkehrsministeriums zum Untersuchungsgegenstand 4, Inseratenaffäre, eingegangen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.